Sebastian Vettel erlebt einen emotionalen Abschied von der Formel 1. Das sagt der Deutsche nach seinem letzten F1-Grand-Prix in Abu Dhabi.
Schluss. Aus. Vorbei! Sebastian Vettel hat seine Formel-1-Karriere mit dem Abu Dhabi GP am Sonntag beendet und sich von der Königsklasse nochmal gebührend abfeiern lassen: Schon in der Startaufstellung vor dem Rennen klatschte der deutsche Vierfach-Weltmeister nach der Hymne zunächst all seine Fahrerkollegen ab, zurück an seinem Aston Martin umarmte er Papa Norbert vor dem letzten Start ganz fest.
„Es war eine schöne Zeit“, sagt Norbert Vettel zu F1-Insider. Der Vater von Sebastian war neben seinem Sohn mit Abstand der begehrteste Gesprächspartner im Fahrerlager von Abu Dhabi. „Für uns alle geht jetzt eine Ära vorbei. Es wird ein komisches Gefühl sein, sich die Rennen ohne Seb anzuschauen. Aber ich bin sehr stolz, was mein Sohn alles geleistet hat.“
Auch in seinem Abschieds-Grand-Prix ist das nochmal eine ganze Menge: Von Startplatz neun aus erwischt Vettel einen guten Start, hält sich im Alpine-Sandwich zwischen Ex-Rivale Fernando Alonso und Esteban Ocon in den Top-10 und liefert sich mit dem Franzosen rundenlang ein enges Duell. Als die Konkurrenten nach und nach zum Boxenstopp abbiegen, bleibt Vettel länger draußen: Einstopp-Strategie. Doch die wird zum Bumerang, auf alten Reifen fehlt ihm die Pace. „Die Strategie war ein Desaster“, kritisiert Norbert Vettel halb im Ernst und halb im Scherz ein letztes Mal den Aston-Martin-Kommandostand.
Am Ende hat sein Sohn aber das Glück des Tüchtigen: Durch den Ausfall von Lewis Hamilton, der mit einem Getriebeschaden am Mercedes zwei Runden vor Schluss ausrollt, erbt Vettel den zehnten Platz und nimmt dadurch den letzten WM-Punkt mit. Doch noch ein versöhnlicher Abschluss für den Heppenheimer, der anschließend mit Donuts auf der Start-/Zielgeraden feiert und sich ausgiebig vom Publikum bejubeln lässt.
„Ich bin ehrlich gesagt ein bisschen fertig: Das ganze Wochenende war sehr anders, sehr emotional. Aber natürlich hängt das Rennen bisschen nach“, sagt Vettel im Ziel: „Es ärgert mich, dass wir da komplett aufs falsche Pferd gesetzt haben und dadurch nach hinten gefallen sind. Sonst hätten wir heute locker um den siebten Platz kämpfen können. So war es dann nicht das beste Rennen und mega schade.“ Denn Aston Martin verpasst durch das Resultat denkbar knapp den sechsten Platz in der Konstrukteurs-WM gegen Alfa Romeo.
Allem Ehrgeiz zum Trotz, Vettel weiß am Sonntag aber auch: „Ich fühle schon, dass das Ergebnis heute bisschen sekundär ist. Es war ein sehr schönes Wochenende. Ich darf mich sehr glücklich schätzen, dass ich sowas zum Schluss nochmal erleben darf und habe versucht es so gut wie möglich zu genießen.“
Selbst den Interviewmarathon, den der Deutsche nach dem Rennen absolviert: Vom Gespräch auf Start-Ziel zu den internationalen TV-Sendern, dann zu Sky Deutschland und Sky England. Ihm immer auf den Fersen: Pressesprecherin Britta Roeske, der der Chef am Boxenfunk genauso dankte wie Trainer Antti Kontsas. „Ich bin sehr dankbar, dass ich 13 Jahre an Sebastians Seite sein durfte, viele Erfolge mit ihm gefeiert habe, aber ihm auch in schweren Zeiten zur Seite stehen durfte“, sagt Britta Roeske zu F1-Insider. „Er war immer ein guter Chef, der einen auch mal in den Arm genommen hat, wenn es Probleme gab.“ Genauso wie am Sonntag, nach seiner letzten Fahrt im Aston Martin.
