Nach acht von 14 Etappen liegen drei Toyota an der Spitze. Drama um Audi
Unfälle seitens der Favoriten. Sturzflutartige Regenfälle, die das Biwak absaufen ließen. Überraschende Neulinge. Diskussionen ums Reglement. Die erste Hälfte der Rallye Dakar bot jede Menge Dramen auf und abseits der Strecke. Nach acht von 14 Etappen erreichten die Vorjahressieger Nasser Al-Attiyah/Matthieu Baumel den Ruhetag in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad als Führende.
Der Vorsprung des katarisch-französischen Gespanns beträgt bereits mehr als eine Stunde. Ihre südafrikanischen Kollegen im Toyota-Werksteam, Henk Lategan/Brett Cummings, und Lucas Moreas/Timo Gottschalk im privaten Toyota komplettieren die Top-3.
Während bei Toyota alles nach Plan läuft, ist von den als Mitfavoriten gehandelten Audi-Piloten unter den Top-10 keiner zu finden. Der frühere Rallye-Weltmeister Carlos Sainz konnte sich die Hoffnungen auf seinen vierten Dakar-Sieg schon nach der dritten Wertungsprüfung abschminken. Durch einen Aufhängungsschaden verlor er rund 45 Minuten.
Drei Tage später sorgte ein nach einem Sprung abgerissenes Rad für insgesamt 28 Stunden Zeitverlust. Seitdem fungiert Sainz hauptsächlich als „Wingman“ für Mattias Ekström im dritten Werks-Audi. Beispielsweise, als der zweimalige DTM-Champion einen Stein übersah und mit gebrochener Radaufhängung strandete. Sainz opferte die geforderten Teile aus seinem Auto. Anschließend wartete er stundenlang auf den Service-Lkw des Teams.
Teamkollege Stéphane Peterhansel war zu diesem Zeitpunkt schon ganz aus dem Rennen. Der 14-malige Dakar-Sieger aus Frankreich lag nach fünf Etappen noch in Schlagdistanz zu Spitzenreiter Al-Attiyah. Am nächsten Tag unterschätzte er dieselbe Düne wie Carlos Sainz. „Der Aufprall bei der Landung war so heftig, dass ich kurzzeitig das Bewusstsein verlor“, berichtete Peterhansel hinterher. Beifahrer Edouard Boulanger erwischte es sogar noch heftiger. Er wurde mit Wirbelbruch ins Krankenhaus geflogen.
Durch die Dramen bei Audi erledigten sich lebhafte Diskussionen um eine kurzfristige Änderung der „Balance of Performance“ von selbst. Die elektrisch angetriebenen Allradler bekamen nach drei Etappen eine Leistungssteigerung um 14 PS auf dann 362 PS zugestanden. Ausschlaggebend waren die von FIA-Offiziellen ausgewerteten Daten über die Beschleunigung von 70 auf 150 km/h.
In dieser Disziplin entpuppte sich keines der Werksautos als Spitzenreiter, sondern die privat aufgebauten Hunter. Einen der mit 3,5-Liter-Turbomotor von Ford ausgestatteten Allradler fährt der neunmalige Rallye-Weltmeister Sébastien Loeb. „Loeb fährt uns beim Beschleunigen einfach weg“, erkannte nicht nur Audi-Werksfahrer Peterhansel.
Das sahen auch die Offiziellen so. Sie ermittelten Toyota auf Rang zwei vor Audi. Deswegen genehmigten sie den deutschen Werksautos eine Leistungssteigerung. „Zu diesem frühen Zeitpunkt ist das Blödsinn“, ereiferte sich Toyota-Star Al-Attiyah, dessen Pickup ebenfalls von einem 3,5-Liter-Turbomotor angetrieben wird. „Die schweren Dünenetappen kommen erst noch. Dort hat Audi durch den Elektroantrieb klare Vorteile.“ Den sie nach den Dramen in der ersten Rallye-Hälfte nun in der Gesamtwertung nicht mehr ausspielen können.
