WEC-Spektakel in Spa: 88.000 Fans sahen Porsches Doppelsieg und einen dramatischen Unfall.
WEC-Zuschauerrekord (ohne Le Mans) beim dritten Lauf der Sportwagen-WM in Spa: 88.000 Zuschauer erlebten auf der Traditionsstrecke in den Ardennen, wie Porsche mit dem Typ 963 seinen ersten Doppelsieg der Saison holte. Ferrari sicherte sich in den Ardennen den dritten Platz in einem Action-geladenen Rennen, das nach 4.13 Stunden durch einen schweren Unfall für über zwei Stunden unterbrochen werden musste.
In der 96. Runde kollidierte der blaue Cadillac mit Earl Bamber am Steuer nach der Vollgas-Passage von Eau Rouge im Bergaufstück Kemel mit dem LMGT3-BMW M4 von Sean Gelael. Der Indonesier fuhr am rechten Fahrbahnrand, doch Bamber kam mit Überschuss die lange Gerade hinaufgeschossen, als er den lange führenden Proton-Porsche von Neel Jani aus dem Windschatten überholen wollte.
Während Janis Porsche dabei nur einen Streifschuss abbekam und ansonsten unbehelligt weiter fahren konnte, kollidierte Bamber in der sich schließenden Lücke heftig: Der getroffene BMW schleuderte auf der linken Seite massiv in die Planken, der Cadillac schmetterte in die rechte Mauer, stieg auf, wirbelte durch die Luft und trudelte wieder auf den Rädern stehend neben dem BMW aus. Das Rennen wurde sofort mit der roten Flagge unterbrochen.
Jani war hinterher außer sich: „Das war ein Amateurfehler von Earl, das war unprofessionell. Und so etwas ist ihm nicht zum ersten Mal in diesem Jahr passiert. Er hat nicht gelupft. Der dachte wohl, er sitzt in der Playstation.“
Bis dahin erlebte das außergewöhnlich gut besuchte Traditionsrennen bei warmem und sonnigem Wetter Motorsport der Spitzenklasse. Nach anfänglicher Führungsarbeit des Werks-Porsche mit der Nummer 5 von Frederik Makowiecki/Matt Campbell/Michael Christensen übernahm in der achten Runde der privat eingesetzte Proton-Porsche von Julien Andlauer/Neel Jani das Zepter. Die weiß-rote Flunder konnte sich sogar vom Werkswagen deutlich absetzten, teilweise um über eine Sekunde pro Runde. Grund dafür lag im richtigen Nutzen der Reifen.
Das Rennen gewann der Porsche 963 des britischen Privatteams Jota mit der englischen Paarung Will Stevens/Callum Ilott: Mit 12,363 Sekunden Vorsprung kreuzte Ilott die Linie, dahinter der 963 von Kevin Estre, der gemeinsam mit seinen Teamkollegen André Lotterer und Laurens Vanthoor die Tabellenführung auf 74 WM-Zähler ausbauen konnte. „Es wäre doch zu schade gewesen, wenn wir das Rennen nach dem Unfall beendet hätten. Die vielen Zuschauer hatten ein echtes Finish verdient“, erklärte Estre. Wie der JOTA-Porsche stoppte Penske-Porsche unmittelbar vor der roten Flagge. Dadurch waren diese beiden Autos nach der Wiederaufnahme des Rennens um 19.10 Uhr im Vorteil, da die Konkurrenz allesamt danach ihre vierten Stopps noch zu absolvieren hatten.
Dabei hatte der Porsche mit der Nummer 6 noch Glück: André Lotterer erlitt vorne rechts einen Reifenschaden, der die Strategie durcheinander gewirbelt hatte. Das Siegerduo Stevens/Ilott stoppte beim letzten Halt eine Runde nach dem Werks-Porsche: „Daher mussten wir etwas versuchen – und montierten beim finalen Stopp vier neue Reifen“, erklärte Urs Kuratle, Leiter Werkssport LMDh bei Porsche. JOTA indes zog nur auf der linken Seite zeitsparend zwei neue Räder auf, was den entscheidenden Vorsprung brachte.
Ferrari ging wie schon in Imola als großer Verlierer vom Platz. Nachdem der vermeintliche Polesetter mit der Nummer 51 von Antonio Fuoco/Niklas Nielsen/Miguel Molina wegen Untergewichts von einem Kilogramm nach dem Qualifying disqualifiziert worden war, arbeitete sich der 499P von Platz 19 zügig nach vorne. Doch für die beiden Roten Renner kam die Rennunterbrechung zum ungünstigsten Zeitpunkt: Ein Sieg rückte nach dem Neustart in weite Ferne. Dabei war Ferrari erneut das schnellste Auto im Feld: „Rund vier Zehntelsekunden schneller war Ferrari als wir“, rechnete die Porsche-Konkurrenz vor. Doch auf eine Runde war Porsche wiederrum flotter unterwegs: Julien Andlauer gelang die schnellste Rennrunde, und überhaupt: Die vier schnellsten Runden gingen allesamt an Porsche-Piloten.
Der junge Franzose fuhr in Spa das Rennen seines Lebens: Viermal gelangen Andlauer atemberaubende Überholmanöver in der heiklen Hochgeschwindigkeits-Senke von Eau Rouge gegen die Rivalen von Ferrari, Toyota, Alpine.
Derweil hatte Michael Christensen im anfangs führenden Nummer-5-Werks-Porsche Pech bei der Arbeit: „Er war etwas über dem Limit“, erklärte Kuratle, „aber du musst hier am Limit sein. Sonst reicht es nicht.“ Christensen kam ausgangs der ultraschnellen Pouhon-Doppellinks-Kurve von der Fahrbahn ab. Der seitliche Aufprall generierte 54g. Dabei schaltete sich automatisch das Hybridsystem aus.
Während Toyota, der gelbe AF Corse-Ferrari und einer der beiden Alpine ins Ziel folgten, steuerten Mikkel Jensen/Nico Müller ihren Peugeot 9X8 auf einem zehnten Platz wie zuletzt in Imola in die Punkte: „Es lief alles nach Plan, uns unterliefen keine Fehler, es gab keine Probleme“, resümierte Müller, „nur mit der Roten Flagge hatten wir strategisch etwas Pech.“ Damit sah Peugeot noch vor den BMW und dem zweiten Alpine mit Mick Schumacher die Zielflagge. Die Einstufung der Balance of Performance erklärt den 9X8 weiterhin zum schwersten Auto im Feld mit 1065 Kilogramm und einer vergleichsweise geringen Leistung von nur 508 PS. Nun hofft man auf ein ausgeglicheneres Kräfteverhältnis beim Saison-Highlight Mitte Juni in Le Mans.
Sieger Ilott indes jagte unmittelbar nach dem Rennen zum nächsten Großevent: Für die 108. Ausgabe der 500 Meilen von Indianapolis Ende Mai wurde der 25-Jährige kurzfristig vom McLaren-Team nachnominiert.
Mitarbeit: G. Coltello, B. Garloff
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