George Russell gilt als Formel-1-Star der Zukunft. Dass er 2022 Mercedes fährt, pfeifen die Spatzen von den Dächern. Im Interview sprechen wir mit ihm über seine Idole, Williams, Mercedes und Lewis Hamilton
George Russell, Gratulation zum zweiten Startplatz bei Regen in Spa! Sie fahren sich immer mehr in den Fokus der Formel-1-Welt. Woran liegt’s?
George Russell (23): Ich hatte nichts zu verlieren, also habe ich alles in diese eine Runde gepackt. Ich hätte aber nie im Leben mit der ersten Startreihe gerechnet. Wir werden natürlich versuchen, die Position so lange es geht zu halten. Die Top fünf sind das Ziel, Punkte das absolute Minimum.
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Schon vor der Sommerpause sind Sie Ungarn Achter geworden. Damals haben Sie unheimlich emotional reagiert, hatten Tränen in den Augen. Warum?
Es war das Resultat von zweieinhalb Jahren harter Arbeit mit vielen enttäuschenden Momenten. Manchmal fühlte es sich so an, als würde sich der Erfolg nie einstellen. Wenn Du Dein Maximum gibst und es trotzdem nicht genug ist, schlägt das auf die Moral. In Ungarn war das Glück endlich auf unserer Seite – und wir haben es uns verdient, weil wir nie aufgegeben haben.
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Sie fahren als britischer Fahrer für ein britisches Traditionsteam. Was bedeutet das für Sie?
Ich weiß, dass das ein Privileg ist. Dieses Wochenende ist deshalb auch ganz besonders für mich. Ich fahre meinen 50. Formel-1-GP. Manchmal muss ich mich kneifen, wie unglaublich es ist, dass ich Formel-1-Autos bewegen darf, um die Welt reise und das tue, was ich liebe.
Williams hat eine große Historie. Interessieren Sie sich für Formel-1-Geschichte?
In der Schule war ich nie gut in Geschichte (lacht). Ich mochte Mathe lieber. Aber mit der Williams-Historie kenne ich mich aus. Als ich zum Team gekommen bin, habe ich mich erstmal in die legendären Autos im Museum gesetzt.
Wenn Sie schon in den alten Williams-Rennern saßen, welcher der ehemaligen Piloten war Ihr Idol?
(lacht) Das war Michael Schumacher! Meine Eltern haben mir einen kleinen Rennanzug von Michael gekauft, als ich ungefähr drei oder Jahre alt war und ein kleines Quad fuhr. Zu der Zeit hat Michael alles gewonnen, was es in der Formel 1 zu gewinnen gab. Und als Kind liebst du es einfach, wenn deine Lieblingsfarbe, also Rot, ständig vorne fährt und siegt. Michael war also mein erster Held. So richtig habe ich mich aber erst ab 2009 mit der Formel 1 beschäftigt, als Jenson und Lewis gewonnen haben.
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Was hat Sie aus heutiger Sicht an Schumacher beeindruckt?
Ich versuche mir von jedem großen Fahrer das Beste raus zu picken. Michael hat nie aufgegeben, alles für den Sieg gegeben. Natürlich war er auch sehr talentiert. Dann gab’s da noch Typen wie Juan Pablo Montoya, der sehr aggressiv beim Überholen war. Oder Jenson, ein echter Allrounder – stark im Auto und auch mit dem Team. Formel 1 ist mehr als nur Fahren. Es gibt nur 20 Plätze – und du musst mehr können als nur schnelle Rundenzeiten in den Asphalt brennen.
Sie gelten dabei als einer der zukünftigen Stars.
Es ist natürlich immer schön, wenn man solch ein Lob über sich selbst hört. Dein Ruf kann sich aber sehr schnell verändern. Wenn ich diese Dinge höre, heißt das deshalb auch: Ich muss die Erwartungen erfüllen, ich muss noch härter arbeiten. Natürlich glaube ich an mich und es ist schön, wenn auch andere Leute das tun. Aber ich muss es immer und immer wieder auch beweisen. In der Formel 1 darfst du nie den Fuß vom Gas nehmen, sonst kommt jemand anders und überholt dich. Ich mag diesen Extra-Druck aber. Ich mag es, unter Druck abzuliefern.
