McLaren-Teamchef Andreas Seidl glaubt, dass Sebastian Vettel 2021 zurückschlagen wird. Er selbst will McLaren an die Spitze der Formel 1 zurückzuführen.
Eigentlich ist Sebastian Vettel (33) ein Gegner von McLaren und damit auch dem McLaren-Teamchef Andreas Seidl (45). Aber beide kennen und schätzen sich seit gemeinsamen Tagen bei BMW-Sauber. Vettel war damals Testfahrer, Seidl junger Ingenieur. Daher nimmt er den Heppenheimer im „AvD Motor & Sport Magazin“ auf Sport1 auch in Schutz.
Nach Vettels schlechtem Auftaktwochenende in Bahrain (missachtete gelbe Flaggen im Qualifying, Auffahrunfall mit Esteban Ocon; d. Red.) und der folgenden Kritikwelle sagt der Bayer: „Man muss die Kirche im Dorf lassen. Das war jetzt ein Rennwochenende, was nicht so gut lief – auch für das Team. Ich erwarte von ihm als viermaligen Weltmeister schon, dass er zurückschlagen wird.“
Wäre Seidl genauso entspannt nach einem solchen Patzer, wenn er selbst Vettels Teamchef wäre? „Das einzige, was wir nach so einer Szene von der Boxenmauer aus machen können: Fahrer wieder zu beruhigen und ihnen damit zu helfen, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren. Zunächst muss man mal eine halbe Stunde vergehen und die Gemüter abkühlen lassen. Dann muss man analysieren, was passiert ist und gegebenenfalls Schritte einleiten“, beschreibt Seidl.
Fest steht aber auch: McLaren hat letztes Jahr mit Vettels aktuellem Rennstall noch um Rang drei der Konstrukteurs-WM gekämpft. Auch 2021 will er den Deutschen und Aston Martin deshalb noch nicht abschreiben. „Das Fahren hat Sebastian auf keinen Fall verlernt“, glaubt der 45-Jährige. „Es hat seinen Grund, dass er viermaliger Weltmeister ist. Auch bei Ferrari hatte er richtig starke Rennen und die wird er auch mit Aston Martin haben. Ich denke, da werden wir dieses Jahr noch tolle Ergebnisse von Sebastian sehen.“
Für McLaren selbst ist die Zielsetzung klar: „Für uns ist wichtig, in diesem Jahr den nächsten Schritt zu machen – als Team, mit der Performance des Autos und wie wir zusammenarbeiten“, beschreibt Seidl. „Für uns wäre super, wenn wir den dritten Platz bestätigen können. Trotzdem sind wir realistisch: Wir waren aufgrund der Motorensituation etwas eingeschränkt in der Entwicklung, weil wir auf den Mercedes-Antrieb gewechselt sind. Wir haben starke Konkurrenz mit Alpha Tauri, Ferrari und anderen Teams. Ich sehe aber, dass wir definitiv wieder einen Schritt gemacht haben.“
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Zum Beispiel mit dem innovativen Unterboden. Mit einer vertikalen Finne am Übergang zwischen Unterboden und Diffusor haben die pfiffigen McLaren-Ingenieure ein Schlupfloch im Regelwerk gefunden. Seidl: „Wir haben toptalentierte und motivierte Ingenieure im Team. Und es ist immer schön, wenn sie Lösungen bringen, die anders sind als der Mainstream. Wie groß der Vorteil dieser Lösung sein wird, muss sich zeigen. Wir werden auch sehen, ob das eine oder andere Team die Lösung nachbaut. Sie funktioniert für unser Auto jedenfalls. Ich war sehr happy mit unserer Performance beim Auftakt.“
Aus dem Langfristziel macht Seidl kein Geheimnis: McLaren soll wieder ein Topteam werden. „Wir wollen Teil der Generation sein, die mit McLaren wieder um Siege und Weltmeisterschaft kämpft. Aber wir müssen realistisch sein. Wir haben noch ein paar gravierende Defizite im Vergleich zu den beiden großen Teams – auf der Seite der Infrastruktur zum Beispiel. So fehlt uns in Woking noch der Windkanal. Den wollen wir bald in Betrieb nehmen. Wir arbeiten an diesen Defiziten und haben vor zwei Jahren einen klaren Plan aufgestellt. Ich glaube auch, dass uns die Regeländerungen nächstes Jahr in Verbindung mit der Budgetobergrenze in diesem Jahr helfen werden. Mit dem Mercedes-Motor und unseren Fahrern sind wir auch super aufgestellt“, macht Seidl eine positive Bestandsaufnahme.
Der Passauer, der Porsche zu drei Siegen bei den 24 Stunden von Le Mans führte, ist ein Macher, ein Motivator, ein Mentor im Team. „Ich war Fußballer, habe dabei auch meine Liebe zum Teamsport entdeckt“, erinnert er sich. „Das Wichtigste für mich ist, dass jeder im Team erkennt, dass Motorsport eine Teamleistung ist.“
Deshalb hat McLaren auch keinen Nummer-1-Fahrer: Lando Norris und Daniel Ricciardo sind gleichberechtigt. „Ich hoffe, dass es ein harter Konkurrenzkampf zwischen den beiden wird, denn dann bringen sie die besten Leistungen“, glaubt Seidl. „Das hat in den letzten Jahren sehr gut funktioniert und wird auch weiter gut funktionieren. Wir haben mit Daniel jetzt auch einen Fahrer an Bord, der schon gezeigt hat, dass er Rennen gewinnen kann. Ich bin absolut überzeugt davon, dass wir auch dieses Jahr wieder eine Top-Fahrerpaarung haben.“
McLaren hat trotz der großen Regeländerungen 2022 auch die Saison 2021 noch nicht abgeschrieben. „Für mich ist es wichtig, dass wir das positive Momentum der letzten Jahre mitnehmen, deswegen wollen wir schon noch ein paar Updates am Auto bringen. Aber irgendwann müssen wir dann schon umstellen auf das nächstjährige Auto“, erklärt er.
McLaren ist also gerüstet für den Kampf um Rang drei – und den Kampf gegen Vettel.
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