Sebastian Vettel spricht über seine neue Herausforderung bei Ferrari und die Vergleiche mit Michael Schumacher. Das Interview aus dem SPORT BILD Sonderheft Motorsport in Auszügen.
SPORT BILD: Herr Vettel, nach den ersten Wochen bei Ferrari: Sind Sie immer noch in romantischen Flitterwochen, oder hat sich schon der Alltag eingestellt?
Sebastian Vettel (27): Na ja, romantische Flitterwochen würde ich das Ganze so oder so nicht nennen. Sagen wir mal so: Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und habe mich auch sofort wohlgefühlt. Aber in erster Linie haben meine Besuche in der Fabrik dazu gedient, die Leute und die Abläufe bei Ferrari besser zu verstehen und kennenzulernen.
Der Alltag also!
Wir sind ja schließlich nicht zum Spaß unterwegs, sondern haben uns Ziele gesetzt, die wir schnellstmöglich erreichen wollen. Bei den Tests hat sich natürlich schon ein gewisser Alltag eingependelt. Den muss es aber geben, um erfolgreich zu arbeiten. Allerdings würde ich sagen: Es ist ein sehr spannender Alltag, weil ja insgesamt alles noch so neu für mich bei Ferrari ist.
Gleich beim ersten Test überraschten Sie mit Bestzeiten. Wie haben die Ihre Saisonziele beeinflusst?
Gar nicht. Der erste Eindruck bei den Tests war gut, aber man muss den Ball erst mal schön flach halten und dem Ganzen Zeit geben. Was ich weiß, ist, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Ferrari ist ein Team, das sich gerade im Umbruch befindet. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich jeder wohlfühlt und zurechtgefunden hat in seiner neuen Aufgabe – mich eingeschlossen. Aber, klar: Wir sind alle sehr zuversichtlich. Wir haben alle ein gemeinsames großes Ziel: Schritt für Schritt nach vorn zu kommen, den Anschluss zu schaffen und hoffentlich bald ganz vorn mitzumischen.
Haben die Test-Bestzeiten wenigstens motiviert?
Das war gar nicht nötig, da spielen Rundenzeiten keine Rolle. Meine Motivation kann nicht größer sein. Ferrari ist für mich eine neue Herausforderung.
Welche Unterschiede konnten Sie bereits zu Red Bull feststellen?
Früher war alles blau, was jetzt rot ist …. (lacht). Scherz beiseite, natürlich gibt es immer Unterschiede, wenn man das Team wechselt. Das liegt allein schon an den verschiedenen Kulturen der Teams. Die Sprache ist anders, man spricht zwar von ein und derselben Sache, aber verwendet andere Ausdrücke. Es ist auch klar, dass sich das Auto ganz anders anfühlt und sich dementsprechend auch anders fahren lässt. Das fängt schon mit dem Lenkrad an, das ein anderes Layout als bei Red Bull hat (siehe Seite 38; d. Red.). Besonders im Detail gibt es sehr viele Unterschiede. Die wesentlichen Tagesabläufe an den Rennwochenenden sind aber grundsätzlich gleich geblieben.
Sie haben schon als Kind von Ferrari geträumt …
Stimmt. Für mich ging mit meinem Wechsel zu Ferrari in der Tat ein Kindheitstraum in Erfüllung, weil ich natürlich immer das Bild von Michael in seinem roten Auto vor mir hatte. Auch den Weg bis zu seinem ersten Titel habe ich noch im Kopf.
Sie wandeln auf den Spuren Ihres großen Idols Schumacher. Ist das Bürde, Verpflichtung oder Ansporn?
Einen Fahrer mit Michael zu vergleichen ist so gut wie unmöglich. Was Michael erreicht hat, ist einmalig. Er hat in seiner eigenen Liga gespielt.
Haben Sie mit Schumacher mal über einen Wechsel zu Ferrari gesprochen?
In den letzten Jahren haben wir natürlich auch darüber gesprochen. Er kennt ja das Team wie kein anderer. Konkret geworden sind wir aber nicht. Leider ist es im Moment ja auch so, dass ich meine Begeisterung und Freude nicht mit ihm teilen kann. Aber ich wünsche mir natürlich, dass es ihm bald wieder besser geht – und dass ich ihm die Nachricht dann auch persönlich überbringen kann.
Haben Sie das Gefühl, dass die Italiener in Ihnen den logischen Nachfolger von Schumacher sehen?
Es ist immer wieder etwas ganz Besonderes für mich, mit Michael verglichen zu werden. Und ich freue mich auch, dass ich von allen bei Ferrari so herzlich aufgenommen wurde. Trotzdem: Ich bin nicht Michael, sondern Sebastian. Und ich muss und werde meinen eigenen Weg gehen.