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Todt über Schumacher: „Die beste Zeit meines Lebens“

Todt Schumacher Suzuka 2000. Credit: F1-Insider.com

Todt Schumacher Suzuka 2000. Credit: F1-Insider.com

Am 8. Oktober vor 20 Jahren holte Michael Schumacher seinen ersten WM-Titel mit Ferrari. F1-Insider.com-Expertin Bianca Garloff hat 2018 mit Ex-Teamchef Jean Todt über genau diesen Moment gesprochen.

Herr Todt, Sie halten Ihre schönste Erinnerung mit Schumi in Händen.

Jean Todt: Genau. Suzuka 2000. Das Foto von Michael und mir auf dem Podium. Das hängt bei mir zu Hause, aber auch in meinen Büros in Genf und Paris. Die Zeit mit Michael wird mir immer als die beste meines Lebens in Erinnerung bleiben. Wir lieben uns, weil wir gemeinsam eine unglaubliche Geschichte geschrieben haben. Und weil wir in schweren Zeiten immer zusammengehalten haben.

Warum ist dieses Bild so speziell für Sie?

Dieses Foto zeigt den Grund, warum ich von Ferrari angeheuert wurde. Und warum ich Michael geholt habe. Das war 1996, lange bevor wir gemeinsam den Titel geholt haben. Fast schafften wir es 1997, fast auch 1998. Als es 2000 in Suzuka endlich so weit war, sagte ich zu Michael auf dem Weg zum Podium: Unser professionelles Leben wird nie wieder sein wie zuvor. Wir haben die Erwartungen ­aller erfüllt. Nicht nur der Fans in Italien, sondern weltweit.

War der Druck so groß?

Natürlich. Jeder hat mich ständig gefragt: Wann wird es passieren? Wann holt ihr endlich wieder einen Titel? Sie müssen sich vorstellen: 21 Jahre lang war kein Ferrari-Fahrer mehr Weltmeister geworden. Ein paar Jahre später bekam ich dann die Frage: Wann verliert ihr endlich mal wieder (lacht)? Sie hatten alle die Nase voll von unserer Dominanz. Aber die Dinge haben sich eigentlich gar nicht geändert. Wir dachten, der Erfolg macht uns satt. Aber wir hatten so viel Leidenschaft für diesen Sport, dass der Hunger nach Erfolg nie nachgelassen hat.

Todt im Interview

Erinnern Sie sich noch an das erste Mal, als Sie Michael getroffen haben?

Natürlich. 1994 waren wir in Spa im selben Hotel und haben ein paar Worte gewechselt, mehr nicht. Ich war dann mit seinem Manager (Willi Weber; d. Red.) in Kontakt. Michael ­habe ich 1995 in Monte Carlo wiedergetroffen. Ende Juli. Alles begann in meinem Hotelzimmer im Hotel de Paris mit dem Ferrari-Anwalt Henry Peter. Michael kam mit Willi Weber. Wir wollten dann in einem anderen Zimmer verhandeln, aber das war schon ausgebucht. Also landeten wir in Michaels Wohnung in Fontvieille. Ralf war auch da. Gegen Mitternacht haben wir den Vertrag unterschrieben. Für mich war er der einzige Fahrer, der Ferrari wieder zum Weltmeister machen konnte.

Warum?

Es war die Kombination aus großem Talent, absoluter Hingabe und Loyalität. Und er war die Referenz – auch für die Techniker und Ingenieure. Wenn es schlecht läuft, dann neigen die Italiener dazu, sich gegenseitig die Schuld zuzuweisen. Die Chassis-Bauer sagen, es liege am Motor. Die Motor-Ingenieure sagen, das Chassis sei zu schlecht. Oder wir haben nicht die richtigen Fahrer. Es gibt immer irgendeine Ausrede. Indem ich Michael verpflichtet habe, habe ich zumindest eines dieser Probleme gelöst. Niemand konnte mir sagen, er sei kein guter Fahrer, immerhin war er gerade zweimal Weltmeister geworden. Das war ein wichtiger Schritt. Michael sorgte bei Ferrari für ­eine Ausrede weniger und schaffte es so, auch die Teammitglieder zu motivieren. Er war mehr als ein Fahrer.

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Was hat die Kombination aus Ihnen, Michael und Ross ­Brawn als Technischer Direktor so besonders gemacht?

Die schweren Zeiten bis zum ersten Titel – die Zeiten, als wir verloren haben. Denn es hat ja nicht gleich so funktioniert wie erwartet. Wir hatten ein paar technische Defekte zu viel, und der Druck war groß, mich zu feuern. Zu der Zeit hatte ich einen guten Kontakt zu Michael, wir haben uns respektiert, aber er war kein Freund. Ich war immerhin sein Boss. Als er auf meine Situation angesprochen wurde, sagte er allerdings: Wenn Jean gehen muss, gehe ich auch. Und tatsächlich hatte er im Vertrag eine Klausel, dass er frei sei, wenn ich Ferrari verlassen würde. Also hat er mir damit geholfen zu bleiben.

Umgekehrt haben Sie ihn aber auch beschützt.

Genau. In Jerez 1997 (Ramm­stoß gegen Jacques Villeneuve im WM-Finale; d. Red.). Da hatte er ganz klar die Kontrolle über sich verloren. Auch die Strafe war hart: Disqualifikation im Rennen und auch in der WM. Wir hatten also schon einige Kontroversen auszufechten. Und da war natürlich auch ein Michael Schumacher geschwächt. Trotzdem stand ich immer hinter ihm. Ich habe ­seine Emotionen und den Schmerz im Cockpit verstanden. So kam ich ihm immer ­näher. Aber es wurde ja nicht gleich besser. 1998 haben wir die WM wieder verloren, u. a. wegen des blöden Unfalls in Spa, wo wir ihn bremsen mussten, als er hoch emotional zu David Coulthard lief. 1999 brach er sich das Bein, ohne Ferrari dafür öffentlich die Schuld zu geben. All das hat Respekt und vor allem Freundschaft entstehen lassen. Viele Leute haben ihn oft als arrogant und hart bezeichnet. Dabei ist er einfach nur schüchtern.

Auch nach seinem tragischen Skiunfall waren Sie immer an seiner ­Seite. Jetzt will sich sein Sohn Mick seine Sporen in der Formel 1 verdienen.

Ich erinnere mich, dass Michael früher oft seinen Sohn mit nach Italien gebracht hat. Dann hat er meistens bei mir zu Hause geschlafen. Damals hatte ich einen Garten mit Hühnern, und Mick hat die gemeinsam mit meiner Frau Michelle immer gejagt. Heute ist er ein erwachsener Mann. Es ist wichtig, dass Mick etwas tut, das er genießt, was ihn glücklich macht. Gleichzeitig ist es wichtig für ihn, erfolgreich zu sein, weil der Druck so groß ist. Die Leute erwarten verständlicherweise viel von ihm. Es ist wichtig, ihn auf seinem Weg zu beschützen.

https://f1-insider.com/f1/f1-news-vettel-ferrari-nuerburgring-gp-eifel-1/

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