Am Wochenende rast die Formel E in Berlin. Als WM-Führender kommt Pascal Wehrlein an den ehemaligen Flughafen Tempelhof. Wir haben mit ihm gesprochen.
Herr Wehrlein, Sie gehen als WM-Führender zu den beiden Heimrennen der Formel E in Berlin. Wie sehen Sie das Standing der Formel E im Moment?
Pascal Wehrlein (28): Meine Einladung beim Frühstücksfernsehen zeigt, dass das allgemeine Interesse an unserer Serie gestiegen ist. Das wiederum generiert neue Zuschauer. Als WM-Leader zum Heimrennen nach Berlin zu kommen, ist natürlich nochmal speziell. Es ist definitiv ein Highlight. Meine Familie ist vor Ort, viele Freunde. Das ist in Sao Paulo oder Südafrika nicht so möglich.
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Sie haben die DTM gewonnen, fuhren Punkte in der Formel 1 ein. Jetzt führen Sie die WM in der Formel E an. Wie hoch bewerten Sie gerade ihren Spitzenplatz und den Titel, falls Sie ihn gewinnen werden, im Vergleich zu den Erfolgen in den anderen Serien?
Es wäre definitiv der schönste Titel in der Karriere. Ein WM-Titel ist noch mal eine Steigerung zur DTM-Meisterschaft, auch wenn ich die ebenfalls hoch bewerte. Dort gewann ich 2015 und das ist schon eine Weile her. Heute weiß ich Erfolge noch viel mehr zu schätzen. Weil ich weiß, wie viel Energie und Arbeit dahintersteckt. Nicht nur vom Fahrer, sondern vom ganzen Team.
Es sind noch zehn Rennen zu fahren. Sie haben 24 Punkte Vorsprung. Wie geht man damit um? Weniger Risikobereitschaft?
In Südafrika bin ich genau mit diesem Gedanken ins Rennen gegangen. Und dann habe ich in der ersten Runde einen Fehler gemacht. Grundsätzlich denke ich aber daran, so viel Punkte wie möglich einzufahren. Wenn ich aber gewinnen kann, will ich es auch versuchen. Es ist oft ein schmaler Grat. Grundsätzlich bin ich aber niemand, der unnötige Risiken eingeht.
Ihr Kollege Réné Rast erzählte, dass er acht Kilo Muskelmasse zulegen musste, um mit der schwergängigen Lenkung klarzukommen. Ist es nicht merkwürdig, dass ein Formel-E-Auto so viel Hightech hat, aber die Lenkung – überspitzt ausgedrückt – noch an Zeiten der Pferdekutschen erinnert?
Wehrlein (lacht): Die Muckies habe ich mir schon vor drei Jahren antrainiert. Ich wiege zehn Kilo mehr als zu DTM-Zeiten. Ihr wollt doch richtige Männer in Rennautos sehen!? Im Ernst: Dass wir keine Servolenkung haben, ist wegen der Sicherheit ein Punkt, den man verbessern könnte. Mein Kollege Robin Frijns zum Beispiel hat sich die Hand wegen der Lenkung gebrochen. Obwohl die Aufprallgeschwindigkeit nicht hoch war. Darüber könnte man in der Tat mal nachdenken. Was das Sportliche betrifft: Ich habe nichts dagegen, hart im Auto arbeiten zu müssen.
Das heißt: Eine Frau könnte wegen ihrer körperlichen Voraussetzung ein Problem mit der Lenkung eines Formel-E-Auto haben…
Nein, es gibt sehr starke Frauen. Ich kann mir vorstellen, dass auch eine Frau bei uns erfolgreich sein kann.
Um aufs Sportliche zurückzukommen: Wer ist Ihr Lieblingsfeind, sprich größter Konkurrent?
Das ist schwierig zu sagen. Am Anfang war Andretti sehr gut, jetzt scheinen Jaguar und seine Partnerteams einen guten Job zu machen, ebenso DS. In der Formel E geht es sehr eng zu. Da entscheidet oft die Tagesform. Du kannst dir keine Fehler leisten, sonst bist du gleich hinten. Das ist aber auch das Faszinierende an der Serie. Wir waren am Anfang sehr gut aussortiert. Jetzt müssen wir das Level halten.
Verfolgen Sie die Formel 1 eigentlich noch? Sie sind noch relativ jung. Wäre eine Rückkehr ein Ziel?
Ja, ich verfolge einige Motorsportserien, natürlich auch die Formel 1. Dort fasziniert mich besonders Fernando Alonso. Was der heute in seinem hohen Alter noch leistet, ist der reine Wahnsinn. Er ist sowieso ein Phänomen und Ansporn. Fernando ist in der Formel 1 Turbomotoren gefahren, Saugmotoren, Hybridautos und und und…Er war immer Weltklasse. Was meine Zukunft betrifft: Ich bin offen für vieles. Auch einen Start in Le Mans könnte ich mit vorstellen. Aber das Wichtigste bei all diesen Gedanken ist: Ich bin total happy bei Porsche und kann mir gut vorstellen, meine Zukunft mit ihnen zu verbringen. Es ist für mich als Schwabe eine Ehre, bei Porsche fahren zu können. Dazu kommt: Ich wohne nur knapp 90 Autominuten von Stuttgart weg. Wenn ich morgens einen Anruf bekomme, mittags im Simulator zu sitzen, ist das kein Problem. Auch die räumliche Nähe genieße ich. Besonders seit ich Vater einer jetzt zehn Wochen alten Tochter bin.
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