Ex-Weltmeister Nico Rosberg hat schon vorm Saisonstart die These aufgestellt: „Erfahrung kann in der Formel 1 den größeren Speed wettmachen, den die jüngeren Piloten naturbedingt haben.“ Der Monegasse bezog sich dabei einmal auf das Duell von Ex-Teamkollege Lewis Hamilton (35) gegen seinen jüngeren Mercedes-Beifahrer Valtteri Bottas und seine noch wesentlich jüngeren Herausforderer Charles Leclerc (22) und Max Verstappen (22). Sowie auf die Rückkehr von Doppelweltmeister Fernando Alonso, der 2021 mit 39 Jahren bei Renault sein Comeback in der automobilen Königsklasse gibt.
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Rosberg: „Ab einem gewissen Alter lassen die Reflexe nach. Aber Piloten wie Lewis Hamilton oder Fernando Alonso haben so viel Erfahrung, dass sie diesen Nachteil locker mit ihrer Routine ausgleichen können.“
Der Große Preis von Ungarn vergangene Woche hat dem Weltmeister von 2016, der nach seinem Titelgewinn im beinharten Duell mit Mercedes-Teamkollegen Lewis Hamilton mental und körperlich völlig ausgebrannt zurückgetreten ist, mehr als Recht gegeben. Fast ohne Ausnahme ließen die erfahrenen Piloten ihre jüngeren Teamkollegen alt aussehen. Und das auf einem Kurs, der körperlich als einer der forderndsten gilt.
Beispiel Mercedes: Weltmeister Lewis Hamilton führte den fünf Jahre jüngeren Finnen Valtteri Bottas geradezu vor. Im Qualifying wie im Rennen: Während Hamilton die 90. Pole Position seiner Karriere herausfuhr und im Rennen beliebig das Tempo bestimmte, hatte der Finne Probleme. Er stotterte beim Start und konnte auch im Anschluss dem britischen Superstar nicht folgen. Sieger Hamilton lag trotz eines Zusatzstopps (Zeitverlust 22 Sekunden) fast zehn Sekunden vor dem Finnen.
Beispiel Ferrari: Routinier Sebastian Vettel (33) deklassierte den elf Jahre jüngeren Teamkollegen Leclerc mit der schwer zu fahrenden Fehlkonstruktion, die den Namen Ferrari trägt. Und das, obwohl das Team alles versuchte, Leclerc vor den Deutschen zu bringen. Hintergrund: Ferrari holte Leclerc beim ersten Stopp vor Vettel an die Box. Leclerc, der hinter dem Deutschen lag, sollte den Vorteil der frischen Reifen früher nutzen. Doch Vettel, dessen Stopp sieben Sekunden länger dauerte als der des Monegassen, entschied sich für die härtere Mischung – und überstimmte dabei den Vorschlag seines Teams.
Während Leclercs weiche Pneus schnell überhitzten, machte Vettel beim Überholen seines Teamkollegen kurzen Prozess. Der vierfache Weltmeister wurde am Ende Sechster, während Leclerc mit 38 Sekunden Rückstand auf den Hessen ohne Punkte blieb. „Mehr war kaum möglich“, zog ein mit sich völlig im Reinen wirkender Vettel das Fazit. Auch seine Benachteiligung beim ersten Stopp nahm er niemandem krumm: „Das hat mich nicht überrascht, denn am Ende fährt jeder sein eigenes Rennen.“
Ex-Formel-1-Star und Ferrari-Intimus Gerhard Berger (60) zu F1-Insider.com: „Sebastian scheint wieder völlig frei im Kopf zu sein, so als würde er Ferrari beweisen wollen, dass sie mit der Nicht-Verlängerung seines Vertrages einen Riesenfehler gemacht haben. Dazu kommt, dass er mit diesem schlechten Auto den Druck nicht mehr hat, unbedingt gewinnen zu müssen. In Ungarn war er wieder ganz der Alte. Leclerc hatte nicht den Hauch einer Chance.“
Berger geht sogar noch weiter: „Nichts gegen die Racing-Point-Piloten Sergio Perez und Lance Stroll: Aber ein Sebastian Vettel würde im Jahreswagen von Mercedes schon in dieser Saison um die Vize-WM fahren.“ Jahreswagen – so wird der Racing Point aufgrund seiner Ähnlichkeit zum Vorjahres-Silberpfeil im Fahrerlager scherzhaft genannt.
Beispiel Renault: Der junge Franzose Esteban Ocon (23) wurde engagiert, um dem wesentlich erfahrenen Daniel Ricciardo (31) Druck zu machen. Der Australier, alleine deshalb ein Auslaufmodell bei Renault, weil er Ende dieser Saison den französischen Staatskonzern verlässt und zu McLaren wechselt, sorgte auf dem Hungaroring für einen Klassenunterschied. Der ehemalige Red-Bull-Pilot, der sieben Siege für das österreichische Team einfahren konnte, wurde Achter und lag am Ende sechs Plätze und fast 40 Sekunden vor dem frustrierten Jungstar.
Beispiel Alfa Romeo: Ex-Weltmeister Kimi Räikkönen, mit 40 Jahren ältester Fahrer im Feld, spulte wie gewohnt eiskalt seine Runden ab. Teamkollege Antonio Giovinazzi (26) hatte nicht den Hauch einer Chance. Er zerschellte regelrecht am finnischen Eisberg und kam 20 Sekunden hinter dem Formel-1-Methusalem ins Ziel.
Man darf gespannt sein, ob sich der „Aufstand der Alten“ beim nächsten Rennen auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Silverstone fortsetzen wird.
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