Lando Norris gab seinem Teamkollegen Oscar Piastri den Sieg beim GP Ungarn zurück. McLaren erklärt das mit Weisheit. Experten sehen das anders.
Lando Norris hatte schlechte Laune. So richtig schlechte Laune. Als Lewis Hamilton seinen britischen Landsmann im Cool-down-Raum für den Speed seines McLaren lobte, warf Norris erstmal die Pirelli -Kappe auf den Boden und konterte dann: „Du hattest vor sieben Jahren auch ein schnelles Auto und hast das Beste draus gemacht. Jetzt sind wir dran!“
Das Missverständnis war so groß, dass sich Hamilton, der gerade das 200. Podium seiner Karriere eingefahren hatte, zu einer Klarstellung genötigt sah: „Ich wollte mich nicht beschweren, sondern Euch einfach nur loben.“ Dabei beließ es der Elder Statesman der Königsklasse dann aber auch.
Doch die Szene zeigt: Trotz des Doppelsieges seines McLaren-Teams und seines eigenen zweiten Platzes war Norris nicht gerade zum Lachen zumute. Grund war eine Situation, in die sich das britische Traditionsteam selbst gebracht hat. Um Platz zwei vor Hamilton zu sichern, holte der Kommandostand Lando Norris vor dem bis dato souverän führenden Oscar Piastri an die Box.
Durch den sogenannten Undercut, einen früheren Wechsel auf neue, schnellere Reifen, fand sich Norris nach Piastris eigenem Stopp plötzlich an der Spitze wieder. Und genau da begann das Problem. Denn Piastri war in der Folge nicht in der Lage, sich für einen Platztausch entsprechend in Position zu bringen, fiel nach einem Fahrfehler bis auf sechs Sekunden zurück.
Die Folge: Drei Runden vor Schluss musste Norris kräftig vom Gas gehen, um seinem australischen Teamkollegen den bis zum letzten Boxenstopp verdienten Sieg zurückzugeben.
Auch weil sich Norris so lange gegen die Stallorder wehrte, fand sie anschließend bei den deutschen Experten kaum Fürsprecher. „Lando war zum richtigen Zeitpunkt der Schnellere. Deshalb sage ich, das war die falsche Entscheidung“, urteilt Ralf Schumacher bei Sky und bemüht das ganz große WM-Bild: „Jetzt habe wir endlich jemanden, der Verstappen Paroli bieten kann, und dann unterstützt ihn das Team nicht. Werden sehen, ob die sieben Punkte am Ende des Jahres womöglich fehlen.“
Diese erste Reaktion ist die logische. Wer im WM-Kampf mit einem Max Verstappen bestehen will, muss jede Chance nutzen. 76 Zähler Rückstand hat Norris nun auf den amtierenden Champion. Das hätten auch 68 sein können. „Das ist nicht ohne für Meisterschaft“, betont auch Nico Rosberg bei Sky. „Oscar nimmt Lando Punkte weg. So wie Alonso und Hamilton bei McLaren 2007. Damals profitierte Ferrari und Kimi Räikkönen wurde Weltmeister.“
Doch so weit will bei McLaren keiner gehen. Im Gegenteil: Anstatt auf seine WM-Chancen zu pochen, entpuppt sich Lando Norris in der Pressekonferenz nach dem Rennen als Teamplayer. „Ich wollte bis zur letzten Kurve warten, um Oscar vorbeizulassen“, verrät er. „Dann kamen sie mit dem Argument, dass ein Safetycar den Plan zunichte machen könnte, also musste ich es früher erledigen, denn wir wollten ja nicht wie Idioten aussehen.“
Den Gedanken an den Sieg habe er tatsächlich nie verschwendet, beteuert Norris. „Ich habe den Platztausch am Funk natürlich hinterfragt, für mich war aber immer klar, dass ich den Platz zurückgebe.“
Denn der Sieg habe am Hungaroring seinem Teamkollegen gehört, stellt Norris ganz uneigennützig klar. Der Brite: „Es war die richtige Entscheidung vom Team. Ich habe den Sieg nicht beim Platztausch verloren, sondern schon am Start, als Oscar mich überholt hat. Sie (McLaren; d. Red.) haben mir die Führung geschenkt, aber ich habe sie zurückgegeben. Natürlich gingen mir die sieben Punkte durch den Kopf, aber ich habe den Sieg heute nicht verdient.“
Norris lässt keinen Interpretationsspielraum: Er will keinen geschenkten Sieg. „Es war ein Fehler, dass ich überhaupt in der Position an der Spitze war“, räumt er ein. „Es passierte, weil wir mit der Strategie gespielt haben. Ich will aber nicht, dass Oscar ein Rennen anführt und mich vorbeilässt, weil ich um die WM kämpfe. Jedenfalls jetzt noch nicht.“
Entstand während des Rennens noch der Eindruck, Norris müsse vom Bremsmanöver für seinen Teamkollegen überzeugt werden, präsentierte sich das britische Team im Anschluss geschlossen und einer Meinung. Premierensieger Piastri jedenfalls habe sich laut eigener Aussage nie um die Loyalität seines Teamkollegen gesorgt. Immerhin gibt der Australier zu, dass er sich mit der Situation ebenfalls nicht ganz wohl fühlte. „Ich war im letzten Stint einfach nicht mehr so schnell, wie ich hätte sein sollen“, räumt er ein und stellt sich selbst die rhetorische Frage: „Bin ich total zufrieden mit meiner Performance heute? Nein. Ich hatte am Ende einfach nicht die Pace, die ich haben wollte.“
Es spricht für den siebten Sieger dieser Saison, dass er seine Unzulänglichkeit öffentlich eingesteht. Und es ist auch ein wenig schade für Piastri, das sein erster GP-Sieg von der Stallorder und den anschließenden Diskussionen überschattet wird. Gleichzeitig macht Teamchef Andrea Stella klar, dass die Formel 1 ein Teamsport ist: „Lando weiß, dass es auch für ihn selbst die richtige Entscheidung war. Wenn er um die WM kämpfen will, muss er das ganze Team, auch Oscar, hinter sich haben. Manchmal braucht man etwas mehr Weisheit, auch wenn das Visier unten ist.“
Ob Stella das auch nach dem letzten Rennen in Abi Dhabi das noch genauso sehen wird?
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Das ist F1-Insider.com
1. Oscar Piastri (Australien) – McLaren 1:38:01,989 Std.
2. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren +2,141 Sek.
3. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes +14,880
4. Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari +19,686
5. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull +21,349
6. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari +23,073
7. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull +39,792
8. George Russell (Großbritannien) – Mercedes +42,368
9. Yuki Tsunoda (Japan) – Racing Bulls +1:17,259 Min.
10. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin +1:17,976
1. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull 265 Pkt.
2. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren 189
3. Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari 162
4. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari 154
5. Oscar Piastri (Australien) – McLaren 149
6. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes 125
7. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull 124
8. George Russell (Großbritannien) – Mercedes 116
9. Fernando Alonso (Spanien) – Aston Martin 45
10. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin 24
1. Red Bull 389 Pkt.
2. McLaren 338
3. Ferrari 322
4. Mercedes 241
5. Aston Martin 69
6. Racing Bulls 33
7. Haas 27
8. Alpine 9
9. Williams 4