Sebastian Vettel fühlte sich bei Servus TV wie der verlorene Sohn, der heimgekehrt ist zu Red Bull. Eine Kolumne von Ralf Bach
Die Sendung kam für Sebastian Vettel (33) genau zum richtigen Zeitpunkt. Einen Tag nach dem desaströsen Saisonauftakt in Spielberg war der Noch-Ferrari-Pilot am Montagabend Stargast bei Red Bulls Servus TV „Sport und Talk“. Und Vettel genoss es sichtlich, wieder zuhause bei Red Bull zu sein.
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Red Bulls Angestellte Max Verstappen, Pierre Gasly und Teamchef Christian Horner hatten nur Nebenrollen in einem Film, der von der ganzen Atmosphäre her ohne viel Phantasie den Namen „Zurück in die Zukunft IV“ verdient hätte.
Vettel plauderte locker vom Hocker über seinen Ist-Zustand, wie er das Leben mit der Familie in der Corona-Pause genossen hat. Er wiederholte aber auch: „Ich war vom Anruf Ferraris, bei dem sie mir die Trennung verkündeten, überrascht. Die Kommunikation vorher ging eher in die Richtung, wir wollen mit Dir weitermachen.“
Man musste noch nicht mal genau hinschauen, um zu sehen: Der Heppenheimer fühlte sich in seiner alten Heimat so wohl wie ein vorübergehend verloren gegangener Sohn, dem die Familie eine tolle Feier zur Rückkehr bereitet hatte. Das war wieder der Vettel, der mit totalem Glauben an sich selbst vier WM-Titel eingefahren hatte, weil er einfach nur er selbst sein durfte. Das Ferrari-T-Shirt, das er trug, war das einzige Zeichen, dass die Gegenwart nicht rosig für ihn ist – es wirkte wie ein rotes Tuch.
Auch wenn es noch nicht so weit ist: Rein emotional sind die Weichen für eine Rückkehr zu Red Bull seit Montagabend gestellt.
Fakt ist: Ab dem nächsten Rennen in Spielberg am Sonntag fährt Vettel um seine Zukunft. Die Eckdaten sind dabei klar. Vettel zu F1-Insider.com: „Ich werde weitermachen, wenn ich noch einen Sinn darin sehe. Dabei geht es weder um Geld noch um Siegchancen. Es geht darum, ein Umfeld zu finden, eine Aufgabe, bei der ich mich wohl fühle.“ Selbst ein Blinder konnte sehen, dass Vettel damit Red Bull meint.
Ein Jahr Pause und dann zurückzukommen schließt er im Moment aus: „Wenn die Türen mal zu sind, sollte man sie auch zu lassen.“
Kommen wir zur Gegenwart: Noch steht Vettel bei Ferrari unter Vertrag. Nach dem Desaster am Sonntag muss er sich allerdings Gedanken machen, ob die Erfüllung des Kontrakts noch Sinn macht. Das Problem: Der Heppenheimer hat das Vertrauen in sein Auto verloren. Vettel: „Am Freitag war alles ok. Ich fühlte mich wohl, ich war schneller als Leclerc. Auch am Samstagmorgen war alles noch im grünen Bereich. Ab dem Qualifying ging nichts mehr. Ich habe das Auto nicht mehr wiedererkannt. Das hat sich leider im Rennen fortgesetzt.“
Vettel selbstkritisch: „Der Dreher war klar mein Fehler, es gibt da auch keine Ausreden. Ich sage nur: Mit dem Auto vom Freitag wäre mir das nicht passiert. Ich muss mich jetzt in die Daten einlesen, um zu verstehen, was passiert ist.“
Läuft der SF1000 im Rennen an diesem Sonntag (ebenfalls auf dem Red Bull-Ring) wieder nicht rund, muss Vettel reagieren. Welche Möglichkeiten aber gibt es, ehrenvoll den Vertrag mit Ferrari zu erfüllen, ohne völlig sein Image zu ruinieren?
Die logische Alternative wäre ein Tausch mit Carlos Sainz. Der McLaren-Pilot hat einen Ferrari-Vertrag ab 2021 und fuhr beim Auftakt in Spielberg solide (Platz fünf). Aber wer das Rennen genau verfolgt hat, weiß: Sainz hat jetzt schon Ferrari im Kopf. Gegen seinen aktuellen Teamkollegen Lando Norris kämpfte er aggressiver als gegen seinen zukünftigen Ferrari-Partner Charles Leclerc.
Ein Tausch hätte nur Vorteile: Ferrari wäre seinen Rebellen Vettel los und hätte schon jetzt den Wunschpiloten für 2021 im Team. McLaren wiederum hätte mit Sebastian Vettel einen Fahrer, der mit dem entsprechenden Wohlfühlfaktor vielleicht sogar Siege einfahren könnte.
Dazu passt, wie F1-Insider.com erfuhr: Vettel hat sich vor zwei Jahren für den jetzigen McLaren-Teamchef Andreas Seidl bei Ferrari stark gemacht. Die Italiener lehnten ab. Was man Michael Schumacher Ender der 90er Jahre gewährt hat, als er mit Ross Brawn und Rory Byrne seine Benetton-Spezis nach Maranello holte, wurde Vettel verwehrt. Heißt in der aktuellen Situation aber auch: Seidl und Vettel vertrauen und respektieren sich. Eine gute Basis für einen spontanen Fahrertausch.
Das Problem: Mit der Ankunft Fernando Alonsos bei Renault 2021 macht es für McLaren mehr Sinn, jetzt schon den für 2021 verpflichteten Daniel Ricciardo in den orangen Renner zu setzen – sollte Alonso bereits 2020 ins Cockpit der Franzosen drängen.
Und 2021? Für die gesamte Formel 1 wäre ein Comeback Vettels bei Red Bull eine Win-Win-Situation. Den Anfang zur Rückkehr des verlorenen Sohnes hat Red Bulls TV-Sender Servus TV am Montag auf jeden Fall schon gemacht.
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