Die Sportwagen-Weltmeisterschaft mit den legendären 24 Stunden von Le Mans startet 2021 in eine neue Ära. Hypercars und LMDh-Prototypen aus Amerika werden in den nächsten fünf Jahren um den Gesamtsieg an der Sarthe fahren. Toyota hat nun sein Hypercar GR010 Hybrid vorgestellt.
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Wer gedacht hat, der Toyota würde einem Hypercar für die Straße gleichen, hat sich geirrt. Der GR010 Hybrid lehnt sich optisch noch stark am LMP1-Prototyp der letzten Jahre an. Allein: Das Auto ist schwerer, breiter, länger, leistungsschwächer und langsamer. Das klingt nach Rückschritt, lockt aber diverse Hersteller zurück in die Sportwagen-Spitzenmeisterschaft. Denn die Kosten sinken, die Technik wird einfacher (mehr Gewichtung für den Verbrennungsmotor, weniger für komplexe Hybridelemente), die Straßenrelevanz größer. Toyota wird auf der Basis des GR010 Hybrid auch einen GR Super Sport entwickeln – ein Hypercar für die Straße.
Toyota-Pilot Sébastien Buemi zeigt sich vom Toyota-Hypercar nach den ersten Testfahrten begeistert – auch wenn das Auto 162 Kilogramm schwerer ist und 33 Prozent weniger Leistung bringt: „Ich hätte nie erwartet, dass der GR010 Hybrid so viel Fahrspaß bereitet. Ich hatte eher gedacht, dass er sich wie ein GT-Auto anfühlen würde. Aber wir haben in der LMP1-Ära viel gelernt und das in diesem Auto umgesetzt. Es fühlt sich wie ein echter Prototyp an und ich liebe es, so ein schnelles Auto zu fahren.“
Gehen wir in die technischen Details. Das Reglement schreibt eine Maximalleistung von 500 kW oder umgerechnet 680 PS vor. Vorbei sind also die über 1000-PS-Zeiten aus der LMP1-Ära. Das Hybridsystem darf davon maximal 200 kW (272 PS) zuschießen.
Zwei Einschränkungen gibt es: Der Elektromotor, der durch ein Brems-Energierückgewinnungssystem an der Vorderachse gespeist wird und auch die Vorderachse antreiben wird, darf erst ab einer Geschwindigkeit von 120 km/h zugeschaltet werden, im Nassen sogar erst ab 140 km/h. Und: So viel PS der E-Motor zuschießt, um so viel PS muss der Verbrenner zu diesem Zeitpunkt gedrosselt werden. Mit anderen Worten: Die Systemleistung von 680 PS darf niemals überschritten werden.
Den Teams bleibt es aber selbst überlassen, ob sie die E-Power voll ausschöpfen oder nur zu Teilen und ob sie das auf einen Schlag machen (maximal fünf Sekunden) oder immer mal wieder über die Runde verteilt.
Das heißt unterm Strich: Die Elektrokomponente wird unwichtiger. Mit dem LMP1-Prototyp hat Toyota zum Teil mehr als 500 PS durch E-Power zugeschossen. Und: Die Energie wurde an der Vorder- und der Hinterachse übers Bremsen generiert. Die Vereinfachung soll die Kosten senken.
Der Verbrennungsmotor wird somit wichtiger. Toyota bleibt beim GR010 Hybrid beim V6-Biturbo-Konzept, bohrt den Hubraum aber von 2,4 auf 3,5 Liter auf. Das hat verschiedene Gründe. Technikchef Pascal Vasselon: „Wir brauchen mehr Leistung aus dem Verbrenner. Das Auto ist außerdem insgesamt schwerer, wir können uns also auch einen größeren Motor leisten. Und die Laufleistung ist höher, die Anforderung an mehr Zuverlässigkeit steigt damit.“
Optisch gleicht der Toyota GR010 Hybrid mehr einem Prototyp als einem Straßen-Hypercar. „Wir haben ein Rennauto entwickelt, auf dessen Basis wir einen Straßenwagen bauen statt umgekehrt. Wir glauben, dass das vielversprechender ist und außerdem hatten wir bisher kein entsprechendes Hypercar im Sortiment“, erklärt Vasselon.
