Nicht nur wegen seines Schnauzers genießt Nigel Mansell schon zu aktiven Zeiten Kultstatus in der Formel 1: Jetzt wird der Löwe 70.
Knapp 30 Jahre ist es her, da ist Nigel Mansell unweigerlich auf dem Höhepunkt der Motorsport-Welt angekommen: Für ein paar Wochen ist er zeitgleich sowohl amtierender Formel-1-Weltmeister als auch IndyCar-Champion!
Nach dem langersehnten WM-Titel mit Williams 1992, wechselt der Brite über den großen Teich und wird dort mit dem Newman-Haas-Team auf Anhieb sensationell Meister der CART-Serie, dem Oberhaus des US-Formelsports: Ein Kunststück, das vor und nach ihm noch niemand geschafft hat und gerade deshalb so gut passt zu Mansells außergewöhnlicher Laufbahn.
Der Sohn eines Teeladenbesitzers gilt als einer der letzten Fahrer, die sich ihren Weg in die Formel 1 komplett selbst erarbeitet haben: Jeden Penny seines als Luft- um Raumfahrtingenieur sauer verdienten Geldes steckt Mansell in die eigene Motorsport-Karriere, verkauft sogar sein Haus dafür – und schafft es trotz teils heftiger Verletzungen in den Nachwuchsformeln (Genick- und Wirbelbruch!) gegen alle Widerstände 1980 mit Lotus in die Königsklasse.
Bei den Fans avanciert der Mann mit dem markanten Schnauzer schnell zum Publikumsliebling, denn Mansell ist nicht nur schnell, er ist immer auch Drama: Unvergessen, wie der Brite 1984 beim Hitzerennen in Dallas seinen Lotus auf der letzten Runde über die Ziellinie schiebt, weil das Benzin ausgegangen ist und dann ohnmächtig zusammenbricht.
Laut F1-Zampano Bernie Ecclestone hätte Mansell allein für sein theatralisches Talent einen Oscar verdient gehabt: Sei es für simulierte Verletzungen oder für reale, wie die gigantische Beule, die er sich nach seinem Sieg beim Österreich GP 1987 auf der Fahrt zum Podium an einem Brückenpfeiler zuzieht – und die wenig später zu einem legendären Moment mit TV-Kommentator Murray Walker führt.
Auch auf der Strecke wird Mansell das Jubeln schon mal zum Verhängnis: Beim Kanada GP 1991 winkt er in Führung liegend bereits vor dem Ziel den Zuschauern und würgt deshalb den Motor ab. Eine Anekdote, über die Red Bulls Superhirn Adrian Newey, damals Ingenieur bei Williams, heute noch schmunzelt.
Doch bei allen Slapstick-Einlagen ist „Il Leone“ (der Löwe; d. Red.), wie ihn die italienischen Tifosi wegen seines unbändigen Kampfgeistes taufen, auch ein knallharter Racer: Mansell ist der letzte Fahrer, den der große Enzo Ferrari vor seinem Tod 1988 noch höchstpersönlich engagiert, der Brite dankt es dem verstorbenen Firmengründer mit einem Sieg in seinem ersten Ferrari-Rennen beim Saisonauftakt des Folgejahres in Brasilien.
Nach zwei sonst aber eher durchwachsenen Saisons bei den Roten aus Maranello will der passionierte Hobbygolfer, der 1988 mit einer Wildcard sogar an den Australian Open teilnimmt, seine F1-Karriere bereits beenden. Doch Teamchef Frank Williams, für den er schon ab 1985 vier Jahre lang fuhr, überredet ihn zu einer Rückkehr: Der späte Glücksgriff in Mansells Karriere, holt er in den beiden folgenden Saisons doch 14 weitere Siege und nach dem Vizetitel 1991 im Jahr 1992 hochüberlegen die Weltmeisterschaft.
Obwohl Teil einer hart umkämpften Epoche und goldenen Fahrergeneration, mit Piloten wie Ayrton Senna, Alain Prost, Nelson Piquet und Michael Schumacher, hätten es gut und gerne drei Titel für Mansell werden können. Doch die großen Dramen kosten ihn auch zwei Weltmeisterschaften: 1986 in Adelaide platzt ihm auf dem Weg zum WM-Sieg im letzten Rennen der Reifen, nur ein Jahr später verletzt er sich bei einem spektakulären Crash in Suzuka am Rücken und muss den Titelkampf gegen seinen ungeliebten Williams-Teamkollegen Nelson Piquet aufgeben.
Die Beziehung der beiden ist zeitweise von blankem Hass erfüllt, unvergessen Piquets Spruch weit unter der Gürtellinie: „Wenn meine Frau so hässlich wäre wie die von Mansell, würde ich jeden Tag einen Grand Prix fahren, um nicht daheim sein zu müssen.“ Ein anderes Mal leidet Mansell in Mexiko unter einer Magenverstimmung, Piquet versteckt deshalb in der Williams-Box sämtliches Klopapier und spottet in Anspielung auf Mansells Spitznamen: „Als er gemerkt hat, dass keines da ist, hat er gebrüllt wie ein Löwe.“
Umso größer die Genugtuung für den Briten, als er seinen Erzrivalen 1987 ausgerechnet bei seinem Heimspiel in Silverstone mit einem Weltklassemanöver in Stowe vorführt: Außen angetäuscht, innen vorbei gegangen, schnappt sich Mansell drei Runden vor Schluss vor dem tobenden Publikum einen vielumjubelten Heimsieg.
Es ist einer von insgesamt fünf Erfolgen auf britischem Boden für den Mann aus dem westenglischen Upton-upton-Severn, der 1985 beim Europa GP in Brands Hatch auch seinen allerersten Formel-1-Sieg in der Heimat feiern darf. Bei den Rennen auf der Insel herrscht in Mansells Jahren eine nie dagewesene Heldenverehrung und ein Hype, an den später selbst Lewis Hamilton zu seinen besten Zeiten nicht anknüpfen kann, die so genannte „Mansell Mania“.
Die Fahrweise des 31-fachen Grand-Prix-Siegers ist spektakulär, seine Manöver, wie etwa 1990 außenherum gegen Gerhard Berger in Mexikos berühmt-berüchtigter Zielkurve Peraltada, halsbrecherisch. Für die Zauberei hinterm Lenkrad lieben die Fans ihren „Nige“, doch Mansell hat auch außerhalb des Cockpits Zaubertricks drauf:
Während eines längeren Krankenhausaufenthaltes nach seinem Crash in Le Mans 2010, wo er gemeinsam mit seinen Söhnen Leo und Greg als erstes Familienteam startet, bringt er sich selbst die Kunst der Magie bei und tritt seitdem tatsächlich gelegentlich als Zauberer auf!
Welchen Trick auch immer Nigel Mansell an seinem 70. Geburtstag auspackt, wir wünschen dem unvergleichlichen Löwen alles Gute!
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