Nächster Teil unserer Formel-1-Serie: Grüße aus Quarantäna. Diesmal: Haas-Teamchef Günther Steiner über die Herausforderungen während der Corona-Krise
Günther Steiner (54) war immer schon ein Frühaufsteher. Das ist er aus seiner Kindheit so gewohnt. Sein Vater war Metzger in seiner Heimatstadt Meran und brachte ihm bei, dass das Leben einem nicht dankt, wenn man es verschläft. Das hat sich der Südtiroler gemerkt. Bis heute.
Deshalb trinkt der erfahrene Motorsportmanager seinen ersten Kaffee auch in den USA, in die es ihn schon 2006 verschlagen hat, schon um sechs Uhr morgens. Eine halbe Stunde später bricht er an normalen Tagen dann von seinem Haus in Mooresville im US-Bundesstaat North Carolina auf, um zu seinem Büro zu fahren, das zehn Autominuten entfernt liegt. Von dort leitet er das Haas-F1-Team, das seit 2016 für Formel-1-Verhältnisse mit relativ wenig Budget wirtschaftet und trotzdem regelmäßig in die Punkte fährt.
Allein: Es gibt auch für ihn im Moment keine normalen Tage mehr. Das Corona-Virus hat vieles geändert. Es hat mittlerweile auch die Südstaaten der USA erreicht. Am 3. März verkündete Roy Cooper, der Gouverneur von North Carolina, den ersten infizierten Patienten. Am 25. März waren es schon 500 Infizierte und es gab den ersten Toten. Mittlerweile sind alle Schulen und Restaurants geschlossen, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Nur die zahlreichen Drive-Ins haben noch offen.
MEHR LESEN: HELMUT MARKO GRÜSST AUS QUARANTÄNA
„In Amerika, besonders in den Südstaaten, ist es schwierig, die Leute ganz einzusperren“, erklärt Steiner, „aber in North Carolina sind die Menschen sehr vorsichtig geworden. Natürlich auch, weil alle Sportveranstaltungen in den USA erst mal auf Eis gelegt sind.“
Kurz: „Alles wirkt noch ruhiger als sonst. Die Leute haben Respekt vor der Zukunft, aber noch keine Angst. Deshalb gibt es auch noch keine Hamsterkäufe. Die Regale in den Supermärkten sind im Moment noch normal gefüllt wie immer.“
Steiner nennt einen Grund dafür: „Alles ist weitläufiger hier im Süden als an der Westküste oder in Metropolen wie New York. Irgendwie vergeht die Zeit hier langsamer, es gibt weniger Stress, weniger Hektik, keine Personenstaus. Das Risiko sich anzustecken ist auch deshalb geringer. Trotzdem disziplinieren sich die meisten freiwillig, halten genügend Abstand und versuchen das Virus ohne drastische Ausgangssperren zu besiegen.“
Denn, so Steiner, „das Leben muss ihrer Meinung nach trotzdem irgendwie weitergehen. Die persönliche Freiheit ist nun mal das höchste Gut in den USA. Es muss schon sehr viel passieren, bis die Nationalgarde aufmarschiert und einen verkündeten Ausnahmezustand sichern muss. Ausschließen kann man härtere Maßnahmen in Zukunft aber natürlich nicht.”
MEHR LESEN: MARC SURER GRÜSST AUS QUARANTÄNA
Wie alle seine Nachbarn hat sich auch Steiner als Präventivmaßnahme zum Arbeiten von zu Hause entschieden und die freiwillige Quarantäne gewählt. Steiner: „Ich gehe zweimal die Woche einkaufen, ansonsten bleibe ich im Haus.“ Seine Frau Gertie und die zehnjährige Tochter Greta unterstützen ihn dabei. Steiner: „Für vier Stunden bleibt meine Bürotür immer geschlossen. Sie respektieren den Ernst der Lage. Greta lernt im Moment deshalb mit meiner Frau weiter. In ihrer Freizeit ist sie entspannt. Sie konnte sich schon immer sehr gut selbst beschäftigen. Jetzt zeichnet und malt sie eben noch mehr sonst.“
Aber, klar: Das Arbeiten vom Home Office aus hätte auch positive Effekte. Als Familie rücke man noch enger zusammen. Steiner: „Wir gehen jeden Tag lange spazieren. Das ging so früher nicht. Ich wohne in einem eher spärlich besiedelten Gebiet, da ist das kein Problem.“
Von Rumhängen kann aber keine Rede sein. „Ich habe unglaublich viel Arbeit am Hals. Ständige Videokonferenzen, Telefongespräche. Ich muss die Firma am Laufen halten, besonders finanziell.“ Man müsse den Mitarbeitern, die in England, den USA und zum Teil in Italien sitzen, im Moment Mut machen. „Aber“, so der Südtiroler mit amerikanischem Pass, „ihnen auch Pläne servieren, warum sie Mut haben sollten. Ich bin ja kein Priester, sondern Teamchef.“
MEHR LESEN: FRANZ TOST GRÜSST AUS QUARANTÄNA
Ein Problem dabei: Besonders ein kleineres Team mit begrenztem Budget sei natürlich wegen der Zwangspause der Rennen härter betroffen. Es gibt keine TV-Einnahmen, keine Antrittsgelder von den Veranstaltern. Steiner: „Deshalb ist tägliches Krisenmanagement gefragt. Man darf aber nie das Morgen vergessen. Auch wenn im Moment keiner weiß, wann das ist. Die Firma darf jetzt nicht abstürzen.“
Denn, so der Südtiroler: „Wenn es wieder grünes Licht gibt, müssen wir bereit sein, den Fans sofort was zu bieten. Meine Hoffnung ist, dass es im Juli wieder losgeht. Denn gerade in Krisenzeiten brauchen Menschen Brot und Spiele. Und genau dafür müssen wir irgendwann sorgen.“