Fan-Übergriffe: Formel 1 reagiert, Hamilton schockiert

Max Verstappens Fans sorgen in der Formel 1 für Stimmung. Das Problem: In Spielberg schießen sie über’s Ziel hinaus. Übergriffe gegen Frauen und Jubel über Unfälle.

Heftige Vorwürfe gegen die Fans von Max Verstappen beim Österreich GP: Weit über 100.000 Zuschauer sind derzeit in Spielberg, rund 40 Prozent davon sind aus Holland angereist und feuern ihren Weltmeister frenetisch an. Auf den Tribünen und rund um die Strecke steigt eine riesige Verstappen-Party. Größtes Kennzeichen: viel Alkohol, wenig Manieren.

Vor dem Grand Prix am Sonntag häufen sich nun alarmierende Berichte von Frauen, die in der orangen Jubelmasse übergriffigem Verhalten, Schmähungen und Belästigung ausgesetzt sind. In den Sozialen Netzwerken machen viele Betroffene ihrer Enttäuschung, Wut und Verzweiflung Luft.

Die Erfahrungsberichte auf Twitter lesen sich wie ein Spießroutenlauf: „Ich bin an einer Tribüne vorbeigegangen: Pfiffe, Schreie und Catcalling, bis ich ganz vorbei war. Es ist, als hätten sie noch nie eine Frau gesehen“, twittert eine Userin, eine andere schreibt: „Das Verhalten ist enttäuschend. Meine Erwartungen waren niedrig, aber meine Güte: Rassistische und homophobe Schmähungen, Hinterherpfeifen, unangebrachte Sprache und Begrabschen. Die Liste ist lang.“

Genauso wie die Anzahl der Betroffenen offensichtlich groß: „Musste mich zusammenreißen, um nicht den ganzen Rückweg zum Ausgang zu weinen, weil ich Angst hatte. Morgen kommen wir nochmal zum Rennen wieder, aber wir kommen niemals wieder zu diesem Grand Prix“, berichtet eine Zuschauerin, eine andere schreibt: „Noch einen Tag in dieser Hölle, dann sind wir wieder frei.“

„Ich bin an der Strecke und habe fürchterliche Dinge gesehen. Das Mädchen, das hier Eiscreme verkauft (also hier ARBEITET) wird pausenlos von älteren besoffenen Männern belästigt“, heißt es in einem Tweet. „Das Problem ist kein neues. Ich habe 2015 in Österreich gecampt und habe mich nicht sicher gefühlt alleine das Bad zu benutzen, also hat sich leider nichts geändert.“

Im Fokus steht dabei vor allem die immer größer werdende Anhängerschaft von Red-Bull-Star Verstappen: „Das ist leider ein Problem, wo auch immer die ‚Orange Army‘ auftaucht“, twittert ein User, ein anderer berichtet: „Es geht auch nicht um ein paar Leute, sondern um ungefähr 50 Prozent der Tribüne.“ Besonders die Verstappen-Tribüne in Kurve vier steht im Fokus vieler negativer Berichte.

Selbst eingefleischte Verstappen-Fans schämen sich für einen Teil der Anhängerschaft: „Es ist wirklich so verrückt. Ich sitze da als Max-Fan und fühle mich immer noch unwohl damit, wie diese betrunkenen Irren sich verhalten“, berichtet ein weiblicher Fan. Während sich bei Instagram und anderen sozialen Netzwerken nun sogar Gruppen formiert haben, um betroffenen Frauen vor Ort zu helfen, fordern viele Fans schnelle Lösungen von den Organisatoren und der FIA.

Die Formel 1 reagiert am Sonntagvormittag mit einem Statement: „Wir sind auf Berichte aufmerksam gemacht worden, dass einige Fans beim Österreich GP Opfer komplett inakzeptabler Kommentare anderer geworden sind. Wir nehmen diese Angelegenheiten sehr ernst, haben sie beim Veranstalter und der Event-Security gemeldet und werden mit denen sprechen, die über die Vorfälle berichtet haben. Dieses Verhalten ist inakzeptabel und wird nicht toleriert.“

Dabei geht es nicht nur um das Benehmen gegenüber Frauen. „Ich habe alle möglichen Beleidigungen gehört, auch das N-Wort, was mich extrem getriggert hat. Es ist komplett inakzeptabel und ich schäme mich für den #ÖsterreichGP und seine so genannten ‚Fans'“, schreibt ein User.

Ein anderer beschreibt das Verhalten der niederländischen Fans wie folgt: „Die meisten verhalten sich leider wie bei einem Musikfestival und nicht wie bei einer Motorsportveranstaltung. Ich habe viele Typen gesehen, die sogar zu besoffen waren, um das Qualifying zu gucken und einfach nur schlafend auf dem Boden lagen. Rassistische Beleidigungen habe ich zwar nicht gehört, aber ein paar Mal wurde der ,Alle Deutschen sind schwul‘-Song gesungen und dann natürlich der Jubel über die Unfälle von Hamilton und Russell.“

Bei den Unfällen der beiden Mercedes-Piloten im Qualifying brandete am Freitag auf vielen Tribünen lautstarker Jubel auf. Rekordweltmeister Hamilton zeigt sich anschließend schockiert vom Verhalten der sogenannten Fans: „Ein Fahrer hätte im Krankenhaus landen können und die bejubeln das“, schüttelt er den Kopf.

„Es haut einen um, dass Leute so etwas tun, obwohl sie wissen, wie gefährlich unser Sport ist. Man sollte niemals jemandens Unfall oder Verletzung bejubeln. Es hätte in Silverstone nicht passieren sollen, auch wenn es da um keinen Crash ging, und hier auch nicht“, sagt der Mercedes-Star. Bei seinem Heimrennen vor einer Woche hatten die Hamilton-Fans wiederum Verstappen bei dessen Interviews ausgebuht.

Der Niederländer selbst ist ebenso wenig angetan vom Fan-Verhalten: „Grundsätzlich finde ich es schade, dass die Fans in der Tat wie Fußball-Fans reagieren. Sie pfeifen immer den Gegner aus. In Holland pfeifen sie gegen Lewis, in England gegen mich“, sagt Verstappen zu F1-Insider. „Ich finde das schade, weil wir oft extrem harte, sportlich hochwertige Kämpfe austragen. Da müsste man auch den Gegner respektieren.“ Genauso wie die weiblichen Zuschauerinnen…

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