Franz Tost hat Ende 2023 seinen Posten als AlphaTauri-Teamchef niedergelegt. Im Interview spricht er über die Top-Fahrer der Formel 1, die Unzulänglichkeiten der Computer-Generation und BMWs verpasste WM-Chance.
Herr Tost, Motorsport hat den größten Teil Ihres Lebens bestimmt. Ende 2023 haben Sie „Servus“ gesagt. Ist Ihnen Ihr Rücktritt schon in Fleisch und Blut übergegangen?
Franz Tost (67): Es kam ja nicht überraschend. Vor zwei Jahren habe ich zu Dietrich Mateschitz gesagt, dass ich nicht mehr mit 70 an der Boxenmauer stehen möchte. Er sagte: Okay, aber warte noch, bis wir einen Nachfolger gefunden haben. Das ist jetzt mit Laurent Mekies und Peter Bayer passiert. Ich übergebe AlphaTauri in gute Hände.
Red Bulls Chefberater Helmut Marko kündigte aber bereits an, dass Sie nicht vollständig in Rente gehen. Er spricht von einem Beratervertrag, den Red Bull mit Ihnen verhandeln will.
Ja, am 15. Januar werden Gespräche dafür stattfinden. Danach sehen wir weiter, in welcher Form ich weiterhin bei Red Bull tätig sein werde. Grundsätzlich werde ich dem Motorsport immer verbunden bleiben, daher kann ich mir eine Beraterrolle durchaus vorstellen.
Wie wäre es mit Franz Tost als nächstem Fernsehexperten?
Das ist sicher nicht mein Ding. Ich müsste zu viele politische Antworten geben. Das liegt mir nicht. Und mit der Wahrheit könnten viele nicht leben. Ralf Schumacher, der das sehr gut macht, redet für die meisten schon zu klar. Ich wäre noch extremer.
Wie sieht das Fazit Ihrer Karriere aus?
Positiv. Ich war von Anfang an ausgefüllt. Meine Zeit in der Rennfahrerschule von Walter Lechner, dann das Arbeiten mit Michael Schumacher im Team von Willi Weber in der Formel 3 und später mit Ralf Schumacher waren Höhepunkte. Auch meine Zeit mit BMW. Die größte Herausforderung war sicher, für Didi Mateschitz das Juniorteam aufzubauen. Nach dem Kauf von Minardi mussten wir quasi bei null beginnen. Das war eine enorme Aufgabe. Umso schöner war der erste Sieg mit Sebastian Vettel in Monza 2008. Das werde ich nie vergessen.
Ihre Techniker dürften allerdings aufatmen, dass sie Sie endlich los sind. Sie haben sie vor kurzem vor den Kameras heftig kritisiert…
Tost lacht: …das haben die schon verkraftet. Man muss die Ingenieure der Computergeneration auch erziehen. Ich war sauer, weil unser Yuki Tsunoda beim letzten Rennen in Abu Dhabi viel zu lange draußen gelassen wurde. Ein Blinder mit Krückstock hätte sehen können, dass man ihn zum Reifenwechsel hereinholen musste, um seinen Platz gegen Fernando Alonso nicht zu verlieren. Die Strategen starrten aber nur auf ihre Rechenprogramme und glaubten den Zahlen. Das war zu viel für mich. Ich haben also gedroht, ihre Laptops beim nächsten Mal auf die Straße zu werfen, aber da es mein letztes Rennen war, wird es nicht mehr dazu kommen. Man muss den Computerkids einfach klarmachen: Computer können ein wichtiges Hilfsmittel sein, aber mehr auch nicht. Der gesunde Menschenverstand muss im Vordergrund stehen, denn schließlich haben Menschen die Programme geschrieben, nach denen sie handeln.
Gilt dieses blinde Vertrauen in die Computer auch für die Piloten?
Nein, da ist es genau umgekehrt. Die Piloten sollen so viele Daten wie möglich studieren, um sich ständig zu verbessern. Viel zu oft habe ich festgestellt, dass ein Fahrer nicht einmal wusste, mit welcher Fahrzeugabstimmung sein Teamkollege unterwegs war. Nur wenn man seine Runden und Rennen im Nachhinein analysiert, kann man seine Leistung stetig verbessern.
Michael Schumacher war jemand, der sich stundenlang damit beschäftigt hat…
Ja, aber auch Sebastian Vettel, Max Verstappen, Carlos Sainz oder Pierre Gasly sind akribische Arbeiter. Michael und Co. wussten immer, wie sie sich verbessern können und wo die Schwächen des Teamkollegen lagen. Schon von Anfang an verbrachten die Champions die meiste Zeit an der Rennstrecke mit den Ingenieuren und Daten. Das haben Alain Prost, Ayrton Senna, Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Max Verstappen alle gemein.
Kann man schon in frühen Jahren einen Champion erkennen?
Einen Champion nicht, aber ein Naturtalent. Da geht es um die Fähigkeiten eines Piloten und sein Verhältnis zur Geschwindigkeit. Bei Michael hatte man nie das Gefühl, dass er selbst bei seiner ersten Runde in einem Formel-1-Auto überfordert war. Bei seinem Bruder Ralf war es genauso. Und bei Max Verstappen. Als er mit 17 Jahren das erste Mal in Suzuka mit einem Formel-1-Auto fuhr, kam er sofort zurecht, trotz der viel höheren Geschwindigkeit. Auch beim Bremsen hatte er keine Probleme, trotz der enormen Fliehkräfte von bis zu 6g.
Wie denken Sie an Ihre BMW-Zeit zurück? Sie waren bei von 2000 bis 2005 Track Operations Manager bei BMW Motorsport.
Nur positiv. BMW war technologisch das absolute Highlight. BMW hat den besten Motor gebaut, den ich je in der Formel 1 erlebt habe. Das Problem war Williams, die einfach nicht auf dem neuesten Stand waren. Sie waren schuld daran, dass BMW den Konstrukteurstitel nicht gewinnen konnte. In Monza 2003 hatte Ralf Schumacher einen schweren Unfall, weil Williams alte Radaufhängungen eingebaut hatte, die dann im Training brachen. Ein Ersatzpilot musste für den verletzten Ralf einspringen. Mit Ralf wäre BMW Weltmeister geworden, da bin ich mir sicher. Ich habe sehr gerne in München gearbeitet und gelebt. Es ist eine meiner absoluten Lieblingsstädte.
Wie sehr fehlt Ihnen Michael Schumacher?
Sehr. Aber nicht nur als einer der besten Rennfahrer aller Zeiten, sondern noch mehr als Mensch. Ihm konnte man vertrauen, er verstellte sich nie und sagte immer offen heraus, was er dachte.
Wäre die Karriere seines Sohnes Mick mit ihm an der Seite anders verlaufen?
Das glaube ich schon. Nicht nur wegen seiner riesigen Erfahrung, sondern auch wegen des extrem großen Netzwerks, das er in der Formel 1 hatte.
Max Verstappen ist der aktuelle Dominator der Formel 1. Sehen Sie jemanden, der ihm in Zukunft das Wasser reichen kann?
Nein. Wenn Max weiterhin ein gutes Auto hat, wird er noch viele Rennen und Titel gewinnen. Er ist immer noch nicht am Limit und wird noch besser werden. Kein Fahrer, der sein Teamkollege ist oder sein wird, wird je über die Rolle eines Nummer-2-Piloten hinauskommen.
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