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McLaren-Kritik an Verstappen: Fährt er zu hart?

Formel 1 Norris Verstappen Crash Spielberg 2024

Max Verstappen und Lando Norris. Credit: F1 / X

Nach der Kollision zwischen Max Verstappen und Lando Norris am Red Bull-Ring prasselt Kritik auf den Red Bull-Star ein. Zu Recht?

Unterschiedlicher können die Reaktionen nicht sein: Während Max Verstappen nach der Kollision mit Lando Norris beim GP Österreich wie ein wütender Krieger durchs Red Bull-Motorhome in seinen Fahrerraum stapft, wartet der ausgeschiedene McLaren-Pilot im Media Pen noch auf seine TV-Interviews. Fast schon verzweifelt stand der junge Brite da mit gesenktem Kopf und wischt sich nervös mit der Hand durchs Gesicht. 

Nicht nur, dass seine finale Attacke auf den Führenden Verstappen gescheitert ist; anstelle von sieben Punkten (Unterschied von Platz eins zu zwei) hat er nach seinem eigenen Ausfall weitere zehn Zähler auf WM-Leader Verstappen verloren und liegt jetzt mit 81 Punkten Rückstand auf Rang zwei.

Doch viel schlimmer als die verlorenen Punkte ist die moralische Niederlage. Norris fühlt sich unfair behandelt. Ausgerechnet von seinem angeblichen Kumpel Max Verstappen. Deshalb sei er auch „enttäuscht“, jammert der Engländer. „Er hat mein Rennen ruiniert, mein Auto zerstört. Das sind die besten Teile am Auto für den Mülleimer.“ 

Max Verstappen und Lando Norris. Credit: F1 / X

Die missglückte Attacke in Runde 64 des GP Österreich nagt am McLaren-Star. Mit Geschwindigkeitsüberschuss hatte sich Norris da in Kurve zwei des Red Bull-Rings nach diversen verlorenen Duellen zuvor und sogar einer 5-Sekunden-Strafe für überschrittene Track Limits außen neben den bis dato Führenden Verstappen gesetzt. Doch der amtierende Champion spielte nicht mit. Er ließ sich ebenfalls leicht nach außen tragen und machte damit schlicht und einfach die Tür zu. Klar, was die Botschaft in diesem Moment an Norris ist: „Nicht mit, mir mein Freund! Wenn einer hier die Kollision verhindert, dann Du!“

Norris übernimmt Opferrolle  

Ob er deshalb sauer auf sich oder Verstappen ist, bleibt sein Geheimnis. Er entscheidet sich am Ende für die Opferrolle. „Ich habe großen Respekt vor Max und vor dem, was er kann und was er tut, jedes Mal, wenn er auf der Strecke ist. Aber manchmal denke ich, dass er vielleicht ein bisschen zu weit geht.“

Und genau damit stellt Norris die Frage aller Fragen nach dem Rennen in Spielberg: Geht Verstappen im Nahkampf übers Limit? Kann der dreimalige Weltmeister und unbestritten beste Fahrer seiner Generation nicht verlieren?

Lando Norris. Credit: B. Garloff / F1-Insider.com

Das jedenfalls unterstellt ihm Norris‘ Teamchef Andrea Stella. Der Italiener, der bei Ferrari als Dateningenieur einst eng mit Verstappens Bruder im Geiste, Michael Schumacher, zusammengearbeitet hat und deshalb die Seele der Unterschiedspiloten eigentlich kennen muss, nimmt die Opferrolle ebenfalls gerne an. Den Erfahrungen aus der Vergangenheit verdankt er ein feines Gespür, wie er auf der medialen Klaviatur spielen muss, um die Formel-1-Fangemeinde auf seine Seite zu ziehen. 

Entsprechend pathetisch holt er bei Sky UK aus: „Die gesamte Weltbevölkerung weiß, wer für den Unfall verantwortlich ist“, fabuliert der für einen Italiener sonst eher nüchtern agierende Stella da und kramt Verstappens knallharte Fahrweise im WM-Duell gegen Lewis Hamilton 2021 hervor. „Das Problem dahinter ist, dass diese Dinge – wenn man sie nicht ehrlich anspricht –  wiederkehren werden. Sie sind heute wieder da, weil sie in der Vergangenheit nicht richtig angegangen wurden. Aber wir wollen kein zweites 2021 erleben.“

Wie sein Fahrer hebt auch Stella den moralischen Zeigefinger. „Wir haben doch alle so viel Respekt vor Max, dass er das nicht tun muss. So gefährdet er nur seinen Ruf.“ 

Eine Aussage, die bei den britischen Anti-Verstappen-Medien auf fruchtbaren Boden fällt. „Einige Leute werden es eben nie verstehen“, kommt auch beim ehemaligen Schumacher-Gegner Hill nicht ganz zufällig über die Lippen. Hill, der Norris der 90er, weiß nur zu gut, wie groß der Druck ist, gegen übermächtige Gegner bestehen zu müssen. 

