Mit einer zweiten Fahrzeuggeneration ist die DEKM in die Saison 2020 gestartet. Wir haben das neue Elektro-Kart ausprobiert – und sind überrascht, wie gewöhnlich es sich fährt.
Die Sehnen der Unterarme schmerzen. Handschuhe abstreifen, Helm runter und Mund-Nasen-Schutz aufsetzen. „Wie war es?“, wollen die Verantwortlichen der Deutschen Elektro-Kart-Meisterschaft (DEKM) wissen. „Fährt sich gar nicht so viel anders als ein Kart mit Verbrennungsmotor“, antworte ich spontan. Zufriedenes Nicken.
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Sich nicht sonderlich abzuheben, ist in der Regel kein großes Kompliment. Doch bei den Elektro-Karts der DEKM ist es wie bei Light-Getränken: Je geringer der Unterschied zum klassischen Pendant bemerkbar ist, umso besser. Schließlich hat der österreichische Hersteller BRP-Rotax eine Menge Aufwand betrieben, um die nunmehr zweite Generation seiner elektrisch angetriebenen Rennkarts, die auf den Namen „Project E20“ hören, zu entwickeln.
Vor zwei Jahren durften wir in der Premierensaison der DEKM an gleicher Stelle, dem traditionsreichen Erftlandring in Kerpen, als Gaststarter mitmischen. Der Unterschied zum Vorgängerkart „Thunder“ ist beträchtlich. Mit 5,8 Kilowattstunden ist die Akkukapazität des Project E20 doppelt so hoch – und somit auch die mögliche Fahrzeit, in Kerpen fast 20 Minuten.
Die Leistungsdaten des Motors sind auf dem Papier gleich: 20 kW (27 PS) Dauerleistung und 24 kW (32 PS) mit Boost, den die Fahrer alle 30 Sekunden einsetzen können. Doch seine Charakteristik ist eine völlig andere: Bis 12.000 Touren liegt das maximale Drehmoment von 45 Newtonmeter an. 18.000 Umdrehungen pro Minute drehen die nun wassergekühlten E-Motoren maximal – beim Vorgänger war bei 8.000 Touren Schluss.
Auf der Strecke kommt Warp-Antrieb-Feeling auf. Die enge Trips-Kurve erwische ich nicht optimal, komme weit auf den Kerb raus. An den Karts vor mir will ich unbedingt dranbleiben. Rasch drücke ich den blauen Boost-Knopf am Lenkrad. Und spüre sofort den Extra-Schub. Hell pfeifend dreht der Motor hoch. Nach wenigen Sekunden übertönt das Rauschen des Fahrtwinds alle anderen Geräusche. Einmal kurz das Fahrpedal lupfen und ein rein in die ultraschnelle Links, die offiziell nur Mutkurve heißt.
Vor der Schumacher-Schikane komme ich den Konkurrenten vor mir näher. Mein Kart tanzt über die Kerbs. Erst hebt es die rechte Seite hoch, dann die linke, dann wieder die rechte. Hart bremsen und langsam in die Haarnadel-Kurve vor der Start- und Zielgeraden einbiegen. Dann werden die Karts vor mir schnell kleiner, nutzen an dieser Stelle ihren Extra-Boost.
Ladezeiten, Reichweite oder der leise Motorsound? Bei den reglementbedingt zwischen 15 und 18 Jahre alten regulären Nachwuchs-Fahrerinnen und -Fahrern sind die typischen Diskussionspunkte der E-Auto-Debatte überhaupt kein Thema. Der Vergleich von Bremspunkten, Kurvenlinien und Geschwindigkeiten steht Im Vordergrund.
Dass ihre Karts anders angetrieben sind, ist längst zur Normalität geworden. Der Wettbewerb steht im Fokus. Und auch wenn es sportlich keine Rolle spielt, so müssen die zentral eingesetzten Project-E20-Karts den Rundenzeitvergleich zu ihren Verbrenner-Brüdern nicht mehr scheuen. Die 1,107 Kilometer langen Strecke in Kerpen umrunden sie 2,3 Sekunden schneller als ihr Vorgänger Thunder – und sind damit rund eine Sekunde langsamer als die Karts nach OK-Junior-Reglement mit 125 Kubikzentimeter Hubraum. Die sind mit 25 PS etwas schwächer, aber mit Fahrer auch mindestens 60 Kilogramm leichter.
Auf der Strecke – und am ganzen Körper – ist die neue elektrische Gangart deutlich zu spüren. Neigten die E-Karts der ersten Generation vor allem zum Untersteuern, ist damit nun Schluss. Die Gewichtsverteilung ist viel besser ausbalanciert. So ist etwa die Leistungselektronik, die den E-Motor steuert, vor dem Sitz angebracht.
Beim Fahren gilt es, das Heck zu kontrollieren. Wilde Quersteher und Drifts kosten wertvolle Zeit. In den Kurven spüre ich nicht nur mit dem Popometer, wann die Haftgrenze der Slickreifen erreicht ist. Nein, ich kann sie sogar hören: Ein schwaches, schabendes Geräusch kündigt sie an. Jeder Verbrennungsmotor übertönt es einfach.
In der Corona-bedingt verkürzten DEKM-Saison 2020 stehen noch zwei von insgesamt vier Rennwochenenden aus: Wackersdorf am letzten September-Wochenende und Ampfing vom 16. bis 18. Oktober. Schon jetzt haben die Ingenieure von BRP-Rotax eine klare Vorstellung davon, womit sie danach die Winterpause verbringen wollen: Die Elektro-Karts anhand der gesammelten Daten und Erfahrungen weiter verbessern. Um dann hoffentlich eine volle DEKM-Saison 2021 damit bestreiten zu können.
Martin Westerhoff
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