Formel 1: Ralf Schumacher

Ralf Schumacher wird am 30.6. 50 Jahre alt – und spricht mit uns über seine Karriere, seinen Bruder Michael und die Zukunft seines Sohnes David.
Glückwunsch, Herr Schumacher, das halbe Jahrhundert ist jetzt voll. Was bedeutet Ihnen diese Zahl?
Ralf Schumacher (50): Ehrlich gesagt nicht so viel. Außer, dass es ein runder Geburtstag ist, den man gerne feiern kann.
Es ist auch ein guter Anlass, in den Rückspiegel zu schauen. Was bei Ihnen gar nicht so einfach ist, weil Sie schon so viel erlebt und gemacht haben. Fangen wir mit der Gegenwart an: Als TV-Experte von Sky haben Sie sich im Laufe der Jahre einen Namen gemacht – unter anderem mit kritischen Analysen rund um die Königsklasse. Als Formel-1-Fahrer galten Sie nicht immer als bequemer Gesprächspartner. Hat sich Ihr Blick auf die Medien geändert?
Ich bin nicht der Typ, der gerne über sich selbst redet. Aber ja, mit ein bisschen Abstand ist es einfacher, mal eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was die Medien betrifft: Heute weiß ich, wie viel Aufwand es braucht, gute Arbeit als Vertreter der Medien zu leisten. Darüber habe ich mir früher keine großen Gedanken gemacht. Gerade als junger Fahrer war ich nicht immer einfach im Umgang. Ich hatte manchmal den Eindruck, es gehe mehr um Neid als um echtes Interesse an meiner Person. Heute sehe ich das ganz anders.
Sie hatten es objektiv auch nicht einfach: Als jüngerer Bruder der deutschen Formel-1-Legende musste man erst mal gegen einige Vorurteile kämpfen …
Fest steht: Ohne meinen Bruder Michael wäre ich kaum in der Formel 1 gelandet. Am Anfang war der Name Türöffner – zum Beispiel ins F3-Werksteam von Opel. Liefern musste ich aber trotzdem. Ein großer erster Schritt war der Erfolg beim Rennen in Macao – das den inoffiziellen Titel „Weltmeisterschaft“ hatte. Geholfen hat auch, dass ich 1996 die Formel-3000-Meisterschaft in Japan gewonnen habe. Für einen Europäer war das nicht einfach. So habe ich mir sportlich den Einstieg in die Formel 1 verdient. Dort aber fiel es einigen schwer zu akzeptieren, dass ich nicht nur der kleine Bruder des Weltmeisters bin – sondern eine eigene Persönlichkeit.
Gab es da ein Schlüsselerlebnis?
Ja. Noch vor meinem ersten Formel-1-Rennen hängte man mir den Spitznamen „Rolex-Ralf“ an. Da konnte ich gar nichts dafür. Kurz vor meinem Einstieg bei Jordan wurde ich zu Testfahrten von McLaren-Mercedes nach Hockenheim eingeladen. Dort stellte mir unser gemeinsamer Manager Willi Weber einen Bekannten vor, der in der Uhrenbranche tätig war. Der bot mir eine gebrauchte Rolex Daytona zu einem Sonderpreis an. Ich habe sie gekauft und sie gleich angezogen. Ein Journalist, der auf ein Interview mit mir wartete, das aus Zeitgründen aber nicht stattfand, war nicht gerade amused. Er sah die Uhr an meinem Handgelenk – und machte dann die „Rolex-Ralf“-Story. Dieses Image hing mir dann noch lange nach.
Wie sehen Sie die Karriere Ihres Bruders? Einige Experten haben ja behauptet, Sie seien genauso talentiert gewesen – mindestens …
… Was Michael in seiner Karriere geleistet hat, das ist einzigartig. Da gibt es keinen Zweiten, und da bin ich auch stolz drauf. Am Ende geht es im Motorsport nicht nur um Talent. Man braucht das richtige Team, das richtige Umfeld, man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Und natürlich spielt harte Arbeit eine Rolle. Michael hat in der Hinsicht sicher mehr investiert. Ich hatte vielleicht hier und da auch die falschen Prioritäten. Aber ich bin im Reinen mit mir. Ich hatte eine lange Karriere, sechs Siege, war jahrelang vorn mit dabei. Sicher – mehr wäre möglich gewesen. Aber ich blicke mit Stolz zurück.
Wann war die größte Chance, den Titel zu holen?
