DTM-Moderatorin Andrea Kaiser spricht vor Weihnachten über ihr Motorsport-Jahr
Andrea, der TV-Vertrag mit der DTM ist verlängert worden. Wie glücklich macht Sie das?
Andrea Kaiser: Dass wir weitermachen dürfen, finde ich sensationell. Es gab Jahre, in denen ich nicht an einer Rennstrecke war, und ich hatte jedes Mal Entzugserscheinungen. Das ist ein tolles Geschenk und eine große Ehre, weitermachen zu können.
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Der Wechsel innerhalb der Senderfamilie von Sat.1 zu ProSieben kam überraschend. Ist das ein Rückschritt oder eine Verbesserung?
Es ist ein logischer Schritt. ProSieben hat viele männliche und junge Zuschauer und zudem ein Umfeld, das sehr gut in den Bereich Motorsport passt. Ich bin davon überzeugt, dass sich dadurch der Zuspruch für die DTM, aber auch die Formel E vergrößert.
Was hat noch für den Wechsel gesprochen?
SAT.1 hat eine familienorientierte, weiblichere Ausrichtung. ProSieben ist männlicher und jünger, da passt Motorsport besser hin. Mein erster Gedanke war auch: ‚Oh, man ist doch an SAT.1 gewöhnt?‘ Aber es macht wirklich Sinn.
Warum dann jetzt erst?
Bei SAT.1 tut sich gerade sehr viel. Der Sender wurde bzw. wird neu aufgestellt. Da macht es absolut Sinn, sich alle Inhalte und Programme genau anzuschauen und zu bewerten.
In der zurückliegenden Saison hat die DTM in Sat.1 im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Zuschauern verloren. Wie erklären Sie sich das?
Wenn man sich die absoluten Zahlen anschaut, ist das bei vielen Formaten so. Das Sehverhalten der Zuschauer verändert sich. Aber das Ziel muss sein, wieder mehr Menschen zu gewinnen. Es geht bei der Bewertung aber nicht nur um die Reichweiten, sondern auch um die Marktanteile. Und die waren bei den DTM-Übertragungen gut und stabil.
Hat der Motorsport generell ein Zuschauer-Problem?
Motorsport muss sichtbar bleiben. Ich finde es zum Beispiel schade, dass die Formel 1 in Deutschland nur noch bei Sky zu sehen ist, das sieht man auch an den Zahlen. Man muss die jungen Leute zum Motorsport ziehen, denn sie sind die Zukunft. Mein fünf Jahre alter Sohn findet zum Beispiel viele andere Dinge interessanter als ein zweistündiges Formel-1-Rennen. Aber der Motorsport befindet sich angesichts der Umweltschutz- und Klima-Diskussionen in einem Wandel, der aber auch befruchtend und positiv sein kann. Es wird immer Veränderungen geben, es wird aber auch immer einen Platz für Motorsport geben.
Wie gewinnt man heutzutage die Fans?
Durch Identifikation. Durch Nähe. Oder Stars, die zum Anfassen sind. Man muss sich öffnen und die Menschen sichtbar machen. Wir haben in der DTM coolere Typen als in vielen anderen Sportarten.
Zum Beispiel?
Wenn ich Kelvin van der Linde beim FC Bayern hätte – diese Interviews wären großartig. Der ist cool, locker, nahbar. Der denkt nicht nach, ist nicht politisch. Jeder Interviewpartner, der seinen Pressemann nicht fragt, was er sagen kann und was nicht, ist ein Geschenk.
Was fehlt der DTM?
Wir hatten sehr gute Rennen, wir hatten Spannung. Ich würde mir wünschen, dass wir noch größere Rivalitäten haben, um geile Geschichten erzählen zu können. Dass zwei Fahrer, die total gegensätzlich sind und sich nicht ausstehen können, um den Titel kämpfen. So wie zum Beispiel Niki Lauda und James Hunt.
Der Eklat beim Finale hat die DTM mal wieder groß in die Schlagzeilen gebracht, wenn auch anders als erhofft. Hat er ihr auch geschadet, wie Gerhard Berger glaubt?
Ich widerspreche Gerhard unglaublich ungerne, aber wenn wir auf das Formel-1-Finale schauen, dann sag ich: Das Ganze hat der DTM nicht geschadet. Natürlich wünschen wir uns alle ein sportliches Rennen bis zur letzten Runde, am besten ohne Funksprüche. Aber jeder spricht am Ende darüber, es gibt Geschichten, die man erzählen kann und man kann daraus lernen. Deshalb glaube ich, dass die DTM das Beste daraus machen wird, wenn der erste Schock vorbei ist.
Finden Sie, dass Maxi Götz ein verdienter Meister ist?
Maxi ist seit Jahren ein Top-Fahrer und er hat den Titel ganz klar verdient! Außerdem ist er ein unglaublich netter und höflicher Mensch, mit dem man sich super freuen kann. Ich bin gespannt, wie er sich jetzt als Titelverteidiger schlägt.
Viel diskutiert wurde auch immer über die GT3-Autos, die erstmals in der DTM eingesetzt wurden. Wie gefallen Ihnen die?
Für die Zuschauer sind sie ein Augenschmaus. Sie sind laut, sie sind verdammt sexy, akustisch ein Orchester und sie machen einfach unheimlich viel Spaß. Und die paar km/h mehr oder weniger im Vergleich zu den früheren Autos sehen die Zuschauer gar nicht.
Viel gesprochen wird auch über große Namen für die DTM wie Sebastian Vettel. Bräuchte die Serie solche Fahrer?
