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Mercedes: Wer ist hier der Boss?

Lewis Hamilton Boss

Unser Formel-1-Reporter Ralf Bach schreibt in seiner Kolumne über Lewis Hamilton und Mercedes beim GP Singapur 2019.

Wer jahrelang mit goldenen Löffeln das Essen geradezu in sich hinein geschaufelt hat, ist plötzlich mit silbernem Besteck und kleineren Portionen nicht mehr zufrieden.Ausgerechnet Vorzeige-Veganer und Mercedes-Superstar Lewis Hamilton (34) hat sein Luxusproblem nach der für ihn dritten Schlappe in Folge in der Nacht von Singapur deutlich ausgelebt. Der vierte Platz war für ihn wie eine Niederlage. Der dritte Ferrari-Sieg in Folge wie ein Tritt in den Hintern.

Sein immer noch beruhigender Vorsprung in der WM , weil er in der ersten Saisonhälfte das mit Abstand beste Auto zur Verfügung hatte – Schnee von vorgestern. 96 Punkte liegt der britische Superstar noch vor Ferrari-Pilot Charles Leclerc und Red-Bull-Supertalent Max Verstappen, die gemeinsam auf Platz drei der Rangliste liegen.

65 Zähler liegt Hamilton vor dem Zweiten, Teamkollege Valtteri Bottas. Der aber ist nicht der Gegner auf dem Weg zu seinem sechsten Titel. Der Finne, dem Mercedes erst kürzlich auch für 2020 einen Platz neben Hamilton gegeben hat, muss in dieser Saison weiterhin den Diener für Lewis Superstar spielen. Das musste er in Singapur schmerzlich feststellen, als er vom Team gebeten wurde, nach seinem früheren Boxenstopp langsam zu fahren, um bloß nicht vor Hamilton zu liegen, wenn der seinen Pflichtstopp absolviert hat.

Credit Mercedes

Lewis Hamilton war beim Singapur-GP nicht zufriedenAllein: Dass Hamilton in der Fahrerhierarchie bei Mercedes das Sagen hat, ist genauso klar wie das ein Papst katholisch ist. Aber nach dem GP von Singapur gibt es deutliche Zeichen, dass auch die Teamführung nach der Pfeife von Hamilton tanzt.Wer ist hier also der Boss? Teamchef Toto Wolff brach jedenfalls abrupt ein Fernsehinterview mit einem französischen Sender ab, als der verärgerte Hamilton ihm mit blitzenden Blicken deutlich machte, er müsse jetzt mit ihm reden. Und zwar sofort.

„Mir wurde gesagt zu gehen“, waren die entschuldigenden Worte des Wieners an die verdutzten Reporter. Starker Stoff, denn bei Ferrari trauen sich das die Piloten nicht. Bei Red Bull erst recht nicht. Helmut Marko beim Interview unterbrechen? Dann könnten die Piloten gleich danach ihre Papiere nehmen.Bei Mercedes aber scheint das problemlos zu funktionieren. Denn zuvor schon hatte Hamilton den emsigen Chefstrategen James Vowles ins Achtung gestellt. Der Brite, der Hamilton noch in Ungarn mit einer genialen Strategie den Sieg bescherte und zum Dank mit aufs Podium durfte, hatte diesmal mit seiner Taktik ins Klo gegriffen.

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Mehr noch: Hamilton sprach nach dem Rennen so, wie es normalerweise ein Teamboss macht. „Ferrari ist hungriger als wir“, bemerkte der Veganer, „wir müssen wieder einen besseren Job machen.“ Damit meinte er aber – logisch – nicht sich. Er warnt sogar schon davor, die WM noch zu verlieren. „Ich mache mir nichts vor: Mein Vorsprung könnte bald weg sein.“Fest steht: Das Rennen in Sotschi am Sonntag mit seinen langen Geraden galt schon vor dem in Singapur extrem verbesserten Auto der Scuderia als Ferrari-Strecke. Kann gut sein, dass Hamilton dann noch kleinere Brötchen backen muss. Es könnte also lustig werden. In jeder Beziehung.

*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.

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