Auch wenn die Optik spektakulär daherkommt, die Rundenzeiten werden mit einem größeren, schwereren Auto und mit weniger Leistung um etwa zehn Sekunden langsamer ausfallen.
Aus Kostengründen gibt es einige Einschränkungen. Der Toyota GR010 Hybrid ist auf fünf Jahre bis Ende 2025 homologiert. In diesem Zeitraum dürfen die Japaner mit Teamsitz in Deutschland nur ein Update bringen. Pro Jahr ist außerdem nur ein Aerodynamik-Paket gestattet. Das zwingt die Teams zu Kompromissen – etwa beim Flügelwerk am Auto oder bei der Kühlung.
Toyota wird auch 2021 mit denselben Fahrern antreten. Im Auto mit der #7 sitzen die Sportwagen-Weltmeister Kamui Kobayashi, José María López und Mike Conway. Im Schwester-Auto mit der #8 die Le-Mans-Sieger Kazuki Nakajima, Sébastien Buemi und Brendon Hartley.
Die Saison beginnt am 19. März mit den 1000 Meilen von Sebring. Am 12. und 13. Juni steigt dann das 24 Stundenrennen von Le Mans.
Toyota wird harte Konkurrenz bekommen. 2021 sind die Japaner noch Favorit. Toyota wird nämlich der einzige Hersteller sein. Dazu kommen aber die beiden Privatteams Glickenhaus und ByKolles. Vor allem Glickenhaus ist nicht zu unterschätzen: Die US-Amerikaner entwerfen ein Hypercar ohne Hybridelement. Der Motor des SCG007 wird in Zusammenarbeit mit Pipo Motors entwickelt – ein 3,0-Liter-V8-Biturbo mit mehr als 800 PS. Glickenhaus arbeitet außerdem mit den früheren Le-Mans-Siegermannschaften Joest und Sauber zusammen. Durch eine Balance-of-Performance sollen auch ByKolles und Glickenhaus in Schlagdistanz sein.
Zwei Toyota, zwei Glickenhaus, ein ByKolles, dazu ein Alpine-LMP1 werden 2021 die Spitzenklasse bilden. Wie der LMP1 eingestuft wird, ist allerdings noch unklar. Alpine erwägt aber in Zusammenarbeit mit Lotus ebenfalls die Konstruktion eines Hypercars.
2022 kommt dann auch Peugeot mit einem Hypercar. Die Basisdaten des Hybrid-Motors der Franzosen stehen schon fest: 2,6 Liter Hubraum, V6-Biturbo.
2023 wird außerdem die LMDh-Klasse neu aufgesetzt und mit in die Spitzenkategorie integriert. Auch hier wird die Leistung auf 680 PS begrenzt sein. Die Prototypen, die die Spitze der US-amerikanischen Sportwagenmeisterschaft IMSA bilden werden, haben ein Einheitshybridsystem mit 50 kW verbaut. Drei Hersteller haben schon den Bau eines LMDh-Prototyps verkündet: Acura, Audi und Porsche. Viele weitere Autobauer zeigen Interesse, darunter Lexus, Hyundai, BMW, Ferrari und McLaren.
2023 jährt sich die erste Ausgabe der 24h von Le Mans zum 100. Mal. Höchstwahrscheinlich wird der Kampf um den Gesamtsieg dann zwischen mindestens einem Dutzend Herstellern gehen – was für Motorsportfans natürlich überragend wäre. Toyota hofft bis dahin im Vorteil zu sein: „Andere Hersteller hatten Pausen, müssen zum Teil ihre Teams wieder neu aufbauen. Wir hoffen, dass wir dann mit all unserer Erfahrung diejenigen sein werden, die es zu schlagen gilt“, sagt Toyota-Teamchef Rob Leupen.
L/B/H: 4900/2000/1150 mm
Gewicht: 1040 kg
Motor: 3,5-Liter-V6-Biturbo
Elektromotor: Power aus Bremsenergie-Rückgewinnung, Speicherung in Lithium-Ionen-Akkus
Leistung: maximal 500 kW (680 PS), maximal 200 (272 PS) durch den E-Motor
Getriebe: sequenzielles 7-Gang-Getriebe
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