Sebastian Vettel ist vom Lausbub zum nachdenklichen Kämpfer für eine bessere Welt geworden. Passt er so noch in die Formel 1? Eine Parallel-Betrachtung zu seinem Idol John Lennon.
Der Mann ist auf einer Mission. Er will nicht die Welt verändern, aber ihr Bewusstsein. Er macht sich öffentlich für Gleichberechtigung stark. Für Meinungsfreiheit. Und ganz besonders für Umweltschutz. Und zwar sofort! Man müsse jetzt was tun, bevor es zu spät ist. Als „John Lennon der Formel 1“ bezeichnet man Sebastian Vettel (34) deshalb schon im Fahrerlager.
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Dazu muss man wissen: Der Beatle war eines der Jugendidole von Vettel. Neben Michael Schumacher. Neben Michael Jackson. Neben Michael Jordan. Aber Lennons Werk hatte die größte Nachhaltigkeit. Es mag vielleicht übertrieben sein, den vierfachen Formel-1-Weltmeister mit dem berühmtesten Rockstar aller Zeiten zu vergleichen. Allein: Parallelen in der Persönlichkeitsentwicklung sind durchaus vorhanden.
Beide wurden schneller berühmt als erwachsen. Beide genossen erst mal das Dolce Vita des schnellen Erfolges. Mit jugendlicher Leichtigkeit. Mit fast kindlicher Freude. Mit viel, oft hintergründigem Humor. Irgendwann war Lennon es aber leid, Songs wie „I want to hold your hand“ oder „ A hard day´s night“ zu schreiben. Sie waren Millionenseller, ja, aber sie entsprachen nicht mehr dem John Lennon, der er war.
Sein sensibles, hochintelligentes Wesen hatten den Kommerz längst überholt.
„Make Love, not War“, das war jetzt seine Botschaft. „All you need is Love“ war die erste Hymne, die sein neues Ich nach außen kehrte. Noch mit den Beatles. Aber erst als er den Fab Four ein Ende setzte, noch bevor Paul McCartney die Trennung offiziell machte, fühlte er sich frei. Da marschierte er vorneweg bei der Friedensbewegung. Sein Weltruhm gab der Bewegung ein Gesicht, mit Songs wie „Give peace a chance“ und „Imagine“ verschaffte er ihr rund um den Globus Gehör.
Wenn man so will, befindet sich Vettel auch gerade in der „Ich definiere mich neu“-Phase. Der verspielte Schmetterling von früher ist zur ernsthaften Raupe mutiert. Das Lausbubengrinsen ist völlig aus dem Gesicht verschwunden. Auch er nutzt jetzt seinen Namen, um auf die Probleme aufmerksam zu machen, die wichtiger sind als nur schnelle Rundenzeiten. Er nutzt er jedes Interview, um die Formel 1, die längst nicht mehr seine ist, an ihre Pflichten zu erinnern. Ernst, ärgerlich, fast mit Wut eckt er bei jedem Rennen bei den Machern der Königsklasse an.
In Spa kritisierte er offen FIA-Rennleiter Michael Masi, weil der Australier im verregneten Qualifying nicht rechtzeitig genug die rote Abbruchflagge schwenkte – und Vettels Meinung nach McLaren-Pilot Lando Norris aus diesem Grund einen schweren Unfall hatte. In Budapest weigerte er sich trotz Aufforderung bei der Nationalhymne sein Regenbogenhemd auszuziehen, das die politischen Verhältnisse in Ungarn anprangerte. Für ihn entlarvte sich die F1-Kampagne „We race as One“ deshalb als reines Image-Make-up.
In Zandvoort wollte er weniger über Trainingsergebnisse reden, sondern viel lieber über die Versäumnisse der Formel 1, was die schnelle Einführung von alternativen Kraftstoffen betrifft. „Es geht dabei ja nicht um mich, ob mir das reicht“, wütete der Hesse bei Sky, „die Frage ist, ob uns das reicht als Gesellschaft? Die Antwort ist Nein. Im Moment läuft zu viel schief. Das Ärgerliche ist, dass manche Lösungen schon auf dem Tisch liegen. Vielleicht nicht ganz perfekt, aber sie sind schon da. Da ist es schade, dass wir uns dem Neuen so verschließen und uns dagegen sträuben.“
Vettel zeigte sogar Verständnis für die Demonstranten, die am Sonntag gegen das Rennen in dem Naturschutzgebiet in den Dünen am Strand von Amsterdam protestierten.
Eine weitere Parallele: Wie Lennon damals in seiner Wahlheimat USA macht sich der Deutsche gerade auch in der Formel 1 unbeliebt. Die, das lässt er jeden spüren, ist für ihn schon längst keine Heimat mehr. Chefvermarkter Liberty und der FIA, die laut Vettel beide ebenso kommerzinteressiert sind wie laut Lennon damals die Musikmanager und Politiker, ist der Deutsche ebenfalls ein großes Dorn im Auge. Hält er ihnen doch den Spiegel vor und zeigt, worum es ihnen am Ende wirklich geht: Geld verdienen, so viel wie möglich. Ein Rücktritt des Regimekritikers würde es für sie leichter machen, weiterhin ihre Mogelpackung zu verkaufen.
So weit ist es aber noch nicht: Vettels Vertrag bei Aston Martin kann verlängert werden. Der Deutsche hat eine Option, die er in den nächsten Tagen ziehen muss. Doch tut er das auch? Denn die entscheidende Sinnfrage, die er sich gerade stellt, heißt: Kann er es mit seinem Gewissen vereinbaren, unter diesen Umständen noch weiterzufahren? In wenigen Tagen werden wir es wissen…
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