Lewis Hamilton hat am Montag einen Hilferuf gegen Rassismus gesendet. Darum gibt der Formel-1-Champion auch neben der Strecke so viel Gas, wenn es um Diskriminierung geht.
Von außen wirkt er unverwundbar. Mit sechs WM-Titeln ist Lewis Hamilton (35) die lebende Ikone seines Sports. Der erfolgreichste Formel-1-Pilot nach Michael Schumacher – und auf dem besten Wege dessen Denkmal niederzureißen. Doch im Innern des Megastars der Rennsport-Szene sieht es anders aus: Dort hat der Brite, der mal extrovertiert durch die Mode- und Musikszene tingelt, mal introvertiert tiefgründige Gedanken äußert, viele Narben.
Die größte dieser alten Verletzungen offenbart er immer wieder dann, wenn er es für nötig erachtet. So wie jetzt. Angesichts der Diskussionen um Polizeigewalt an der dunkelhäutigen Bevölkerung in den USA – vor allem nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd – nutzt Hamilton seine Popularität für eine Anklage: „Ich sehe diejenigen von Euch, die still bleiben“, schreibt er auf Instagram. „Einige von Euch sind die größten Stars und bleiben doch still mitten in dieser Ungerechtigkeit. Nicht ein Zeichen von irgendjemandem in meiner Industrie, die natürlich ein von Weißen dominierter Sport ist.“
In der Diskussion um Rassismus setzt Hamilton den Fuß aufs Gaspedal und drückt es ganz weit runter.
Der Engländer ist zwar der erste dunkelhäutige Pilot der Königsklasse, benachteiligt worden ist er in den höheren Rennklassen aber nie. Im Gegenteil: Hautfarbe und sozialer Hintergrund spornten ihn zu seinen Erfolgen an. Klein-Lewis und sein Vater Anthony wollten der Welt zeigen, dass auch ein Kind aus den Arbeitervierteln des kleinen Städtchens Stevenage es zu etwas bringen kann. Seine Herkunft lehrte ihn zu kämpfen.
Die Königsklasse und McLaren-Mercedes empfingen den Jungen mit Vorfahren von der Insel Grenada 2007 auch deshalb mit offenen Armen. „Wir brauchen einen Deutschen, einen Schwarzen und eine Frau“, hatte Ex-Chefvermarkter Bernie Ecclestone einst bekannt und damit auch für Hamiltons Mega-Karriere den Weg geebnet.
Klar ist: Hamiltons größte Narbe stammt nicht aus der Formel 1, sondern aus seiner Kindheit. „Wir waren die schmuddelige schwarze Familie mit beschissenem Equipment, beschissenem Auto und einem beschissenen Anhänger“, hat der amtierende Champion seine Vergangenheit einst beschrieben. Mütter und Väter der Konkurrenz wollten die Hamiltons sogar aus der Szene drängen. „Es kamen Eltern zu mir, die mir sagten: ‚Du bist nicht gut genug. Du solltest lieber aufhören.‘“ Seine Antwort damals: „Ich habe gerade euren Sohn geschlagen, also wovon redet ihr eigentlich?“
Auch in der Schule litt der Anhänger von Martin Luther King unter Diskriminierung: „Ich erinnere mich daran, bei meinem Vater auf der Autorückbank gesessen und gesagt zu haben: Kann ich Karate lernen? Ich wurde gemobbt und hasste es. Deshalb habe ich es gelernt, mich zu verteidigen.“
Es ist eine Wunde, die immer mal wieder aufbricht. Zum Beispiel 2011. Da stellte sich der damalige McLaren-Star selbst ins Abseits, als er auf eine Serie von gerechtfertigten Strafen mit der ungerechtfertigten Anschuldigung reagierte: „Vielleicht ist das so, weil ich schwarz bin.“ Später entschuldigte er sich dafür.
Mittlerweile geht Hamilton mit seiner karibischen Abstammung souverän um. „Als ich in die Formel 1 kam, versuchte ich zu ignorieren, dass ich der erste Schwarze war, der je in diesem Sport fuhr“, erzählt er: „Aber als ich älter wurde, habe ich die Auswirkungen zu schätzen gelernt. Es ist ein ziemlich cooles Gefühl, die Person zu sein, die eine Mauer niederreißt. So wie es die Williams-Schwestern im Tennis taten oder Tiger Woods beim Golf.“
Die Mauern niederreißen – das ist jetzt nicht sein Ziel. Er stehe nicht auf der Seite derer, die plündern und Gebäude anzünden, aber zu denen, die friedlich protestieren. „Es kann keinen Frieden geben, bis die so genannten Führer es ändern“, so Hamilton. „Wir werden nicht mit Rassismus und Hass in unseren Herzen geboren. Es wird gelehrt, von denen, zu denen wir aufschauen.“
Ein Satz, bei dem der Mann mit den vielen Narben in seinem Innern aber auch weiß: Er ist so ein Idol, zu dem viele junge Sportler aufschauen. Und auch er kann mit seinen Aussagen die Welt ein wenig besser machen.
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