VW-Sportchef Fritz Enzinger hat mit seinen Aussagen über einen möglichen Formel-1-Einstieg eine Lawine losgetreten. Das sind die Hintergründe
Es ist eine unendliche Geschichte. Die Spekulationen um ein Formel-1-Comeback von Porsche nahmen vergangene Woche neue Fahrt auf, als Fritz Enzinger – als VW-Sportchef unter anderem auch verantwortlich für das sportliche Engagement der Konzerntochter Porsche – bei der BBC einen Einstieg in die Formel 1 zumindest nicht ausschloss. Nachhaltigkeit bei den Motoren zum Beispiel durch die Verwendung von Biosprit sei aber die Voraussetzung.
Enzinger: „Es (ein F1-Einstieg; d. Red.) wäre von großem Interesse, wenn Aspekte der Nachhaltigkeit – zum Beispiel der Einsatz von E-Kraftstoffen – dabei eine Rolle spielen. Sollten sich diese Aspekte bestätigen, werden wir sie innerhalb des VW-Konzerns detailliert bewerten und weitere Schritte besprechen.“ Aussagen, die einen Einstieg zum neuen Motorreglement ab 2025 nahelegen – und die in den Medien auch entsprechend aufgenommen wurden.
Ein Porsche-Sprecher reagierte auf F1-Insider-Nachfrage indes zurückhaltend. Man wolle die Gerüchte nicht weiter kommentieren. Alles sei wilde Spekulation. Niemand hätte auch nur ansatzweise gesagt, das VW in 2025 in die F1 einsteige. Allerdings, räumt man ein, würden sich VW und damit auch Porsche alle weltweit relevanten Rennserien anschauen und mögliche Reglement-Änderungen bewerten. Das geschehe aber schon seit 2016.
Allein: Es wäre nicht das erste Mal, dass die großen Bosse ihre Vorhaben nicht öffentlich bestätigen lassen wollen. F1-Insider.com weiß, dass mindestens drei Entscheidungsträger im VW-Konzern in der Tat mit einem Einstieg in die Königsklasse liebäugeln.
Dazu gehört Konzernchef Herbert Diess (62), wie Enzinger Österreicher. Er hielt schon vor Monaten in einem öffentlichen LinkedIn-Plausch mit Microsoft-Boss Bill Gates einen Einstieg in die Formel 1 für sinnvoll. Dass VW-Sportchef Enzinger ein Verfechter der Königsklasse ist, seit er 2000 unter dem damaligen Motorsportchef Gerhard Berger und dem heutigen Alpha Tauri-Teamchef Franz Tost bei BMW sieben Jahre lang in der Formel 1 arbeitete, ist kein Geheimnis.
Dass Wolfgang Porsche (77), ein Familienmitglied der Porsche-Dynastie und dazu noch auch noch Aufsichtsratschef bei Porsche und Aufsichtsratsmitglied beim VW-Konzern, ebenfalls ein heimlicher Formel-1-Fan ist, dagegen schon. Einer seiner besten Freunde ist sein Landsmann, der gleichaltrige Red Bull-Chefberater Helmut Marko. Regelmäßig dinieren sie zusammen und reden dabei nicht nur über die Kunstszene. Eine gemeinsamer Auftritt in der Formel 1 war und ist immer ein Thema.
Jetzt gibt es den neuen Anlauf der Österreicher auf beiden Seiten der deutschen Grenze. Möglich macht das ein neues Motorreglement, das 2025 in der Formel 1 eingeführt wird. Die Hybridmotoren bleiben, sollen aber einfacher und billiger werden – und einen größeren Elektro-Anteil bekommen (bisher 163 von insgesamt rund 1000 PS). Die eingeführte Budgetobergrenze und die neue Technik machen den Einstieg für einen Hersteller wesentlich kostengünstiger.
Dazu kommt: Die von den Herstellern wie Porsche geforderte richtungsweisende und nachhaltige Umwelttechnologie ist schon beschlossen. So sagt Gilles Simon, der verantwortliche Motorchef bei der für das Reglement zuständige Automobilbehörde FIA, zu F1-Insider.com: „Fest steht, dass wir mit dem Wechsel auf das neue Motorreglement 2025 auch auf CO2-neutralen Kraftstoff umstellen werden.“
Helmut Marko, von F1-Insider auf die Pläne mit VW angesprochen, reagiert verständlicherweise noch vorsichtig. Er ist ein gebranntes Kind. Denn schon 2015 war Red Bull einmal kurz davor, mit VW in der Königsklasse gemeinsame Sache zu machen. Der Dieselskandal kam der Unterschrift zwischen Audi und dem Energy Drink-Konzern zuvor. Später baute auch Porsche einen Hochleistungs-Hybrid-Motor für den Prüfstand – doch auch das Projekt erhielt kein Go.
Marko zu F1-Insider: „Es ist zu früh, konkrete Dinge zu berichten. Es ist aber kein Geheimnis, dass wir schon früher Gespräche mit Herstellern geführt haben. Wir sind offen für Partner. Aber noch wichtiger ist, dass wir jetzt durch unser eigenes Motorprogramm autark geworden sind. Wir wollten einfach kein Kundenteam mehr sein, dass abhängig von anderen ist.“
Hintergrund: Nach dem von Motorpartner Honda angekündigten Formel-1-Ausstieg Ende diesen Jahres wird Red Bull ab 2022 die Antriebseinheiten der Japaner übernehmen und in Eigenregie einsetzen. Dabei scheuen die Österreicher weder Kosten noch Mühen. Marko: „Es ist üblich, dass man natürlich auch mit fähigen Ingenieuren der Konkurrenz spricht, damit sie sich unserem ambitionierten Projekt anschließen. Wir können uns sogar vorstellen, auch ohne Partner der Industrie, einen neuen Motor für das neue Reglement zu bauen und anderen Teams anzubieten. Aber eine Partnerschaft mit einem großen Hersteller wäre natürlich das Wunschszenario.“
Es bestehen keine Zweifel, dass damit VW und innerhalb des Konzerns speziell Porsche gemeint ist.
F1-Insider.com erfuhr: Ganz oben auf der Wunschliste Red Bulls für das Motorprojekt (und später auch die Porsche-Zusammenarbeit?) stand Ex-Mercedes-Motorchef Andy Cowell. Der Brite gilt als einer der Väter der Siegesserie von Mercedes, die in der Hybrid-Ära von 2014 an alle Titel gewannen. Doch Cowell ließ mitteilen, dass er im Moment nicht zur Verfügung stehe. Er mache sich mit einer Firma selbstständig, die sich mit umweltbewussten Zukunftstechnologien (nicht nur auf der Motorenseite) in der Automobilindustrie beschäftigt. Vorerst jedenfalls.
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