Mercedes hat beim GP der Emilia Romagna in Imola den siebten Konstukteurs-Titel in Folge eingefahren. Eine Hymne auf das erfolgreichste Team der Formel-1-Neuzeit
Von Bianca Garloff und Ralf Bach
100 Hybrid-Siege seit 2014. Sieben Konstrukteurs-Titel in Folge. 200 Mal in den Punkten. Und auch der siebte WM-Pokal für einen Daimler-Piloten in Folge ist greifbar nah. Doch kaum eine Szene steht so für den Erfolg von Lewis Hamilton und Mercedes in der Formel 1, wie diese spontane Reaktion von Hamiltons Vater Anthony beim Wintertest in Barcelona 2020. Angesprochen auf die Gerüchte, sein Sohn könnte zu Ferrari wechseln, schüttelte der Brite angewidert den Kopf. „Niemals! Lewis wäre verrückt, die deutsche Technik von Mercedes zu verlassen!“ Damit hatte sich das Thema erledigt.
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Mercedes, Hamilton und Teamchef Toto Wolff: Seit heute ist es der erfolgreichste Dreiklang der Formel-1-Geschichte. Sieben auf einen Streich – so viele schaffte noch nicht einmal Ferrari in der Ära Schumacher-Todt. „Dieses Team hat mir geholfen, mein volles Potential auszuschöpfen“, zeigt sich Hamilton demütig. „Als ich zu Mercedes gewechselt bin, war es kein riskanter Move für mich, wie viele dachten. Ich habe an den Erfolg geglaubt. Wir haben nie Abkürzungen genommen und unsere Herangehensweise trotz der vielen Titel immer aufrechterhalten.“
Weiter, immer weiter. Ein Motto, das Teamchef Toto Wolff lebt wie kein Zweiter im Fahrerlager der Königsklasse. „Es geht nur, wenn man immer dranbleibt, sich konsequent verbessert und die Leute motiviert“, sagt auch AvD-Experte Christian Danner. „Das ist einer der Vorteile von Toto. Er ist ein Motivationskünstler, der gleichzeitig ein strammes Regiment führt.“
Das erinnert an Ferrari-General Jean Todt – und doch trennen Wolff und Todt in ihrer Herangehensweise Welten. Der heutige FIA-Präsident Todt brachte Zucht und Ordnung in das vorher chaotische Ferrari-Land. Er verschaffte sich Respekt mit Autorität und Angst, verbot beispielsweise Rotwein zum Mittagessen an der Rennstrecke. Wichtiger noch: Er dirigierte, die Musik spielten andere. Superhirn Ross Brawn entwickelte geniale Taktiken. Designgenie Rory Byrne dominante Autos. Mit einer eigenen Teststrecke und Bridgestone als exklusivem Reifenlieferanten zementierte Todt Ferraris Vormachtstellung.
Toto Wolff mag es – zumindest nach außen hin – lieber harmonisch. Er glaubt, dass die Summe aus Kleinigkeiten jenen Wohlfühlfaktor ergeben, der am Ende das Maximale aus jedem Mitarbeiter herausholt. Weil in Japan die Kopfkissen so hart sind, ließ Wolff zum GP in Suzuka einst jedem Mitarbeiter ein eigenes Daunenkissen einfliegen. Mit James Allison (Technik) und James Vowles (Taktik) setzt auch der Österreicher auf Experten an der Teamspitze.
Der heutige Liberty-Sportchef Ross Brawn (65) kennt beide Systeme. Unter Todt gewann er als Technikchef von Ferrari fünf WM-Titel mit Michael Schumacher. Bei Mercedes war er von 2010 bis 2013 Teamchef. 2014 übergab er das Zepter an Toto Wolff. Der Brite zu F1-Insider.com: „Die Chassisfabrik in Brackley arbeitet Hand in Hand mit der Motorschmiede in Brixworth. Das verhindert Reibungsverluste.“ Man könnte auch sagen: Bei Mercedes läuft es wie geschmiert. Brawn macht den Erfolg aber auch an den Personen fest: „Das Team ist eine verschworene Einheit. Viele Mitarbeiter arbeiten schon zehn Jahre zusammen. Und Toto kennt seine Stärken. Er lässt die Techniker die Technik machen und kümmert sich ums Budget.“
Dazu passt: Wolff ist längst auch einer der erfolgreichsten Teamchefs der Geschichte. Mehr WM-Titel haben nur noch Ron Dennis (McLaren/zehn Fahrertitel, sieben bei den Konstrukteuren) und Frank Williams (sieben Fahrerpokale und neun bei den Konstrukteuren).
Sein Erfolgsgeheimnis erklärt der „Bub aus Österreich“, wie er sich selbst angesichts dieser Erfolge heute nannte, bei F1-Insider.com so: „Mir ist ein offenes Gesprächsklima wichtig. Tough love – also Unterstützung und gnadenlose Offenheit. Wir machen das in Anlehnung an die Airline-Industrie, wo jeder Unfall bis ins kleinste Detail analysiert wird, damit er nicht mehr passiert. Dazu brauchen die Leute das Vertrauen, dass sie ihre Fehler ohne Folgen anzeigen können.“ Wolff weiter: „Unsere Philosophie für alle 1500 Mitarbeiter lautet: Sieh es, sage es, korrigiere es. Zeige aber nie mit dem Finger auf Personen, sondern auf das Problem. Politik dulde ich nicht, denn wir haben alle ein gemeinsames Ziel: mit Mercedes Rennen zu gewinnen.“
Das hat Mercedes nun schon sieben Saisons in Folge geschafft.
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