Zu sentimental will ihr Boss im Anschluss an das Rennen trotzdem nicht werden: „Ich bin gestern Abend im Bett gelegen, habe bisschen drüber nachgedacht und all die Fragen Revue passieren lassen, die man das ganze Wochenende über so gestellt bekommt. Es klingt vielleicht bisschen abgedroschen: Aber ich habe mir das (mit dem Rücktritt; d. Red.) ja sehr gut und sehr lange überlegt, viel länger als man mir vielleicht von außen angemerkt hat.“ Vettel lacht: „Es war dann wirklich keine Frage von Tagen und Monaten, sondern noch länger. So glaube ich, habe ich für mich irgendwie jede Frage und jedes Szenario durchgespielt und bin deshalb vielleicht ziemlich gefasst.“
„Natürlich tut es mir weh, zu wissen, dass ich nicht mehr ins Auto steige und dass es das letzte Mal war. Aber sowas ist immer sehr schwer zu greifen und deshalb tue ich mir damit vielleicht im Moment auch noch etwas schwer“, sagt Vettel, der ein Comeback aus diesem Grund auch noch nicht ganz ausschließen will: „Ich weiß es nicht. Man kann nie nie sagen. Aber andererseits sehe ich schon auch, dass ich ein anderes Leben habe als die meisten hier, mich mit anderen Themen und Fragen beschäftige.“
Vettel reflektiert: „Außerdem habe ich es geschafft – und darauf bin ich eigentlich mit am meisten stolz – mir neben dem Ganzen hier, was glaube ich eine Menge war und ist, auch noch sehr viel anderes aufzubauen. Ich glaube und hoffe, dass mir das sehr viel Halt gibt bei all den Aufgaben, die vor mir stehen. Das wird eine große Herausforderung, aber daran kann ich auch wachsen. Ich fühle mich gut darauf vorbereitet und lasse mich überraschen, was so kommt.“
Daran, dass er eine Beschäftigung findet, die ihm Freude und Sinn gibt, hat der 35-Jährige keine Zweifel. „Es gibt ja zwei Seiten von mir: Natürlich diese Rennseite, die einen großen Teil von mir darstellt, aber es gibt eben auch noch so viel mehr, so viele andere Dinge.“ Vettel: „Gerade in den letzten Jahren ist mir dieses Privileg bewusst geworden, was ich für ein Leben erleben durfte all diese Jahre. Aber auch, dass damit Verantwortung einhergeht und ich dadurch die Möglichkeit habe, viele Leute zu erreichen und mehr und mehr meine Stimme zu benutzen. Man muss eintreten für die Dinge, die einem wichtig sind.“
Doch bevor sich Vettel aufmacht zu seiner nächsten Mission, hat er am Sonntag erst noch ein anderes Bedürfnis. Der Deutsche lacht: „Ich will jetzt einfach nur aus diesem nassem Overall raus. Und ich habe meine ganze Familie hier und viele Freunde. Ich freue mich einfach darauf, ihnen jetzt eine Umarmung zu geben, bei ihnen zu sein und dann wird auch noch ein bisschen angestoßen.“
Das Beste daran ist für Vettel aber die Gewissheit: „Ab morgen habe ich nichts mehr auf dem Plan stehen. Ich bin sehr glücklich, dass es jetzt bisschen ruhiger wird, wir waren immerhin die letzten acht Wochen am Stück unterwegs. Ich freue mich einfach darauf, nach Hause zu kommen.“
Bevor es aber soweit ist, wollen sich noch alle im Fahrerlager vom 53-fachen GP-Sieger verabschieden: Selbst Formel-1-Boss Stefano Domenicali wartet deshalb vor der Aston-Martin-Hospitality geduldig auf den Mann des Tages. Zu F1-Insider sagt er: „Sebastian ist ein großer Champion, dem die Formel 1 immer verbunden bleiben wird. Er ist bei uns jederzeit herzlich willkommen. Ich wünsche ihm jetzt aber erst einmal viel Erfolg beim Erlernen der Langsamkeit.“
Diesen Worten kann man sich nur anschließen: Mach’s gut Sebastian!
Von: Frederik Hackbarth und Bianca Garloff
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1. Max Verstappen (Niederlande) – Red Bull 1:27:45,914 Std.
2. Charles Leclerc (Monaco) – Ferrari +8,771 Sek.
3. Sergio Perez (Mexiko) – Red Bull +10,093
4. Carlos Sainz Jr. (Spanien) – Ferrari +24,892
5. George Russell (Großbritannien) – Mercedes +35,888
6. Lando Norris (Großbritannien) – McLaren +56,234
7. Esteban Ocon (Frankreich) – Alpine +57,240
8. Lance Stroll (Kanada) – Aston Martin +1:16,931 Min.
9. Daniel Ricciardo (Australien) – McLaren +1:23,268
10. Sebastian Vettel (Heppenheim) – Aston Martin +1:23,898
11. Yuki Tsunoda (Japan) – Alpha Tauri +1:29,371
12. Zhou Guanyu (China) – Alfa Romeo + 1 Rd.
13. Alexander Albon (Thailand) – Williams + 1 Rd.
14. Pierre Gasly (Frankreich) – Alpha Tauri + 1 Rd.
15. Valtteri Bottas (Finnland) – Alfa Romeo + 1 Rd.
16. Mick Schumacher (Gland/Schweiz) – Haas + 1 Rd.
17. Kevin Magnussen (Dänemark) – Haas + 1 Rd.
18. Lewis Hamilton (Großbritannien) – Mercedes + 3 Rd.
19. Nicholas Latifi (Kanada) – Williams + 3 Rd.
Ausfälle:
Fernando Alonso (Spanien) – Alpine (28. Rd.)