Die Formel 1 erlebte in Belgien eine beispiellose Farce. Warum ist das Formel-1-Fahren im Regen so schwierig?
Das hat es vor dem 1047. WM-Rennen der Formel-1-Geschichte noch nie gegeben: Alle Rennrunden hinter dem Safety-Car, der kürzeste Grand Prix aller Zeiten, der sich aber über drei Stunden streckte. Formel-1-Fahrer sollen die besten Autofahrer der Welt sein – können aber scheinbar nicht im Regen fahren?
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Es sind nicht die Fahrer, die das nicht können oder denen der Mut dazu fehlt. Stattdessen gibt es drei Probleme, wenn es regnet: die Sicht, die Autos und der Rettungshubschrauber.
McLaren-Pilot Lando Norris weiß: „Im Qualifying stand mehr Wasser auf der Strecke als im Rennen. Aber das Problem ist nicht, rauszufahren und alleine eine schnelle Runde zu drehen. Im Rennen fahren wir alle im Pulk. Wenn du nicht auf dem ersten Platz liegst, dann wirst du einen schweren Unfall haben, weil du nicht siehst, wo du hinfährst.“
George Russell, Sensations-Zweiter (215. Fahrer auf dem F1-Podium), stimmt seinem britischen Landsmann zu: „Ausgangs Kurve 1 und dann durch Eau Rouge bis zu Kurve 5, sobald wir mehr als 200 km/h gefahren sind, war die Gischt einfach zu stark. Ich hatte absolut keine Ahnung, wo Max war. Wir hätten auch mit geschlossenen Augen die Gerade hinauffahren können, denn so wäre es gewesen, wenn das Rennen gestartet worden wäre. Es wäre Chaos geworden.“
Die Ursache der Gischt: Zum einen verdrängen die Regenreifen richtig viel Wasser – was wichtig ist, damit die Autos nicht aufschwimmen und wegen Aquaplanings abfliegen, wie Norris im Qualifying. Ein Intermediate-Reifen für Mischbedingungen verdrängt bei 300 km/h 30 Liter pro Sekunde, ein Regenreifen sogar 85 Liter. Aber genau dieses Wasser wird aufgewirbelt und versperrt den hinterherfahrenden Piloten die Sicht.
Und auch die Aerodynamik spielt hier eine Rolle. Damit sind wir beim zweiten kritischen Faktor im Regen. „Die Autos haben viel mehr Abtrieb als früher, vor allem durch den großen Unterboden“, erklärt Ex-Formel-1-Pilot Alexander Wurz. „Damals entstand Aquaplaning wirklich nur durch die Reifen. Und das kannst du vielleicht ein bisschen einfacher kontrollieren als Aquaplaning vom Unterboden.“
Natürlich stellen sich manche da die Frage: Muss nicht auch ein Autofahrer sich auf die Bedingungen einstellen und dann eben die Geschwindigkeiten anpassen? Wurz sagt dazu: „Natürlich kann der Fahrer herumgurken auf der Geraden, aber das Auto wird dann zu heiß, weil die Kühlluft fehlt.“ Formel-1-Autos sind nicht dazu gebaut, langsam zu fahren.
Drittens ist das Problem oft auch der Rettungshubschrauber. Oft geht Regen mit dichten, tiefhängen Wolken und Nebel einher. Dann kann der Helikopter aber nicht fliegen. Doch bei einem schweren Unfall muss gewährleistet sein, dass verletzte Fahrer rasch ins Krankenhaus transportiert werden können.
In Belgien kam auch die nicht ungefährliche Strecke dazu. Der Unfall von Norris im Qualifying hat gezeigt, dass Spa-Francorchamps im Regen ein Ritt auf dem Rasiermesser ist. „Die Eau Rouge war ziemlich knifflig“, beschreibt Weltmeister Lewis Hamilton. „Das Schlimmste wäre gewesen, wenn wir einen Unfall gehabt hätten, so wie wir es gestern mit Lando gesehen haben. Wenn man den Hügel hinauffährt, dann kann man nicht sehen, ob ein Fahrer mitten auf der Straße steht.“
So kam es zum sechsten Abbruchsrennen der Formel-1-Geschichte, in dem nur halbe Punkte vergeben wurden – das erste seit Malaysia 2009. Auch den Minimal-Distanzrekord des Australien-GP 1991 hat der Belgien-GP 2021 gebrochen. Die Grands Prix mit halben Punkten sind gleichzeitig auch die kürzesten der Formel-1-Historie.
Belgien-GP 2021: 6,880 Kilometer (Sieger Max Verstappen Red Bull-Honda)
Australien-GP 1991: 52,920 Kilometer (Ayrton Senna McLaren-Honda)
Monaco-GP 1984: 102,672 Kilometer (Alain Prost McLaren-Porsche)
Spanien-GP 1975: 109,939 Kilometer (Jochen Mass McLaren-Ford Cosworth)
Österreich-GP 1975: 171,419 Kilometer (Vittoria Brambilla March-Ford Cosworth)
Malaysia-GP 2009: 171,833 Kilometer (Jenson Button Brawn-Mercedes)
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