So schnell kann es gehen. Noch vor der Saison 2019 boomte die GTE-Klasse bei den 24 Stunden von Le Mans. Mit Porsche, BMW, Ferrari, Corvette, Aston Martin und Ford haben sechs Hersteller um den Klassensieg in der rund 600 PS starken Gran-Tourismo-Klasse gekämpft. Weitere Automobilkonzerne wie Lamborghini und McLaren zeigten Interesse. Doch nun steht die Kategorie 2021 vor ihrer letzten Saison.
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Am Wochenende verkündeten die Betreiber der amerikanischen IMSA-Serie im Rahmen der 24 Stunden von Daytona, dass die GTLM-Klasse 2022 der neuen GTD-Pro-Kategorie weichen wird.
Begriffskunde: Die GTLM-Klasse (Gran-Tourismo-Le-Mans) in der IMSA wird mit den GTE-Fahrzeugen ausgefahren (Gran-Tourismo-Endurance), die auch bei den 24 Stunden von Le Mans und in der Sportwagen-WM (WEC) die GT-Spitze bilden. Die GTD-Klasse (Gran-Tourismo-Daytona) gibt es schon jetzt in der IMSA. Hier kommen GT3-Fahrzeuge zum Einsatz – wie zum Beispiel im ADAC GT Masters und ab 2021 auch in der DTM. Doch bisher betrieben die Hersteller in der GT3 nur Kundensport. Sie verkauften die Autos an Kundenteams, leisteten fallweise Werksunterstützung. Reine Werksteams waren aber nicht gestattet. Das wird sich 2022 mindestens in der IMSA ändern.
Wahrscheinlich nicht nur dort. Auch die WEC und die 24h von Le Mans werden 2022 oder 2023 wohl nachziehen, denn der GTE-Markt ist ausgedünnt.
Rückblende: 2010 war die GT-Szene in Le Mans noch unterteilt in GT1 und GT2. Doch die GT1 floppte. 2010 waren nur noch acht GT1 im Starterfeld, während die GT2 mit 17 Autos von sieben Herstellern (Porsche, Ferrari, BMW, Chevrolet Corvette, Spyker-Audi, Aston Martin und Jaguar) boomte. Also wurde die GT2 im Jahr 2011 zur GTE und in zwei Klassen unterteilt: Die GTE-Pro-Kategorie ist die Klasse für die Hersteller. Die GTE-Am-Klasse ist für den Kundensport und Amateurfahrer gedacht.
Beim ersten Le-Mans-Auftritt 2011 waren insgesamt 28 Autos von sieben Herstellern vertreten (18 in der GTE-Pro, zehn in der GTE-Am). Statt Jaguar kam Ford, statt Spyker-Audi starteten zwei Lotus-Toyota. Obwohl die GTE keine Chance auf den Gesamtsieg beim Langstreckenklassiker hatte, so blieb die GTE bis 2019 eine hart umkämpfte und bei Herstellern beliebte Meisterschaft.
Doch zuletzt reihten sich massenhaft Ausstiege aneinander: Ford zog sich Ende 2019 zurück, BMW startet seit 2020 nur noch in der IMSA (2021 auch dort nur noch bei ausgewählten Rennen), aber nicht mehr in der WEC oder in Le Mans. Porsche macht es genau umgekehrt (Ausstieg aus der IMSA, aber weiterhin zwei Autos in der WEC). Corvette ist ohnehin nur in der IMSA unterwegs und reist nur für den Klassiker in Le Mans über den großen Teich. Vor der Saison 2021 hat sich auch noch Aston Martin zurückgezogen, weil der neue Boss Lawrence Stroll den Fokus voll auf die Formel 1 legen will.
Und so schrumpfen die Starterfelder. Bei den 24 Stunden von Daytona waren am Wochenende nur noch sechs GTE-Fahrzeuge dabei, für die WM sind sogar nur vier Autos eingeschrieben (je zwei von Porsche und Ferrari). Den Klassensieg in Daytona holte sich übrigens Corvette.
Ganz anders sieht es bei den 2006 eingeführten GT3-Autos aus: In Daytona waren 19 Boliden von neun verschiedenen Herstellern genannt. Der Klassensieg ging an Mercedes – unter anderem mit dem Deutschen Maro Engel am Steuer. Mehr als ein Dutzend Hersteller haben GT3-Autos homologiert. Die Klasse ist weltweit ein Erfolg: Das GT Masters erwartet 2021 33 Autos im Feld, die DTM ebenfalls um die 20, in der asiatischen Le-Mans-Serie sind 19 GT3-Autos genannt, bei den 24 Stunden von Dubai vor zwei Wochen waren 17 GT3 mit von der Partie. Langstreckenrennen locken besonders viele Kundenteams an: Bei den 24 Stunden am Nürburgring 2020 waren es 31 GT3-Autos, bei den 24h von Spa sogar 56.
Der Erfolgsfaktor sind die geringeren Kosten. Technisch sind die Unterschiede nicht besonders groß. Die GTE haben ein anderes Fahrwerk, eine andere Aerodynamik, sind leichter und haben anders als GT3-Autos keine Fahrhilfen wie ABS und Traktionskontrolle verbaut. Allerdings besteht die Gefahr, dass GT3-Werksteams die Kosten ebenfalls nach oben treiben werden – wie das auch in der GT2- beziehungsweise GTE-Kategorie passiert ist.
Dass die Betreiber der WEC und der 24 Stunden von Le Mans dem Weg der IMSA folgen werden (GT3 statt GTE) gilt als äußerst wahrscheinlich. Ein Streitpunkt bleibt allerdings die GTE-Amateurkategorie. Die funktioniert nämlich bestens. 2021 sind 13 GTE-Am-Fahrzeuge in der WM genannt, was diese Kategorie zur größten im gesamten Feld macht. Porsche hat 2020 erst 10 GTE-Fahrzeuge an Kundenteams verkauft. Teams, die sich in solche Unkosten gestürzt haben, dürften der Idee, den GTE-Autos den Garaus zu machen, wenig Begeisterung entgegenbringen.
Ein Zwischenweg mit einer GT3-Profiklasse und der GTE-Amateurkategorie gilt allerdings als höchst unwahrscheinlich. Die meisten GTE-Kundenautos kommen schon heute nur noch von zwei Herstellern (Porsche und Ferrari stellen zehn der 13 Autos). Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese Kategorie fragil wird.
Der neue Le-Mans-Kategorienbaum wird also 2022, spätestens 2023 so aussehen: Hypercars und LMDh-Prototypen bilden die Spitzenklasse, die LMP2-Prototypen bleiben den Amateuren vorbehalten, womöglich kommt – wie in der IMSA – zudem die LMP3-Klasse (als Prototypen-Einsteigerkategorie) dazu. Die GTE-Klassen dürften dagegen gegen die GT3-Pro-Klasse ausgetauscht werden.
Den Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Daytona holte sich übrigens Wayne Taylor Racing mit einem Acura-Prototyp. Am Steuer saßen die früheren Indy-500-Sieger Hélio Castroneves und Alexander Rossi sowie Ricky Taylor und Filipe Albuquerque.
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