Formel 1

Max Verstappen hat in Monza einen echten Achtungserfolg hingelegt. Unser Reporter Alex Warneke meint, der fünfte Titel ist dieses Jahr noch nicht vom Tisch. Ein Kommentar.
Ist die Formel-1-WM 2025 doch noch ein Drei- und kein Zweikampf? Zuletzt war immer nur immer nur von einem reinen McLaren-Duell die Rede. Und ja, auch ich habe zuletzt gebetsmühlenartig von „nur noch rechnerischen Chancen“ bei Max Verstappen geschrieben. Doch das Rennen in Monza gibt mir zu denken.
Verstappen hat die McLaren-Piloten düpiert. Mehr noch: Red Bull hatte nach langer Zeit mal wieder einen guten Trainingstag, Helmut Marko war baff: „Das war der beste Freitag seit langem.“ Ist Red Bull jetzt mit dem neuen Update von Monza wieder vorn? Oder waren wir nur Zeuge einer streckenbedingten Ausnahme?
Falls nicht, kann der WM-Kampf noch einmal richtig interessant werden. Denn der Holländer, der auf dem Asphalt praktisch keine Fehler macht und das Letzte aus seinem RB21 rausholt, kann dann durchaus alle Rennen gewinnen.
Aktuell fehlen ihm 94 Punkte auf Piastri. Die McLaren-Piloten sind nahezu auf Augenhöhe, mal ist Piastri vorn, mal kann Norris seinen Hauptrivalen in den Schatten stellen. Das 7:6 im Rennduell bestätigt es statistisch, so steht es übrigens auch im Qualifying für den Australier.
Nun zur Rechnung: Gewinnt Verstappen alle acht Rennen vor Piastri und Norris, die abwechselnd Zweiter und Dritter werden, würde er durchschnittlich 8,5 Punkte gutmachen. Da in der Welt der Rechenkünste (8 x 8,5) 68 ergibt, wäre der Rückstand nur noch bei 26 Punkten.
Gewinnt Verstappen dann auch noch die drei Sprints, wären es bei drei zweiten Plätzen von Piastri nur noch 23 Zähler. Und da bewegen wir uns in einem Bereich, in dem ein Ausfall schon zu viel für den derzeitigen WM-Leader wäre, wenn er zu wenige weitere zweite Ränge holt.
Bei dem Rechenbeispiel würde er dann noch einmal 18 Punkte bei einem Ausfall auf Platz zwei liegend auf Verstappen verlieren, dann sind wir bei fünf Punkten Restvorsprung. Wenn jetzt aber Norris einen Mega-Lauf im teaminternen Vergleich startet und Piastri nicht in jedem zweiten Rennen den zweiten Rang sichert, ist der Vorsprung ganz dahin.
Um das ganze einfacher auszudrücken: Piastri darf pro Grand Prix im Schnitt maximal elf Punkte (genau 11,75) auf Verstappen verlieren, um vor dem Holländer zu bleiben. Ein netter Nebenfakt: Sollte der Red-Bull-Pilot wirklich alle Läufe gewinnen, kann Piastri jedes Rennen hinter Norris Dritter werden und wäre am Ende dennoch Weltmeister. Denn Norris muss pro Rennen durchschnittlich 3,8 Punkte auf Piastri gutmachen.
So wie die Verstappen-Siege erst einmal eintreten müssen, muss Piastri erst einmal regelmäßig aufs Podium steigen, um den Vorsprung auf den amtierenden Weltmeister komfortabel zu halten. Ein schwächeres Rennen von McLaren oder ein Piastri-Ausfall, und die Situation könnte schon ganz anders aussehen. Dazu kommen noch einige weitere Aspekte.
Mercedes kämpft 2025 mit der Zuverlässigkeit der Antriebe. Fernando Alonsos Ausfall in Monaco, George Russells Quali-Desaster in Monaco und Lando Norris‘ dramatisches Aus in Zandvoort sind nur drei Beispiele. Zugegeben: Andrea Stella sprach öffentlich von einem Chassis-Problem. Doch dass der Mann, der „Teamgeist“ und „Zusammenhalt“ predigt, nun seinen Motoren-Zulieferer in Schutz nimmt, ist nicht undenkbar.
