Nach der Farce beim GP Belgien hagelt es reihenweise Kritik. Lewis Hamilton fordert: Gebt den Fans ihr Geld zurück
Der Große Preis von Belgien in Spa sollte eines der Highlights der Formel-1-Saison werden. Und er bekommt auch seinen Platz in den Formel-1-Geschichtsbüchern. Aber keinen, auf den die Königsklasse stolz sein kann. Das Rennen fiel buchstäblich ins Wasser. Wegen der Dauerdusche im Spa der Formel 1 mussten die Fans mehr als dreieinhalb Stunden auf den Rennstart warten. Die Mini-Version des Grand Prix hinterm Safetycar gewann Red Bull-Star Max Verstappen. F1-Insider beantwortet die wichtigsten Fragen zum Regen-Abbruch-GP.
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Viel Spaß in Spa hatten die Herren Formel-1-Piloten an diesem Sonntag nicht. Zwei ganze und drei „halbe“ Runden hinterm Safetycar durften sie drehen. Die restliche Zeit verbrachten sie in ihren Garagen, Motorhomes oder an den Kommandoständen. Grund: Belgischer Landregen, der die Rennstrecke unbefahrbar machte. Das größte Problem war dabei nicht das Aquaplaning, auf dem die Autos aufschwimmen und abfliegen können, sondern die Gischt.
„Unsere Autos haben so viel Abtrieb, dass sie das Wasser von der Strecke saugen und nach hinten wegblasen“, erklärt Aston Martin-Star Sebastian Vettel. „Deshalb kann der Hinterherfahrende nichts sehen. Das kann dann gut gehen und man kann mit blauem Auge davonkommen – aber was, wenn nicht? Deswegen war es wahrscheinlich die richtige Entscheidung, das Rennen am Ende abzubrechen.“ Lewis Hamilton ergänzt: „Wenn du im Blindflug Eau Rouge hochfährst und da auf einen Unfall triffst, kann das böse enden.“
Ganze 3 Stunden und 27 Minuten hat Max Verstappen gebraucht, um das Rennen zu gewinnen – zumindest laut offiziellem Ergebnis. Um 15.25 Uhr wurde das Feld im Dauerregen erstmals auf die Reise geschickt, um nach nur einer Runde wieder in die Box abzubiegen. Danach hieß es Warten. Darauf, dass das Wetter besser wird. Ohne Erfolg: Um 18.30 war endgültig Schluss, nachdem der Tross um 18.17 Uhr losgeschickt wurde, um zwei volle Runden hinterm Safetycar hinterherzuschleichen. Damit hat die Formel 1 dem Regelwerk Genüge getan. Denn: Zwei Runden werden für ein offizielles Ergebnis benötigt. Der GP gilt rechtlich damit als absolviert, Antrittsgebühren und TV-Gelder müssen an die Königsklasse gezahlt werden.
Die Formel-1-Regeln besagen schon seit 1950, dass bei einem Grand Prix, in dem weniger als 75 Prozent der Renndistanz absolviert wird, nur halbe Punkte vergeben werden. Zuletzt war das 2009 in Malaysia der Fall. Jenson Button (Brawn) gewann damals ein Rennen, das wegen Regen und Dunkelheit auf 31 von 56 Runden verkürzt werden musste. Vor dem GP Belgien 2021 gab es erst fünf Mal halbe Punkte.
„Die Formel 1 hat heute die falsche Wahl getroffen“, kritisiert Weltmeister Lewis Hamilton schon kurz nach der halbgaren Zieldurchfahrt die Macher der Serie. Was ihm und vielen seiner Fahrerkollegen sauer aufstößt: Die Fans wurden buchstäblich im Regen stehen gelassen. Hamilton: „Sie zahlen die Anreise, die Eintrittskarten, die Unterkunft – und dann frieren sie mit ihren Kindern auf den Tribünen, ohne ein Rennen zu sehen.“ Der Brite ist vor allem deshalb sauer, weil die Zuschauer ausharren mussten, damit die Formel 1 ihre rechtlichen Verpflichtungen erfüllen kann. Und weil das Rennen bei den unfahrbaren Bedingungen nicht einfach abgesagt wurde.