Auch Sébastien Loeb halb es nur begrenzt, dass sein Auto am besten beschleunigt. Nach zahlreichen Reifenschäden und einem Aufhängungsschaden liegt der Franzose nach acht Etappen zwar auf Rang vier, hat aber bereits fast zwei Stunden Rückstand auf Spitzenreiter Al-Attiyah. Auf Loeb folgt der Südafrikaner Giniel de Villiers im dritten Werks-Toyota. Starker Sechster ist der ehemalige Porsche-Werksfahrer und zweimalige Le-Mans-Sieger Romain Dumas in einem weiteren privaten Toyota.
Das Wetter wirbelte den Zeitplan der ersten Rallye-Halbzeit kräftig durcheinander. Temperaturen unter zehn Grad machten vor allem den Motorradfahrern vom Start weg zu schaffen. Auf dem Weg nach Ha’il sorgten heftige Regenfälle mitten in der Wüste für ungeplante Flussdurchfahrten, in denen einige Teilnehmer regelrecht baden gingen. Sogar durchs Biwak flossen kleine Bäche. Die Etappe wurde gekürzt.
Drei Tage später musste das Nachtlager sogar ganz aufgegeben und nach Riad verlegt werden. Sintflutartiger Regen hatte den Boden derart aufgeweicht, dass schon die Aufbaumannschaft des Veranstalters bis zu den Achsen im Schlamm versank. Die folgenden beiden Tagesetappen mussten komplett umgebaut werden.
Bestplatzierter Deutscher ist Timo Gottschalk, Beifahrer von Dakar-Neuling Lucas Moraes im privaten Toyota. Das brasilianisch-deutsche Duo erreichte die Halbzeitpause auf Rang drei. „Lucas fährt hier wie ein alter Hase. Er hält ein hohes Tempo ohne überflüssige Risiken“, lobt Gottschalk seinen 32 Jahre alten Fahrer. Die beiden arbeiten erst seit Ende des letzten Jahres zusammen, weil Teamchef Jean-Marc Fortin einen Dakar-Routinier als Lehrmeister für Moraes suchte. Gottschalk feierte bei bisher 15 Teilnahmen einen Sieg – 2011 als Copilot von Nasser Al-Attiyah.
Pech hatte dagegen Dirk von Zitzewitz, aus Schleswig-Holstein stammender Beifahrer von Lokalheld Yazeed Al-Rajhi. Die beiden belegten im privaten Toyota zeitweise Rang drei. Eine gebrochene Radaufhängung während der sechsten Etappe warf sie jedoch um fünf Stunden zurück. „Außerdem habe ich starke Rückenschmerzen. Ich hoffe, dieses Problem lässt sich am Ruhetag beseitigen“, hofft von Zitzewitz auf die Pause in Riad am Montag.
Einziger deutscher Fahrer in der Auto-Klasse ist Daniel Schröder. Der in Südafrika lebende Nissan-Privatier startet von Zwischenrang 29 in die zweite Halbzeit der Rallye.
Vor den Teams stehen dann ab Dienstag sechs kürzere, nach Ankündigungen des Veranstalters aber noch schwerere Prüfungen. Sie führen mitten hinein in das „Empty Quarter“, die größte Sandwüste der Welt. Ziel ist am Sonntag die Hafenstadt Dammam.
Christian Schön
1. Al-Attiyah/Baumel (Toyota), 31:02.58 Stunden
2. Lategan/Cummings (Toyota), +1:03.36 Stunden
3. Moraes/Gottschalk (Toyota), +1:20.22 Stunden
4. Loeb/Lurquin (Hunter), +1:52.06 Stunden
5. De Villiers/Murphy (Toyota), 2:04.20 Stunden
6. Dumas/Delfino (Toyota), +2:27.11 Stunden
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