Sebastian Vettel ist nach seinem zweiten Platz zurück in der Erfolgsspur – und kämpft weiter um den Titel in Rot und gegen eine Statistik.
Seit elf Jahren ist Ferrari nicht mehr Weltmeister geworden. Der Druck ist so hoch wie lange nicht. Die italienische Presse ist gnadenlos, kritisiert Sebastian Vettel und sein Team heftig. Im Qualifying von Hockenheim kulminierte die Negativspirale in einem vorzeitigen technisch bedingten Aus beider Ferrari. Aber: Im Grand Prix selbst rettete Vettel die Scuderia mit Platz zwei und dem vorläufigen Ende seiner ein Jahr andauernden Pechsträhne. Der zweite Platz war wie ein Sieg.
Über einen vorzeitigen Abschied denkt Vettel vorerst nicht nach – trotz aller Schwierigkeiten und 84 Punkten Rückstand auf Tabellenführer Lewis Hamilton auf WM-Rang vier. „Ich empfinde das nicht als Druck oder Belastung“, sagt er im Interview in der aktuellen AUTO BILD. „Für mich ist es ein Privileg, Ferrari zu fahren. Ich setze mich selber dabei am meisten unter Druck, bin mit Fehlern nicht zufrieden.“
„Ich will diesen Kick wieder spüren, der entsteht, wenn man um die WM fährt. Und ich will das mit Ferrari erleben.“Vettels Bekenntnis zum WM-Titel in Rot: „Es stimmt: Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen. Wir müssen wieder den Glauben an uns finden, dann wird unsere Zeit kommen. Mein Ziel, meine Mission ist der Titel mit Ferrari. Ich will diesen Kick wieder spüren, der entsteht, wenn man um die WM fährt. Und ich will das mit Ferrari erleben.“
Dafür gibt Ferrari weiter Gas – auch beim den Großen Preis von Ungarn an diesem Wochenende. „Es wird wichtig, zu sehen, ob dieses Rennen weitere Bestätigung dafür liefert, dass sich unser Auto auf verschiedenen Streckentypen verbessert hat“, kündigt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto an und verspricht: „Wir werden uns auf die verschiedenen zuletzt eingeführten Elemente verlassen können, aber auch einige aerodynamische Updates bringen. „
Wichtiger noch: Endlich muss die Scuderia den ständigen Technikärger in Griff kriegen. Binotto weiß das: „Natürlich. Wir fokussieren uns auch auf die jüngsten Zuverlässigkeitsprobleme, um sicherzustellen, dass sie sich nicht wiederholen.“
Vettel kämpft indes schon in Budapest gegen eine Statistik. 343 Tage nach seinem bisher letzten Grand-Prix-Erfolg hat der vierfache Ex-Weltmeister Sebastian Vettel am Sonntag im Großen Preis von Ungarn die letzte Chance, sich vor dem unerfreulichen „Einjährigen“ am 26. August zu retten.
An diesem Tag vor einem Jahr gewann er den Grand Prix von Belgien und damit sein bisher letztes Formel-1-Rennen.In Ungarn erwartet ihn ein anspruchsvoller GP:
„Der Hungaroring ist physisch anstrengend, weil er wenig Geraden und viele Start-Stopp-Passagen hat, was bedeutet, dass Du ständig am Lenkrad arbeiten musst.“
Ferrari hat für Ungarn die seitlichen Leitbleche überarbeitet. Trotzdem ist der Hungaroring keine Strecke nach Maß für den Vettel-Renner.
Ferrari gibt sich auch kurz vor der Sommerpause noch nicht geschlagen und rüstet weiter auf. Neu sind diesmal die Leitbleche zwischen Vorderrädern und Seitenkästen. Ziel der neuen Bargeboards in Boomerang-Form: mehr Abtrieb. Sebastian Vettel sagt: „Wir gehen mit der Entwicklung des Autos in die richtige Richtung. Allerdings zählt in Budapest nicht so sehr die Effizienz, dafür purer Anpressdruck.“
Heißt auch: Der Hungaroring passt nicht perfekt zum SF90H. „Wir sind stark auf den Geraden, aber uns fehlt noch der Speed in den Kurven“, gibt Vettel zu. Ferrari fährt dem ersten Saisonsieg weiter hinterher. Vettel bleibt dennoch positiv: „Wir wissen jetzt, wo unser Auto steht und wo wir mit ihm hin müssen. Das Team hat trotz der schwierigen Situation immer ruhig reagiert. Das ist eine neue Qualität.“
Der Deutsche hofft nach seinem zweiten Platz in Hockenheim auf ein weiteres gutes Ergebnis: „Es wäre natürlich super, wenn wir mit einem guten Schwung in die Sommerpause gehen, aber das hier ist auch kein Kindergarten, wo man sich die Süßigkeiten rauspicken kann. Wir müssen hart arbeiten und uns das verdienen.“
Das helfe auch für 2020: „So wie die Regeln sind und nächstes Jahr sein werden, bringt es nichts, das Handtuch zu werfen“, so Vettel: „So macht es auf jeden Fall Sinn, weiter mit Vollgas zu attackieren.“
*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.