„Es war schon komisch, dass das Rennen überhaupt noch mal gestartet wurde, obwohl der Regen nie weniger wurde. Aber ich weiß schon warum“, grinst er. „Nach den Regeln brauchen sie zwei Runden, damit der GP als gefahren gilt. Also haben sie uns zwei Runden drehen lassen. Aber unser Sport sollte bessere Werte vertreten.“
Auf Instagram legt er später noch nach: „Das heute war eine Farce und die einzigen Leute, die draufzahlen, sind die Fans.“
Rechtlich ist die Formel 1 dazu nicht verpflichtet. Zwei Runden wurden absolviert, damit gibt es auch einen Sieger. Doch Hamilton legt den Finger bereits in die Wunde: „Geld regiert die Welt“, sagt er. „Die zwei Runden des Rennens waren ein reines Geldszenario. Jeder bekommt also sein Geld, und ich denke, die Fans sollten es auch zurückbekommen.“ Leicht wird das nicht. Aufgrund der Corona-Krise ist die finanzielle Situation der Veranstalter ohnehin angespannt. Nach Spa durften 75000 Zuschauer reisen. Wichtige Einnahmen für die Rennstrecke und die Formel 1, auf die man eigentlich nicht schon wieder verzichten kann.
Der Österreicher kündigte direkt nach Rennende an, mit den anderen Teamchefs und der Rennleitung über den Abbruch-GP zu diskutieren. Aus Mercedes-Sicht logisch: Verstappen konnte fünf Punkte auf Hamilton gut machen, ohne dass ein Rennen gefahren wurde. Der Mercedes-Teamchef hätte sich angesichts der Bedingungen eine echte Absage gewünscht. Dann hätte Hamilton jetzt acht statt drei Zähler Puffer.
Doch Wolff war nicht der einzige Teamchef mit Protestgedanken. Mannschaften wie Haas oder Alfa Romeo, die um jeden Punkt in der WM kämpfen wie um ihr Leben, sehen sich gegenüber Williams benachteiligt. Dem britischen Traditionsteam reichte eine glückliche Runde im Qualifying, um neun Punkte abzustauben. Williams hat auf Rang acht jetzt 17 Punkte Vorsprung auf Alfa. Für jede bessere WM-Platzierung gibt es Millionen aus dem Einnahmentopf der Formel 1.
Das nächste Rennen findet bereits am kommenden Wochenende in Zandvoort (Holland) statt. Die Trucks müssen Autos und Equipment rechtzeitig an die Nordseeküste bringen. Einige Teams zeigten sich zwar bereit, doch ein Montags-GP hätte auch TV-Slots benötigt. Dafür war die Formel 1 offenbar nicht flexibel genug. Rennleiter Michael Masi: „Die Liste der Argumente gegen eine Verschiebung ist seitenlang: Personal bei der Organisation, alle Beteiligten hier. Es gibt keine Möglichkeit, das Rennen auf den folgenden Tag zu verlegen.“
Das bislang kürzeste Rennen aller Zeiten wurde vor 30 Jahren ausgetragen. Das Saisonfinale 1991 in Adelaide (Australien) musste ebenfalls wegen starken Regens abgebrochen werden. Nach 16 Runden und einigen Kollisionen schritten die Kommissare ein, es gewann Ayrton Senna vor Gerhard Berger.
Als längstes Rennen der Formel-1-Geschichte wird der Grand Prix von Kanada 2011 gewertet. 4:04:39.537 Stunden steht in den offiziellen Ergebnislisten der Motorsport-Königsklasse. Auch damals musste das Rennen wegen Regens zwischenzeitlich mehr als zwei Stunden unterbrochen werden.
Keine Sorge: Haas-Pilot Nikita Mazepin fuhr zwar am schnellsten hinterm Safetycar und erntete kurioserweise auch die Einblendung des „Fastest Lap-Awards“, im offiziellen Rennergebnis wurde aber keine schnellste Runde registriert. Den Punkt hätte er sowieso nur bekommen, wenn er den GP innerhalb der Top Ten beendet hätte. Sein Haas-Team machte sich selbst in den sozialen Medien darüber lustig, postete: „Schnellste Runde beim Spa-Debüt, daran hatten wir nie unsere Zweifel!“
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