Mick Schumacher macht verbal den nächsten Schritt. In einem italienischen Interview wird er richtig philosophisch
Sich in Ruhe entwickeln können ist anders. Auf ihn schaut nicht nur die Motorsportwelt, sondern eine ganze Nation. Die Rede ist von Mick Schumacher (21), Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher und ab 2021 Formel-1-Pilot bei Haas-Ferrari. Ein junger Mann, der im Rampenlicht steht, seit er seine ersten Runden als Kart-Pilot drehte. Dessen Familie ihn mit dem Nachnamen der Mutter – Mick Betsch – oder dem Pseudonym „Mick Junior“ aber lange zu schützen versuchte.
Spätestens mit dem Aufstieg in den Formelsport war das vorbei. Doch jetzt macht Mick Schumacher den nächsten Schritt. Den entscheidenden: in die Formel 1 und damit eben auch in die ganz große Öffentlichkeit. Ein Schritt, den er auch verbal geht.
Bemerkenswert ist dabei ein Interview in der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera. Sprach der junge Deutsche bislang eher in rennsportlichen Floskeln, gibt er den Italienern plötzlich Teile seiner Seele preis. „Ich bin in einem besonderen Umfeld aufgewachsen“, erklärt er seine emotionale Stärke. „Jeder Fahrer hat eine lange Zeit des Trainings und des Wettbewerbs hinter sich. Im Motorsport muss man eine Art Code lernen, sich an eine Reihe von typischen Situationen gewöhnen. Ich habe mich angepasst, ich habe versucht, bei jeder Herausforderung Rationalität anzuwenden, denn die Konsequenzen deines Handelns sind entscheidend. In welcher Form, das wird sich in den nächsten Tagen, Monaten und Jahren zeigen.“
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Aus dem Sohn von Michael Schumacher ist junger Mann geworden, der nach innen und außen reflektiert. Bei der Antwort auf die Frage: „Braucht man Freud und Leid, um stärker zu werden?“, wird das deutlich. „Was passiert ist, hat mich zu der Person gemacht, die ich bin“, sagt er und redet wie ein Philosophiestudent: „Die Definition eines Charakters, einer Persönlichkeit, ist das Ergebnis einer intimen Erfahrung, die verschiedene, spezifische Gefühle und Ereignisse durchläuft. Jeder Mann oder jede Frau sucht nach Antworten auf ihre eigenen Fragen. So war es auch bei mir.“
Allein: Vom Erbe seines Vaters befreien wollte sich Schumacher junior nie. „Ich habe nie ein Problem damit gehabt, wenn an meinen Vater Michael erinnert wird, wenn ein Vergleich gesucht wird“, erklärt er. „Ich denke, es ist eine Ehre und ein Ansporn, mit einer so wichtigen Person zu tun zu haben. Für mich bedeutet es Engagement, ich versuche, mein Bestes zu geben, wenn möglich, und ich erlebe das alles nicht mit schwerem Herzen.“
Im Gegenteil. Der Formel-1-Fahrer in spe versucht seine Lehren aus der Vergangenheit – auch der seines berühmten Vaters – zu ziehen, indem er sich alte Rennen anschaut. Worauf er dabei achtet? Auch diese Antwort ist tiefgründig: „Auf die authentischste und tiefste Bedeutung einiger Momente, die die Geschichte des Rennsports geprägt haben. Die Gesten, die Techniken, die Herangehensweisen von heute sind die Frucht dessen, was der Vergangenheit angehört. Ich interessiere mich besonders für Überholvorgänge. Die Techniken und der Stil des Überholens. Die Zeit verändert die Autos und die Dynamik, aber es gibt immer die Möglichkeit, etwas zu entdecken, das die nachfolgenden Kapitel beeinflusst hat. In der Entwicklung eines so komplexen Sports wie dem unseren lassen sich viele wertvolle Dinge erkennen.“
Entsprechend stimmt Schumi junior auch nicht jenen Piloten zu, die glauben: Im Mercedes kann jeder Weltmeister werden. „Wenn wir uns einen Champion ansehen, der eine ganze Ära dominiert, besteht die Gefahr, etwas Wichtiges zu übersehen“, gibt er zu bedenken. „Die enorme Menge an Arbeit, die es erfordert. Wie viel Ressourcen, Energie und Talent dieser Champion aufwendet, der dann gewinnt. Für Hamilton gilt das Gleiche wie für meinen Vater. Es gibt nichts Beiläufiges an großem Erfolg. Er ist ein Eisberg, von dem wir oft nur die Spitze aus dem Wasser ragen sehen.“
Mick Schumacher selbst hat noch einen langen Weg vor sich, um erfolgreich zu sein. Dabei kann er auf Sebastian Vettel als Berater zurückgreifen. Dessen bisher wertvollster Ratschlag: „Sei du selbst. Vertraue dir selbst. Hab keine Angst, dich so zu zeigen, wie du bist“, verrät Mick.
Fest steht: Er weiß, wer er ist. Er weiß, warum er so geworden ist. Besonders in den letzten Jahren spielte dabei seine Mutter Corinna eine entscheidende Rolle. Auch das weiß er zu schätzen. „Ich halte sie für die beste Mutter der Welt. Ihr Beispiel war grundlegend für mich.“ Was er damit genau meint, lässt er offen. Man kann es sich aber denken