Valtteri Bottas steht in der Kritik. Sollte Mercedes den Finnen austauschen?
Der Flügelmann wird immer mehr zum Prügelknaben. Die Kritik an Lewis Hamiltons (36) Teamkollegen Vallteri Bottas (31) wird größer. Nach seinem schwachen Abschneiden beim letzten Rennen in Baku (Platz zwölf) fordern viele Medien besonders in England sogar die Ablösung des Mercedes-Nummer-2-Piloten schon in dieser Saison. Grund: Der Finne könne Superstar Hamilton nicht mehr genügend helfen bei dessen hartem Zweikampf mit Red-Bull-Jungstar Max Verstappen (23).
Und: Mit Mercedes-Youngster George Russell (23) stünde schon jemand in den Startlöchern, der diese Aufgabe besser erfüllen könne. Hintergrund: Der Brite, im Moment von Mercedes an Williams ausgeliehen, hatte beim vorletzten Rennen der vergangenen Saison in Bahrain den erkrankten Hamilton brillant vertreten. Nur Fehler des Teams und ein Reifenschaden verhinderten seinen Sieg.
Warum die Flügelmänner in dieser Saison das Zünglein an der Waage im Titelkampf spielen können, erklärt Formel-1-Legende Gerhard Berger (61). Der heutige DTM-Chef zu F1-Insider.com: „Die Teamkollegen sind sehr wichtig. Deshalb war der Sieg von Perez in Baku für Red Bull ein sehr gutes Ergebnis. Weil es Perez stärkt und sein Selbstbewusstsein aufgebaut wird. Auch vor Verstappens Ausfall war Perez schon eine große Hilfe für Max. Genau das braucht Red Bull! Warum Bottas nicht in die Gänge gekommen ist, weiß ich nicht. Aber er muss wieder seine Form finden. Denn eins ist klar: Der Kampf zwischen Hamilton und Verstappen wird sich zuspitzen und Perez und Bottas werden dabei eine wichtige Rolle spielen.“
Deshalb findet Ex-GP-Sieger Ralf Schumacher (45): „Bottas wird für Mercedes zu einem Problem.“ Der Ex-BMW-Williams-Pilot erklärt in seiner Kolumne beim Pay-TV-Sender Sky: „Bottas ist eine Personalie, die sehr schwierig ist. In Monaco war er gut, in Baku schlecht. Das ist für Mercedes ein riesiges Problem im WM-Kampf. Einerseits mit Blick auf die Teamwertung und andererseits natürlich als Unterstützung für Hamilton, die dem Briten fehlt.“
Schumacher weiter: „Wir reden ja oft über strategische Züge wie etwa das Unterschneiden der Gegner. Ein guter Teamkollege kann ein anderes Team dahin zwingen, wo man will. Wenn er aber nicht in Schlagdistanz ist, funktioniert das nicht. Hinzu kommt, dass er einen Konkurrenten auch vor dem Boxenstopp mal etwas ein bremsen kann, so dass der Abstand da ist, den man braucht als Führender. Die momentane Situation zeigt die Klasse von Hamilton, wenn man sieht, was er mit dem Auto im Verhältnis zu Bottas leistet.“
Fest steht: Die Alarmglocken schrillen beim Dauersieger der vergangenen sieben Jahre. Aktuell hat Mercedes in der wegen des Preisgeldes wichtigen Konstrukteurswertung schon 26 Punkte Rückstand auf Red Bull. Bottas hat nach erst sechs Rennen schon 58 Zähler Rückstand auf WM-Leader Verstappen. Hamilton liegt mit vier Punkten Rückstand zwar immer noch in Schlagdistanz zum Rivalen aus den Niederlanden – aber das Pendel schlägt nach den Stadtrennen in Monaco und Baku klar in Richtung Red Bull. Kein Wunder, dass Mercedes-Teamchef Dr. Toto Wolff da von den schwierigsten Wochen seiner Amtszeit spricht und die Krise der Silberpfeile „nicht akzeptabel“ findet. Besonders die Leistungen von Bottas scheinen damit gemeint zu sein.
Der Finne, der in Monaco Hamilton noch klar im Griff hatte und nur durch einen Fehler der Crew beim Boxenstopp einen sonst sicher geglaubten Podiumsplatz verlor, wirkt nach Baku verzweifelt. „Ich kann mich nicht erinnern, je so ein Wochenende gehabt zu haben“, sagt er verbittert, „dieses Wochenende lief es ständig schlecht und ich habe noch immer nicht verstanden, warum.“
Zur Verteidigung des Finnen muss aber auch gesagt werden: Mercedes hatte ihn schon im Qualifying verhungern und ihn Sklavendienste für Hamilton leisten lassen. Er musste dem kürzlich zum Ritter geschlagenen Sir Hamilton auf der über zwei Kilometer langen Vollgaspassage wichtigen Windschatten geben. Der Zeitgewinn betrug laut Rechnungen vom Konkurrenten Red Bull 0,6 Sekunden. Als Bottas später fast flehentlich um das Gleiche bat, war niemand da, der ihn ziehen konnte. Mit dem Ergebnis, dass Hamilton mit Startplatz zwei um den Sieg fahren konnte, während das Rennen von Bottas mit Startplatz zehn von Anfang an ruiniert war.
Soll man den völlig durch den Wind wirkenden Finnen jetzt austauschen, obwohl Mercedes sich die Probleme zum Teil selbst geschaffen hat? Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug ist nicht dieser Meinung. Man solle Bottas jetzt stärken und lieber analysieren, worin seine Probleme liegen, sagt der Schwabe bei Sky. Lieber Zuckerbrot also als Peitsche: „Manchmal muss man Fahrer umarmen.“
Ex-Formel-1-Pilot Nick Heidfeld (45) sieht es ähnlich. Der Mönchengladbacher, der für BMW-Williams, Sauber-BMW und Renault 13 Podiumsplätze in der Königsklasse einfahren konnte, sieht sogar eine Gefahr darin, Russell mit einem verfrühten Einsatz an der Seite Hamiltons zu verheizen. Heidfeld erklärt bei F1-Insider.com warum: „Hamilton spürt den Druck von Verstappen und hängt sich richtig rein. Deshalb sehen wir den wohl besten Hamilton aller Zeiten. Normal sehr gute Rennfahrer wie Bottas haben dann natürlich ein Problem.“
Autoren: Ralf Bach und Bianca Garloff
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