Die Formel E fährt an diesem Wochenende zwei ePrix in Berlin. Einer der vier deutschen Fahrer: René Rast.
Die Formel-E-WM kommt am Wochenende nach Berlin. Der dreimalige DTM-Champion René Rast ist einer von vier deutschen Fahrern. Hier spricht er über die Herausforderung der Formel E.
René Rast, 2023 fahren Sie den Berlin ePrix erstmals für McLaren statt Audi. Was sind die Unterschiede zwischen beiden Teams?
René Rast: Dass McLaren (als Mercedes; d. Red.) schon zweimal die WM gewonnen hat, merkt man. Das Team ist sehr strukturiert, hat sehr viele gute Leute an den richtigen Positionen und auch eine andere Arbeitsstruktur, als ich das von Audi kenne. Da musste ich mich erstmal dran gewöhnen – genau wie an die Sprache. Bei Audi wurde mehr „Denglisch“ gesprochen, also eine Mischung aus Deutsch und Englisch. Das Tempo bei McLaren ist allein durch die englische Sprache ein ganz anderes. McLaren agiert auf einem sehr hohen Level und ist wahrscheinlich das beste Team, mit dem ich je gearbeitet habe. Das kommt schon sehr nah an Formel 1 Niveau ran.
Wie besonders ist es, für ein Team mit all der Historie und einem so bedeutenden Namen im Motorsport zu fahren?
Es ist eine ganz große Ehre. Natürlich habe ich als Kind Ayrton Senna in seinem McLaren beobachtet, habe die Weltmeisterschaft verfolgt, die Lewis Hamilton mit McLaren geholt hat, habe einen Fernando Alonso oder Jenson Button gesehen. Wenn man dann selbst McLaren-Fahrer ist – in einer neuen Ära des Teams in der Elektro-Weltmeisterschaft –, dann ist das eine große Ehre. Und wenn man in Woking in den heiligen Hallen steht und die alten Rennwagen von Senna und Co sieht, kann man das nur schwer beschreiben. Man fühlt sich als ein Teil der Geschichte, auch wenn ich noch nicht so lange dabei bin.
Haben Sie auch einen entsprechenden Dienstwagen bekommen?
Nein, leider nicht (lacht). Das müssen wir noch ausverhandeln.
Was erwarten Sie vom kommenden Heimrennen in Berlin?
Für mich als deutscher Fahrer ist das natürlich ein Highlight. Ich kenne die Strecke in Berlin sehr gut, bin da schon acht Rennen gefahren. Das letzte Rennen in Sao Paulo war komischerweise nicht ganz unsere Strecke, aber wir hoffen, dass wir über die drei, vier Wochen Zeit ein paar Schritte gemacht haben und hoffentlich wieder ganz vorne mitfahren können.
Zuletzt haben wir immer häufiger taktisches Windschattenfahren in der Formel E gesehen. Warum?
Stimmt. Es ist ein bisschen wie im Radsport. Wenn du vorne bist, verbrauchst du einfach 20-30 Prozent mehr Energie, weil der Wind direkt auf das Auto prallt. Ob das in Berlin so sein wird? Kann man fast von ausgehen. Sao Paulo, war aus diesem Grund jedenfalls eines der schwierigsten Rennen, die ich je gefahren bin. Es war ein Strategie-Rennen, in dem du versuchst, maximal Energie zu sparen. Natürlich auch auf Kosten der Rundenzeit. Dazu kam noch, dass zwei, drei Kurven sehr eng waren: Das hat das Feld noch mehr zusammen gestaucht. Es war brutal schwierig, dem Vordermann nicht hinten reinzufahren.
Ist dieses Windschatten-Schachspiel noch Racing?
Ich glaube, das ist genau das, was das Format der Formel E ausmacht. Das Energiemanagement und das clevere, strategische Fahren. Die Formel E war noch nie so, dass du von der ersten bis zur letzten Runde puschen konntest. Du planst genau, wann du attackierst und wann du Energie sparst. Ob es jetzt so extrem sein muss wie in Sao Paulo, kann man diskutieren. Aber taktisch zu fahren, ist der Grundgedanke der Energieeffizienz in der Formel E.
Aber verhindert nicht genau das, dass die Formel E auch den Zugang zum klassischen Motorsportfan findet?
Ich glaube, der klassische Motorsportfan hat allgemein eine Abneigung gegen Elektro. Das sehe ich auch, wenn ich meine Kommentare auf Social Media anschaue. Der reine Motorsport-Fan sagt immer noch: Es muss laut sein, es muss stinken, wir wollen die Motoren hören und Formel E ist kein richtiges Racing. Ich glaube aber, wenn man der Formel E eine Chance gibt und sich anschaut, was für Rennen wir produzieren, kann die Formel E überzeugen. Sie produziert sehr spannende und unterhaltsame Rennen. Die Leute müssen dem Ganzen nur ein bisschen offener gegenüberstehen. Über Langweile kann man sich in der Formel E jedenfalls nicht beklagen.
Auch als Fahrer nicht. Sie sind schon diverse Rennserien gefahren: Wo ordnen Sie die Formel E ein?
Als ich 2020 meine ersten Formel-E-Rennen in Berlin gefahren bin, war ich es gewohnt, von Anfang an Vollgas zu geben, so spät wie möglichst zu bremsen und frühestmöglich auf dem Gas zu sein. Deshalb war die Umstellung riesig. Denn in der Formel E ging darum, frühestmöglich vom Gas zu gehen und zu rekuperieren. Aber genau das hat mir Spaß gemacht, weil du als Fahrer noch den Unterschied machen kannst, indem du clever fährst, Situationen richtig einschätzt und dir so einen Vorteil verschaffst.
Die neuen, fast 500 PS starken Gen3-Autos haben keine Servolenkung und sollen extrem schwer zu lenken sein. Deshalb haben Sie angeblich sechs Kilo zugelegt. Stimmt das?
Genau. In Mexiko habe ich 61 Kilo gewogen. Jetzt wiege ich 69. Mittlerweile sind es also acht Kilogramm, die ich schwerer bin als in Mexiko. Natürlich ist das nicht nur reine Muskelmasse, ich war aber z.B. gerade beim Training und habe jetzt hier einen Shake stehen. Ich werde also auch weiterhin versuchen, mein Gewicht hoch zu halten, damit ich das Lenkrad drehen kann. In Mexiko hatte ich teilweise echt Probleme, das Auto über die Renndistanz unter Kontrolle zu halten. Mexiko ist aber auch ein extrem mit den vielen aufeinanderfolgenden Kurven und den Bodenwellen.
Hatten Sie dieses Problem früher schon mal?
Nein. Ich war über Weihnachten aber auch lange krank und habe viel abgenommen. Mittlerweile habe ich keine Probleme mehr, aber die Lenkung kann trotzdem zur Gefahr werden. Wenn du einem Gegner hinten reinfährst, schlägt das Lenkrad unkontrolliert hin und her. Weil der Cockpitrand sehr nah ist, kannst Du in dem Moment deine Hand verletzten. Ob es dafür eine Lösung gibt, weiß ich nicht. Jedenfalls fährt man ja niemandem mit Absicht ins Heck (lacht).
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