Großer Schock für die Formel 1 vor dem Auftaktrennen in Australien: Renndirektor Charlie Whiting ist in Melbourne plötzlich gestorben. Der Nachruf unseres Reporters Ralf Bach.
Die Nachricht schockte nicht nur die Formel-1-Gemeinde in Australien. Charlie Whiting ist tot. Am Mittwochabend ging er nach einem normalen Arbeitstag in Melbourne ins Bett und wachte am Morgen nicht mehr auf.
Eine Lungenembolie beendete in der Nacht das Leben des Rennleiters. Mit 66 Jahren. Als er am Morgen nicht in der Hotellobby erschien, um mit seinen Kollegen zur Strecke zu fahren, sah der Hotelmanager nach. Wiederbelebungsversuche scheiterten.
Ich kannte ihn als Menschen mit hintergründigem Humor, der immer transparent war und sich immer die Zeit nahm, Fragen zu beantworten und zuzuhören. Entweder im Fahrerlager oder am Handy.
Einen Nachruf schreiben, der den Menschen hinter dem FIA-Rennleiter am besten beschreiben kann, können andere besser. Andere, die schon mit ihm um die Häuser zogen, als er in den 70ern Chefmechaniker in Bernie Ecclestones Brabham-Team war.
Zum Beispiel mein Kollege und Freund Fredrik af Petersens. Freddy ist schon gefühlte 100 Jahre in der Königsklasse dabei, er begleitete seine schwedischen Landsleute Ronnie Peterson und Gunnar Nilsson und eben auch Charlie Whiting. Das war in einer Zeit, als Rennfahrer, Journalisten und Mechaniker wie damals Whiting noch richtige Kumpels waren.
Freddy verlor Ronnie Peterson 1978 durch eine Embolie nach seinem schweren Unfall beim Italien GP in Monza 1978 und vier Wochen später Gunnar Nilsson, der den harten Kampf gegen den Krebs verlor. Und jetzt Charlie Whiting. „Charlie war einer der letzten Gentlemen in der Formel 1“, sagte mir ein hörbar betroffener Freddy. „Jetzt gibt es nur noch Ross Brawn, der meiner Meinung nach diese Bezeichnung verdient. Charlie war immer ehrlich. Wenn er A sagte, meinte er auch A. Er redete nie um die Wahrheit herum.“
Wer Charlie Whiting vermutlich am besten kannte, war Bernie Ecclestone. Bernie und er waren schon bei Brabham eine Einheit. Als er Brabham verkaufte, sorgte Bernie dafür, dass Charlie bei der FIA unterkam. Zunächst als Technischer Delegierter, später als Renndirektor. Ecclestone erfuhr am Donnerstagmorgen von FIA-Chef Jean Todt, dass Charlie tot ist.
Obwohl Bernie ein Krieger ist, der nach innen blutet und so gut wie nie Gefühle zeigt, bemerkte ich bei ihm diesmal unendliche Traurigkeit. „Charlie war einer der ganz wenigen Menschen, denen ich vertrauen konnte“, erzählt Bernie mit belegter Stimme. „Bei mir war er nur auf dem Papier Chefmechaniker. In Wahrheit führte er das Team, weil mir kaum Zeit dafür blieb. Und alle mochten ihn. Wenn es überhaupt was Positives zu sagen gibt, dann das: Er legte sich happy wie immer ins Bett und wachte einfach nicht mehr auf. Wenn ich mal gehen muss, will ich das auch wie Charlie machen. Lebe wohl, mein Freund.“
Stimmen aus dem Fahrerlager:
Formel-1-Sportchef Ross Brawn: „Das ist nicht nur für mich ein großer Verlust, sondern für die ganze Formel-1-Familie, die FIA und den gesamten Motorsport.“
FIA-Präsident Jean Todt: „Die Formel 1 hat in Charlie einen treuen Freund und charismatischen Botschafter verloren.“
Red Bull-Teamchef Christian Horner: „Charlie hat eine Schlüsselrolle in diesem Sport gespielt, er war als Renndirektor für viele Jahre der Schiedsrichter und die Stimme der Vernunft.“
Ferrari-Star Sebastian Vettel: „Ich habe gestern mit ihm gesprochen, bin mit ihm die ersten paar Kurven gelaufen. Es ist schwierig zu verstehen, wenn jemand einfach nicht mehr da ist.“ Whiting sei „der Mann der Fahrer“ gewesen. „Es gibt die Regeln und uns, er war die Verbindung. Jeder konnte ihn jederzeit fragen, seine Tür war immer offen. Er war ein Racer und einfach ein sehr netter Mensch.“
Mercedes-Pilot Valtteri Bottas: „Er hat so viel für den Sport getan, den wir lieben.“
Als Nachfolger von Whiting wird Michael Masi den Grand Prix in Australien leiten. Der Australier war zuletzt Rennleiter bei den australischen V8Supercars. Whitings Stellvertreter war zuletzt der Amerikaner Scot Elkins.