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Vettels größte Ferrari-Krise

Sebastian Vettel Monza 2019

Vierfachweltmeister Sebastian Vettel am Scheidepunkt seiner Karriere: Bei Ferrari fährt er jetzt um seine Zukunft im Team und in der Formel 1.

Sebastian Vettel (32) kann einem wirklich leidtun. Am Sonntagabend nach dem für ihn desaströsen Rennen beim Großen Preis von Italien in Monza war er schon auf dem Weg ins Hotel, als ihm einfiel, dass er noch eine Presserunde mit den internationalen Medien abhalten musste.

Also machte er im königlichen Park kehrt und flüchtete sich in Humor, als er den AUTO BILD-Reportern bei seiner Rückkehr ins Fahrerlager in die Arme lief: „Ich habe das glatt vergessen.“Vettel konnte über seinen PR-Patzer schon wieder lachen. Dabei ist seine Situation in der Formel 1 derzeit alles andere als lustig: Der Heppenheimer befindet sich nach seinem Dreher in Monza und dem Sieg Leclercs in einem Teufelskreis, aus dem er fast nicht mehr entrinnen kann.

Das Problem, das sich auch in seiner Seele eingenistet hat: Während Vettel in Spa eine Woche zuvor Leclerc aus eigenen Stücken zu seinem ersten Sieg verhalf und ihn auch in Monza auf Startplatz eins zog, brach der Monegasse beim Qualifying in Italien alle Absprachen. Statt auch Vettel den versprochenen Windschatten zu geben, bremste er den Deutschen sogar so ein, dass der keine schnelle Runde mehr drehen konnte. Ergebnis: Leclerc stand auf Pole, Vettel verhungerte auf Platz vier.

Wann fährt sich Sebastian Vettel aus der Krise?Am Renntag kam es, wie es kommen musste: Vettel hechelte hinterher, riskierte zu viel und drehte sich beim Versuch, der Gerechtigkeit einen Sieg zu bescheren. Während Leclerc den ersten Heimsieg seit 2010 feierte, war Vettel nicht nur punktloser Verlierer, sondern auch noch Buhmann.

„Dieser Moment muss so dunkel für ihn sein“, kommentiert Nico Rosberg (34). „Sein Teamkollege wurde soeben eine Ferrari-Legende, und er ist am Boden.“Der Heppenheimer steht jetzt am Scheideweg seiner Karriere. Er muss nicht nur gegen den rücksichtslosen Egomanen Leclerc und dessen mit Manager Nicolas Todt (41) politisch extrem starkes Umfeld kämpfen, sondern auch gegen seine eigenen Dämonen. „Sebastian muss mental aus diesem Teufelskreis raus und wieder mehr an sich selbst denken“, rät Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve (48).

„Monza hat ihm die Erkenntnis gebracht, dass er auf Leclerc nicht bauen kann. Im Gegenteil: Das muss jetzt sein erster Gegner sein.“Denn umgekehrt ist es genauso. Gezielt setzt der Monegasse, der seit Jahren mit einem Mentaltrainer zusammenarbeitet, kleine Nadelstiche gegen Vettel. Das Siegerinterview im Parc Fermée gab er spontan auf italienisch. Eine Sprache, in der sich Vettel immer noch nicht zu Hundertprozent zuhause fühlt.

Trotzdem hat der Deutsche einen großen Rückhalt: Ferrari-Teamchef Mattia Binotto (49). Der Italiener schätzt Vettel sehr, wollte sich am Sonntagabend nach dem Rennen schon persönlich auf den Scooter setzen, um sein deutsches Sorgenkind aus dem Matsch des königlichen Parks zurück zur Presserunde zu holen.Binotto zu AUTO BILD MOTORSPORT: „Andere Fahrer haben auch schon Fehler gemacht. Wir müssen Sebastian jetzt wieder aufbauen, kümmern uns gut um ihn. Wichtig ist, dass er spürt, dass wir und auch die Tifosi ihn lieben, ihm vertrauen und auf ihn bauen. Denn das tun wir.“

Sogar FIA-Präsident Jean Todt schreibt den Hessen nicht ab – obwohl sein Sohn zum Team Leclerc gehört. Todt in der aktuellen AUTO BILD MOTORSPORT: „Sebastian ist ein viermaliger Weltmeister. Das darf man nicht vergessen. Die Kritik an ihm ist übertrieben und unfair. Er macht Fehler, die passieren können, wenn man unter Druck steht. Er ist ein Mensch und kein Roboter. Ich würde Sebastian jedenfalls noch nicht abschreiben.“

Was Vettel jetzt mehr denn je braucht: einen Sieg beim nächsten Rennen in Singapur (22. September). Dafür bringt Ferrari zwar ein neues Aerodynamikpaket, das für mehr Abtrieb und damit ein besseres Fahrverhalten in den Kurven sorgen soll. Doch als Favorit gelten die Italiener beim Stadt-GP in Südostasien nicht.

*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.

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