Für Sebastian Vettel würde ich nach jedem Rennen den ganzen Müll an der Rennstrecke persönlich aufsammeln. Ich finde es toll, wie meinungsstark er inzwischen ist, auch wenn er damit polarisiert. Er ist eine Legende, ein netter Mensch, ein toller Familienvater – für Sebastian würde ich sogar auf mein Gehalt verzichten. Auch wenn das vermutlich nicht reichen wird, um ihn in die DTM zu holen.
Sie moderieren die DTM und die Formel E. Welche Rennserie macht Ihnen mehr Spaß? Sie sind ja grundverschieden.
Das sind sie gar nicht, denn am Ende geht es darum, wer der Schnellste ist. Mir macht es Spaß, wenn der Wettbewerb stimmt, wenn du coole Typen hast, die den Mund aufmachen. In beiden Serien kannst du zu jedem Fahrer gehen und bekommst ein Interview. Ich gebe zu, dass mir der Sound bei der Formel E am Anfang gefehlt hat, aber die Rennserie ist ein toller Fernsehsport, denn du hast gute Action und viele Überholmanöver. Beide Serien sind sehr kurzweilig. Sie haben mehr gemeinsam, als sie glauben. Und es machen beide Spaß.
Welche Serie hat die cooleren Fahrer?
Die DTM. Hier fährt ein Timo Glock, die van der Linde-Brüder, Champions wie Marco Wittmann oder Maximilian Götz, die sagen, was sie denken. Oder Frauen wie Sophia Flörsch, die zwar hinter ihren Erwartungen geblieben, aber eben auch ein Typ ist. Und auf Rene Rast freue ich mich natürlich ganz besonders.
War die Saison von Sophia Flörsch förderlich für Frauen im Motorsport oder eher hinderlich?
Hinderlich auf gar keinen Fall. Es gab ja auch nicht nur Sophia, sondern auch Esmee Hawkey, die teilweise sensationell gut gefahren ist. Ich glaube ganz grundsätzlich, dass ein Vergleich zwischen Männern und Frauen im Motorsport zwar gewünscht, aber immer noch schwierig ist. Aus welchen Gründen auch immer. Sophia in der DTM zu haben war aus Marketing- und auch aus erzählerischen Gründen ganz großartig. Sie hatte sehr viele Probleme mit dem Auto, der Entwicklung, der Saison. Aber sie hier zu haben, war schön. Aber klar: Ich würde mir eine Frau wünschen, die um den Titel mitfährt.
Könnte Sophia das, wenn sie eine weitere Saison fahren würde?
Vielleicht, ich weiß es nicht. Das wäre so, als wenn du mich fragen würdest, ob Rene Rast in einem GT3-Auto so gut fahren wird wie früher in dem Class-1-Auto. Ich glaube das nämlich nicht, das wird für ihn sehr schwierig.
Für wie realistisch halten Sie Sophias Formel-1-Ziel?
Formel 1 ist nicht nur eine Frage des Talents, sondern auch des Geldes. Der Formel 1 würde eine Frau im Fahrerlager ganz grundsätzlich guttun. Ich weiß aber nicht, ob ihr Ziel realistisch ist, wenn ich mir das Alter der Jungs anschaue, die im Moment einsteigen und dann schon vorne mitfahren. Die haben alle schon eine Karriere in der Formel 1. Ich würde es ihr wünschen, aber es gehört mehr dazu als nur Talent.
Müssen Sie sich nach all den Jahren in der Branche eigentlich noch blöde Sprüche anhören?
Nein, nie (lacht). Im Motorsport muss man mit diesen Sprüchen leben, man macht sie teilweise auch selbst. Wir sind in der DTM wie eine Familie, und da redet man manchmal auf einer etwas ruppigen Ebene. Da hört man auch schon mal: ‚Hast du deine Klamotten von der Altkleidersammlung mitgebracht?‘ Das macht aber auch Spaß. Man sollte Dinge, die keine negative Intention haben, nie negativ bewerten. Sonst wird das Leben in einer von Männern dominierten Motorsport-Welt auch nicht einfacher. Ich freue mich, wenn ich auf einen dummen Spruch einen noch dümmeren Spruch zurückgeben kann.
Wer war Ihr unangenehmster Interview-Partner bisher?
Paul di Resta. Er war immer sehr schwierig, sehr unnahbar. Er hat dir immer das Gefühl gegeben, dass du ihn nervst. Er ist nicht auf die Gesprächsebene gegangen.
Wie ist das Verhältnis zur aktuellen Fahrer-Generation?
Es gräbt mich keiner mehr an, weil sie alle meinen Mann (Rallye-Weltmeister Sébastien Ogier; d. Red.) kennen (lacht). Im Ernst: Sie gehen komplett seriös mit mir um, weil sie wissen, dass sich mein ganzes Leben um den Motorsport dreht. Wenn ich keine Ahnung davon hätte, wovon ich rede, wäre es sehr schwer. Denn das merken die Fahrer. Wenn jemand denken würde, ich hätte keine Ahnung vom Motorsport, würde mich das sehr verletzen.
Sie sind auch im Fußball unterwegs. Wie fällt der Vergleich zum Motorsport aus?
Fußball ist ein unglaublich toller Sport. Ich verstehe auch jeden, der Fußball liebt. Im Motorsport zu arbeiten ist aber viel einfacher. Auch wenn die Fahrer verlieren oder einen Crash hatten – sie stellen sich. Im Fußball werden sie abgeschirmt, es ist eingeschränkter. Da könnte sich der Sport nahbarer machen.
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