FIA-Präsident Jean Todt hat die Idee zur Formel E selbst mitentwickelt. Beim Lauf in New York stellte sich der ehemalige Ferrari-Teamchef unseren Fragen
Monsieur Todt, wir sitzen hier an der Hafenkante von Brooklyn bei der Formel E mit Blick auf Manhattan, wo die Formel E am Wochenende zwei Rennen ausgetragen hat. Welche FIA-WM finden Sie in diesem Jahr spannender: die Formel E oder die Formel 1?
Jean Todt (75): Ich mag Ihre Frage nicht. Warum muss man die Formel E immer mit der Formel 1 vergleichen? Es sind zwei ganz unterschiedliche Rennserien. Die eine fährt in den Stadtzentren mit einem Teambudget von 20 bis 30 Millionen Euro. Die andere findet hauptsächlich auf Rundkursen statt – mit einem Budget von 200 bis 400 Millionen Euro. Es wäre unfair, beide zu vergleichen.
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Trotzdem: In der Formel 1 hat Mercedes endlich wieder einen Herausforderer, in der Formel E können immer noch mehr als zehn Fahrer Meister werden. Beide Serien bieten 2021 viel Spannung.
Das stimmt. Aber in der Formel E ist es für mich manchmal etwas verwirrend. Am Samstag hat Euer deutscher Pilot (Maximilian; d. Red.) Günther gewonnen, am Sonntag startet er von weit hinten. Das verstehe ich nicht. Vielleicht ist die Formel E im Moment zu unvorhersehbar. Ich bin gegen eine Dominanz, aber manchmal ist es nicht klar genug, warum sich das Kräfteverhältnis so schnell verändert. In der Formel 1 haben wir dieses Jahr zwei Fahrer aus unterschiedlichen Teams, die um die WM kämpfen. Ich würde mich noch mehr davon wünschen. Deshalb bin ich glücklich, dass ein junger Mann wie Lando Norris mit McLaren um Podestplätze kämpfen kann.
Wie beurteilen Sie den Mehrwert der Formel E für die Serie?
Ich bezeichne die Formel E immer noch als „Baby“ der FIA und bin stolz auf sie. Die Hersteller sprechen heute fast nur noch von elektrischen Autos. Sogar die EU-Kommission hat Ziele für die Elektrifizierung der Mobilität gesetzt. Wir haben die Formel E dagegen schon 2010 erdacht und die Serie 2014 gestartet. Unsere Vision hat sich also ausgezahlt. Motorsport ist eine Show, aber immer auch ein Labor für die technischen Entwicklungen der Zukunft. Ich denke da nur an das Schnellladen der Batterien via Induktion, das mit den Formel-E-Autos der nächsten Generation kommt.
Die Formel 1 hat eine Budgetobergrenze eingeführt. Braucht die Formel E so etwas auch?
Daran arbeiten wir. Bei den Teams haben wir 13 bis 15 Millionen Euro ins Auge gefasst, für Hersteller zwischen 20 und 25 Millionen Euro. Wir müssen die Kosten limitieren.
Ist das auch wichtig, um die Hersteller in der Serie zu halten? BMW und Audi steigen Ende des Jahres aus.
Natürlich. Was die Ausstiege angeht: Die gab es in der Geschichte des Rennsports schon immer. Hersteller kommen und gehen. Nicht nur in der Formel E. Motorsport ist wie ein Restaurant. Die Kunden wechseln. Unsere Aufgabe ist es sicherzustellen, dass sie gutes Essen bekommen, wenn sie eintreten. Das versuchen wir zu tun.
Markus Flasch, Chef der BMW-M-GmbH, hat dennoch gesagt: Die Formel E hat nicht die Reichweite, die sie haben sollte, um die Kosten zu rechtfertigen.
Ich akzeptiere persönliche Meinungen, stimme mit seiner aber nicht überein.
Alejandro Agag (Formel-E-Gründer; d. Red.) betont immer wieder, dass die Formel 1 ebenfalls elektrisch werden und mit der Formel E verschmelzen muss. Sehen Sie das ähnlich oder ist Biosprit der richtige Weg in die Zukunft der Königsklasse?
Man muss realistisch bleiben. Im Moment gibt es keinen elektrischen Antrieb, der ein Durchschnittstempo von rund 200 km/h über 300 Kilometer ermöglicht. Man muss sich also fragen: Können wir solche Aussagen leicht treffen? Ja. Können wir sie in die Wirklichkeit umsetzen? Nein. In der Formel 1 müssen wir deshalb schauen, was die beste Kombination von Verbrenner, Hybrid und Elektro ist.
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