Also: Piastri könnte es durchaus auch noch einmal erwischen. Und wenn die Technik hält, könnte ein Scharmützel mit Norris wertvolle Punkte kosten. In Spielberg und Budapest ist er bei einem Angriffsversuch fast ins Auto von Norris gerauscht. Nur dank eines achtsamen Blicks seines Teamkollegen in den Rückspiegel und einer Portion Rennglück gingen die Situationen gerade nochmal gut. Beim GP Kanada hingegen schepperte es, wodurch Norris ausfiel.
Im letzten Saisondrittel wird dieser WM-Kampf garantiert nicht abflachen, im Gegenteil: Erst jetzt könnte es richtig rund gehen. Vor allem durch einen Lando Norris, der massiv unter Druck steht. Wie unser Insider Ralf Bach bereits zusammengefasst hat: „Es könnte seine letzte Chance sein, Weltmeister zu werden. Wir wissen nicht, wie gut McLaren unter dem neuen Reglement ab 2026 sein wird. Zudem wird Piastri immer stärker, möglicherweise dominiert er Norris in Zukunft.“
Und lässt den coolen Piastri das Titelrennen in der ganz heißen Phase wirklich kalt? Bleibt er so abgeklärt? Diesen Beweis ist er uns noch schuldig. Denn wie für Norris ist es auch für ihn sein erster richtiger WM-Kampf in der Königsklasse, der höchsten Rennserie der Motorsportwelt, der Formel 1!
Was noch dazu kommt: Verstappen haben nur noch die wenigsten auf der Rechnung, auch die McLaren-Fahrer werden vor allem auf das eigene Duell achten. Da wird gegen einen aggressiv fahrenden Verstappen in den Zweikämpfen lieber mal zurückgezogen, um keinen Crash zu riskieren. Dagegen kann der viermalige Weltmeister das volle Risiko wählen, nach dem Motto: „Ich habe nichts zu verlieren.“
Piastri spricht zwar davon, dass er trotz des Vorsprungs auf Norris „genauso weiterfahren wird“, da er ohnehin ein „durchdachtes Risikomanagement verfolgt“. Außerdem befürchtet er, dass auch bei ihm der Technik-Sensenmann an der Tür klopfen könnte. Doch so richtig traue ich der Aussage nicht. Klar, er fährt jetzt nicht rein im Verwaltungsmodus, doch etwas dosierter dürften wir ihn in seinen Streckenhandlungen die nächsten Rennen erleben. Falls nicht, sind wir wieder beim Thema einer möglichen Kollision…
Während Piastri und Norris außerdem noch nie um den Titel gefahren sind, ist Verstappen mit seinen vier Erfolgen deutlich erfahrener. Der Holländer konnte in den Momenten des größten Drucks immer liefern, unter anderem gewann er im nur drittbesten Auto 2024 die Weltmeisterschaft.
Neben der Stärke von Verstappen sahen wir in jenem Jahr aber auch eine klare Titelkampf-Schwäche von McLaren. Statt sich klar mit Norris im WM-Kampf gegen den Superstar in Position zu bringen, ließ der britische Rennstall seine Piloten weiter frei fahren. Allein in Monza und Ungarn hat Norris damals durch keinen klaren „Nummer-eins-Ausruf“ 17 Punkte verloren. Aber nicht nur Zähler gingen abhanden, sondern durch den mangelnden Rückhalt auch das Selbstvertrauen von Norris.
McLaren handelte im Sinne der Teamharmonie, aber nicht wie ein Rennstall, der unbedingt den Fahrertitel gewinnen will. Und ich habe so meine Zweifel, dass die Teamführung die Philosophie über Bord geworfen hat. Doch ob das der Harmonie wirklich immer so zugutekommt? Fragen Sie mal bei Piastri „off the record“ nach der Teamorder in Monza.
Dazu passt: Bei McLaren fliegen bereits die Fetzen, das Team soll bei Siegen ihres Lokalmatadors frenetischer jubeln als bei Piastri-Erfolgen. Das schmeckt vor allem Piastris Manager Mark Webber nicht, der Machtkampf ist bereits voll im Gange.
Beim erfolgsverwöhnten Red-Bull-Team geht es nach dem Rauswurf von Christian Horner hingegen bergauf. Marko schwärmt vom wiederhergestellten „Red-Bull-Gefühl“ und adelt den neuen Teamchef Laurent Mekies im gleichen Atemzug.
In vielerlei Hinsicht deutet alles auf eine Trendwende hin, die könnte trotz 94 Punkten Rückstand in ein spektakuläres Verstappen-Comeback münden. Und wer sollte so eine Meisterleistung vollbringen, wenn nicht der wahrscheinlich beste Fahrer der Geschichte des Sports…
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