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Aston Martin: Maulkorb für Sebastian Vettel?

Formel 1 Sebastian Vettel Aston Martin Katar GP 2021

Sebastian Vettel. Credit: Aston Martin

Sebastian Vettel gibt sich ungewohnt schweigsam beim Formel-1-Rennen im Emirat Katar, das für seine Verstöße gegen Menschenrechte in der Kritik steht. Eine Kolumne von Ralf Bach

Eins haben die Formel-1-Bosse vom Vermarkter Liberty und Sebastian Vettels (34) Aston-Martin Chef Lawrence Stroll gemein: Statt der Pandemie-Schutzmaske würden sie dem vierfachen Weltmeister lieber einen Maulkorb anlegen, damit er nicht mehr weiter seine Umweltthemen und Aufrufe für Gleichberechtigung aller Menschen verbreitet.

Vettels Erzählungen von seinem Besuch auf der Bio-Farm von Pedro Diniz in Brasilien waren die letzten offenen Worte des Aktivisten mit der Superlizenz zum Kämpfen für das Wahre und Gute. 

Sebastian Vettel. Credit: Aston Martin

Offenbar steht der Rebell jetzt mit dem Rücken zur Wand. Seit dem Rennen in Brasilien jedenfalls redet Vettel nur noch weichgespült, als sei er auf Bewährung. Kein Regenbogenhelm mehr (wie Lewis Hamilton), kein T-Shirt, keine markige Aussage zur Ausbeutung von Arbeitsmigranten in Katar. Vettel weicht den Fragen aus wie auf der Rennstrecke dem zu hohen Kerb.

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Das lässt nur einen Schluss zu, denn der Heppenheimer hat ganz sicher nicht von heute auf morgen seine Ansichten geändert. Also muss ihm jemand nahegelegt haben, sich zurückzuhalten mit seiner ständigen Kritik. Getreu dem Motto: Er schade seinem Sport, durch den er schließlich eine Menge Geld verdient habe. Ein nachvollziehbares Argument aus der Sicht der Formel-1-Macher rund um Stefano Domenicali, denen es, machen wir uns nichts vor, am Ende vor allem ums Business geht.

Vettels Aussagen passen nicht zur Strategie von Aston Martin

Mehr noch: Auch Aston-Martin-Besitzer Lawrence Stroll kann nicht glücklich sein mit einem aufmüpfigen Hessen. Denn: Sein britischer Hersteller von Luxussportwagen hat weder die nachhaltigen Hybridmotoren noch reine Elektroautos in der Modellpalette. Gut möglich, dass es dem kanadischen Milliardär, der bekanntlich keine Gefangenen macht, gar nicht gefällt, wenn ausgerechnet der teuerste Angestellte der James-Bond-Marke durch seine Nachhaltigkeitspredigen durch die Blume darauf hinweist. 

Wie auch immer: Schon in Katar trug der Druck der mächtigen Manager Früchte. Denn warum sonst wirkte Vettel in Doha plötzlich wie ein zahnloser Tiger? Seine Körpersprache war die eines Zwölfjährigen, der gerade beim Rauchen auf der Toilette erwischt wurde.

Das Dilemma: Auch sportlich gibt es kaum noch Möglichkeiten, positiv auf sich aufmerksam zu machen. Während Lewis Hamilton mit einem frischen Mercedes-Antrieb in Richtung Titel rast, kämpft Sebastian Vettel mit seinem Motor. In Brasilien fiel auf, dass dem Mercedes-Antrieb im Heck von Vettels Aston Martin deutlich Power fehlte. Mit 316 km/h belegte der Heppenheimer bei der Top Speed-Messung (Speed Trap) den vorletzten Platz. Vettels Schneckenmotor ist eine Folge der Mercedes-Zuverlässigkeitsprobleme in diesem Jahr.

Das Schlimmste aber ist: Der Ex-Champion muss sich jetzt entscheiden. Weiter nachgeben oder die Formel 1 wieder als Plattform nutzen, um für eine bessere Zukunft zu kämpfen. Wie in Ungarn, als er sich trotz Bitte der Vermarkter weigerte, sein Regenbogen-Shirt während der Nationalhymne auszuziehen. Weil er ja es genau deshalb tragen würde, um auf die politischen Verhältnissen, welche die Orban-Regierung geschaffen hat, hinzuweisen.

In Katar am Sonntag oder zwei Wochen später in Saudi-Arabien hätte er wieder Gelegenheit, auf Missstände hinzuweisen. Doch es wird vermutlich keinen Sunday for Future mehr geben. Weil er erst mal Zeit gewinnen will. Denn, weil ich ihn kenne: Er will im nächsten Jahr noch mal um Siege und Podestplätze fahren.

Der Hesse hofft, dass dann das neue Fahrzeugreglement seinen Aston Martin wieder nach vorne spült. Sollte das indes nicht der Fall sein, kann ich für nichts garantieren. Es wäre dann keine Überraschung für mich, wenn er noch während der Saison den Helm an den Nagel hängen würde. Denn bei einem bin ich mir sicher: Kompromisse mit seinem Gewissen wird der vierterfolgreichste Formel-1-Pilot aller Zeiten nur noch eingehen, wenn er um Siege fahren kann.

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