Glock erklärt Verstappen-Strafe

Die Animositäten der Vergangenheit mal beiseite; Fakt ist auch: Die Rennkommissare haben Verstappen für das Manöver eine Zehn-Sekunden-Strafe aufgebrummt. Weil „hauptsächlich“ er für die Kollision der beiden Autos im Kampf um Platz eins verantwortlich gewesen sein soll. Demnach war Norris bereits neben Verstappen, als der Niederländer noch weiter nach links gelenkt habe. 

Bei Sky Deutschland erklärt Ex-Formel-1-Pilot Timo Glock den Zwischenfall so objektiv es eben geht: „Die Problematik entsteht durch Norris‘ DRS-Überschuss von über 24 km/h. Damit positioniert er sich und will ein bisschen später bremsen. Wenn ihm der Vordermann dann vors Auto fährt, kommt es zum Unfall. Deswegen ist es nicht mehr erlaubt, auf der Bremse das Auto zu bewegen. Und das hat Max Verstappen ausgereizt bis in den Graubereich.“ 

Max Verstappen. Credit: B. Garloff / F1-Insider.com

Der dreimalige Champion sieht das naturgemäß anders: „Das waren ‚Dive-Bombs‘ von hinten, die schwierig zu verteidigen sind. Aber ich habe immer erst nach meinem Move gebremst. Es war also kein ,moving under braking‘.“ 

Ähnlich analysiert das der ehemalige Toro-Rosso-Teamchef Franz Tost: „Beide haben einander keinen Platz gelassen“, sagt der Österreicher zu F1-Insider.com. „Abgesehen davon lässt sich ein Max Verstappen eben nicht so einfach überholen. Das müssen die Gegner bei ihren Manövern einkalkulieren.“ 

Wolff schützt Verstappen: „Braucht zwei, um Tango zu tanzen“

Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der 2021 mit Lewis Hamilton noch selbst zu den Opfern des Verstappenschen Abwehrreflexes zählte, verteidigt den Red Bull-Star mit den Worten: „Es braucht zwei, um Tango zu tanzen.“ 

Ganz objektiv bewertet der Mercedes-Teamchef, der Verstappen lieber heute als morgen für 2025 verpflichten würde, dessen Abwehrverhalten auf der Rennstrecke vielleicht nicht. Aber mit seiner Aussage macht er auch klar: Genau diese Aggressivität im Zweikampf braucht man, um sich ins Visier eines der erfolgreichsten Teamchefs der Formel-1-Geschichte zu fahren. 

Oder eben um bald zum vierten Mal Weltmeister zu werden. Und zur Erinnerung: Entschuldigungen standen auch bei Michael Schumacher nicht auf der To-do-Liste.

Autoren: Bianca Garloff, Ralf Bach

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Formel 1 Grand Prix von Österreich
Ergebnis

1. George Russell (Großbritannien) – Mercedes 1:24:22,798 Std.
2. Oscar Piastri (Australien) – McLaren +1,906 Sek.
3. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari +4,533
4. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes +23,142
5. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull +37,253
6. Nico Hülkenberg (Emmerich) – Haas +54,088
7. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull +54,672
8. Kevin Magnussen (Dänemark) – Haas +1:00,355 Min.
9. Daniel Ricciardo (Australien) – Racing Bulls +1:01,169
10. Pierre Gasly (Frankreich) – Alpine +1:01,766

Formel 1 Fahrer-Wertung
Stand nach 11 von 24 Rennen:

1. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull 237 Pkt.
2. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren 156
3. Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari 150
4. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari 135
5. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull 118

Konstrukteurs-Wertung

1. Red Bull 355 Pkt.
2. Ferrari 291
3. McLaren 268
4. Mercedes 196
5. Aston Martin 58

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