Sicher 2003. Wir hatten ein gutes Auto und der BMW-Motor war sicherlich mit Abstand der stärkste im Feld. Ich war auf einem guten Weg, doch dann hatte ich zwei schwere Unfälle in Monza und Indianapolis. Die haben mich entscheidend zurückgeworfen. Aber ich sage das heute ohne Groll. Es war so, wie es eben war.
Nach BMW gingen Sie zu Toyota. Auch da gab es große Erwartungen. Wie sehen Sie diese Zeit heute?
Für mich war es damals die große Chance, noch mal ganz vorne anzugreifen. Das Problem: Toyota war zwar ein Weltkonzern mit entsprechend großem Budget, aber sie packten das Formel-1-Projekt an, als handele es sich um die Serienproduktion ihrer Straßenautos. Es gab also einen ständigen Wechsel im Personal und endlose Berichte und Analysen. Um Erfolg in der Formel 1 zu haben, muss man aber flexibler sein und viel schneller Entscheidungen treffen können.
Wie muss man sich das vorstellen, mit dem älteren Bruder knallhart auf der Strecke zu kämpfen? Ein Albtraum für alle Eltern …
Ja klar, wir waren Brüder – aber eben auch Rivalen. Es gab den einen oder anderen harten Moment. Ich erinnere mich zum Beispiel an ein Rennen in Barcelona. Da hat er mich absichtlich blockiert, um Ferrari-Teamkollege Barrichello durchzulassen. Da war ich sauer. Wir haben drüber geredet, dann zusammen ein Bier getrunken. Dann war die Sache erledigt. So haben wir das immer gemacht. Eine Sache blieb nie lange hängen. Was die Eltern betrifft: Mein Vater sagte mir: „Ralf, bitte tu mir den Gefallen und lerne Koch. Das mit dem großen Motorsport ist schwierig, besonders für zwei.“ Ich kann ihn heute voll verstehen. Und ein bisschen Koch bin ich ja auch geworden – ich koche leidenschaftlich gern. Grundsätzlich sehe ich heute sowieso im Rückspiegel vieles anders als damals.
Ein Beispiel?
1998 in Spa war ich extrem ärgerlich, weil mein damaliger Teamchef Eddie Jordan von mir verlangte, hinter meinem Teamkollegen Damon Hill zu bleiben – obwohl ich schneller war und hätte gewinnen können. Heute verstehe ich ihn. Aus Sicht des Teamchefs war es die richtige Entscheidung. Damals hatte das Team noch keinen Sieg auf dem Konto. Da darf man keinen harten Kampf zwischen seinen beiden Piloten riskieren.
Was sind familiär gesehen die positivsten Erinnerungen?
Spontan fällt mir da unser „Doppelsieg“ in Montreal ein. Michael auf Eins, ich auf Zwei. Das war ein besonderer Moment. Aber auch das Podium in Spa 2001. Solche Erinnerungen bleiben. Auch wenn es insgesamt vielleicht zu wenige Siege waren – ich habe sie erlebt. Und das kann mir keiner nehmen.
Wie haben Sie das Formel-1-Debüt Ihres Bruders 1991 in Spa erlebt?
Auf der Kartbahn. Wir hatten ja zu der Zeit einen Imbiss in Kerpen, meine Mutter stand hinter der Theke, der Betrieb lief ganz normal weiter. Ich habe mir den Start sicherlich angesehen, aber vielleicht musste ich dann auch gerade wieder irgendwo helfen. Mein Vater hatte, da bin ich mir ziemlich sicher, keine Zeit, den Start zu sehen – der war hinten an der Leihkartstrecke beschäftigt. Das war eben unser Alltag. Aber im Nachhinein war klar: Dieser Tag hat alles verändert. Das war nicht nur ein Meilenstein für Michael, sondern für den gesamten deutschen Motorsport.
Heute ist Ihr Sohn David professioneller Rennfahrer. Er macht sich gerade einen Namen im GT-Sport, wurde gerade Gesamt-Vierter beim 24-Stunden-Klassiker am Nürburgring, gewann seine Klasse. Wie gehen Sie mit der Karriere Ihres Sohnes um?
Am Anfang war ich eher besorgt als begeistert. Heute bin ich stolz auf ihn und habe ein gutes Gefühl. Er ist seinen Weg gegangen – und wird ihn auch in Zukunft gehen.
Von: Ralf Bach, Bianca Garloff
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