Mercedes ist zurück auf dem Podium. Trotzdem hadern die Mercedes-Fahrer mit ihrem Rennen – und einer verpassten Siegchance.
Das ist ein Meilenstein in der Formel-1-Historie von Mercedes: George Russell beendet den Kanada-GP als Dritter, holt damit das erste Podium des Jahres. Seit 30 Jahren nun, beginnend mit Mika Häkkinens zweiten Platz beim Italien-GP 1995 im McLaren-Mercedes, hat es in jedem Jahr ein mit Mercedes-Motor befeuerter Fahrer aufs Treppchen geschafft.
Doch das sind nur Zahlen. Viel wichtiger ist, dass Mercedes mit einem bittersüßen Gefühl aus Kanada abreist. Bitter, weil George Russell die Pole-Position nicht ummünzen konnte, und auch weil der Brite selbst viele Fehler gemacht hat.
„Es war ein furchtbares Rennen von mir“, gestand Russell schon in der Auslaufzone am Funk. Grund: Mindestens drei große Patzer hat sich Russell geleistet. Kaum hat ihn Lando Norris überholt, ließ er durch einen Fehler in der letzten Schikane auch Max Verstappen ziehen. Dann verlor er seinen Mercedes beinahe an derselben Stelle, an der er schon im Vorjahr ins Aus crashte. Und schließlich fiel er kurz vor Rennende durch einen Fahrfehler kurzfristig auf Platz fünf zurück.
Russell selbstkritisch: „Das war ein Rennen der verpassten Gelegenheiten. Vielleicht hätten wir Max ohne meine Fehler noch schlagen können.“
Kritik hagelt es auch von Sky-Experte Ralf Schumacher: „Der Speed von George ist immer da. Aber wenn es drauf ankommt, dann will er mit dem Kopf durch die Wand.“ Immerhin hält Timo Glock dem 26-Jährigen zugute: „Er ist selbstkritisch. Andere Fahrer weisen immer jede Schuld von sich, wenn etwas nicht läuft. Manchmal hilft es, da bisschen mehr zu reflektieren.“
Mercedes-Teamchef Toto Wolff nimmt George Russell in Schutz: „Es ist eine schwierige Balance. Einerseits keine Fehler zu machen und andererseits mit dem Risiko auch mal Überholmanöver zu machen, die nicht so leicht sind. Denn so wollen wir George ja auch, er soll immer schön Feuer machen.“
Immerhin: Russell hat den Mercedes-Stern in Montreal wieder zum Leuchten gebracht. Zum Beispiel mit der Pole-Position, die noch dazu historisch war – weil er dieselbe Rundenzeit fuhr wie Max Verstappen. Es ist das 16. Mal in der Formel-1-Geschichte, dass ein Fahrer ohne Vorsprung die Pole holt. 14 Mal allerdings vor 1975, als nur auf Zehntel und nicht auch auf Hundertstel und Tausendstel gestoppt wurde.
Russell war im Rennen als Dritter aber auch wieder mal vor Lewis Hamilton. In der WM steht es 69:55 für Russell. Entsprechend geknickt reagiert auch Hamilton nach dem Kanada-GP: „Es war wie gestern – einfach keine gute Leistung von mir. Ich habe viele Fehler gemacht.“
Doch das ist nur die bittere Seite von Mercedes. „Das Positive ist, dass sich das Auto verbessert hat“, bilanziert der siebenmalige Weltmeister Hamilton. „Es kommen ja noch einige Rennen, in denen wir mitkämpfen wollen.“
Mercedes sieht sich zurück in der Liga der Topteams. „Wir machen Schritte nach vorn. Wir hoffen, dass wir vorn mitspielen können“, sagt zum Beispiel Teamchef Toto Wolff. „Wir haben jedes Rennen Kleinigkeiten ans Auto gebracht. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, aber wir sind mit dem Kanada-GP zufrieden.“
Wolff konkretisiert: „Im Rennen konnte man bei diesen wechselnden Bedingungen mehr falsch machen als richtig. Ich bin froh, dass wir nicht allzu viele Fehler gemacht haben.“ Und vieles auch gut – ein richtiger Schachzug war der Wechsel auf frische Pneus während der letzten Safety-Car-Phase. Dadurch war Mercedes am Ende das schnellste Team.
Kanada soll keine Eintagsfliege gewesen sein. „Das wäre auch gut für die Formel 1“, sagt Timo Glock. „Dann würde aus einem Dreikampf vorn ein Vierkampf werden.“
Soll heißen: Neben Red Bull, Ferrari und McLaren könnte jetzt auch Mercedes in der restlichen Saison ganz vorn mitmischen. Ob das so kommt, wird sich in zwei Wochen zeigen: Keine Strecke im Kalender zeigt die wahre Performance des Autos so wie die in Barcelona. Deshalb bringt Mercedes nach Spanien auch ein weiteres Update.
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