Im nächsten Jahr vielleicht im Mercedes. Sie wirken sehr relaxt hinsichtlich Ihrer Zukunft. Warum?
Weil ich weiß, dass sich Mercedes um mich kümmert. Sie haben mir klar gesagt: Wenn du performst, sorgen wir für Dich. Ich muss mich also nur um eine Sache kümmern: dass ich Leistung bringe. Dann werden sich die Möglichkeiten ergeben.
Was würde es Ihnen bedeuten, für eine Marke und ein Team wie Mercedes zu fahren – und das nicht nur als Gaststarter wie 2020 in Bahrain?
Das wäre für mich eine große Ehre. Mercedes ist eines der erfolgreichsten Teams aller Zeiten, ich bin nun schon seit sechs Jahren als Nachwuchsfahrer Teil ihrer Familie. Ich will einer Entscheidung nicht vorgreifen, aber ich bin Mercedes-Junior, da ist es nur natürlich, dass ich mit einem Aufstieg in Verbindung gebracht werde. Der Traum eines jeden Juniors ist es, eines Tages Stammfahrer zu werden. Ohne Mercedes wäre ich nicht hier.
Fühlen Sie sich bereit, gegen die großen Stars wie Hamilton, Verstappen, Leclerc um die WM zu fahren?
(lächelt). Ich fühle mich absolut bereit. Ich verbessere mich immer noch stetig, fühle mich aber bestens präpariert für den WM-Fight. Diese drei Jahre bei Williams haben mir so viel beigebracht. Wie man mit Enttäuschungen umgeht, aber auch mit einem schwierig zu fahrenden Rennwagen. Ich bin bereit – und will um Siege und WM-Titel fahren!
In Ungarn haben Sie bei Williams zudem gezeigt, welch ein Teamplayer Sie sein können, als Sie ihrem Teamkollegen Nicholas Latifi per Boxenfunk Unterstützung zusicherten. Das dürfte doch auch ein gewichtiges Argument für Toto Wolff sein…
Das ist natürlich alles hypothetisch. Ich sage aber immer: Ich würde es lieben, gegen Lewis in einem Team zu fahren. Er ist der beste Fahrer aller Zeiten – allein der Statistik wegen. Für mich wäre es eine tolle Möglichkeit, mich gegen den Besten zu beweisen und vom Besten zu lernen. Wir befinden uns an unterschiedlichen Punkten unserer Karriere und wir haben viel Respekt voreinander.
Sie bewunderten Michael Schumacher, jetzt kämpfen Sie gegen seinen Sohn in der Formel 1. Wird auch er seinen Weg gehen?
Mick macht einen großartigen Job. Ich war auch mal in seiner Situation, wo du an jedem Rennwochenende um die letzten Positionen kämpfst und das Auto schwer zu fahren ist. Das macht es doppelt schwer, denn ein schwierig zu fahrendes Auto zwingt dich in Fehler. Ein Top-Auto ist wunderbar zu fahren und gibt dir viel Vertrauen. In einem schlechten Auto ist es dagegen leicht, Fehler zu machen. Deshalb sympathisiere ich mit ihm. Aber ich sehe auch: Er hat die richtige Einstellung und Arbeitsethik. Er wird noch lange in der Formel 1 sein, ohne Zweifel.
Und dann auch gegen Sie um die WM kämpfen?
(lacht). Gut möglich. Ich bin sicher, dass er in ein paar Jahren im Ferrari sitzt.
Sie im Mercedes, Mick im Ferrari, das wäre doch eine tolle Story.
(lacht wieder verschmitzt) Das haben Sie gesagt!
Danke fürs Gespräch, George.
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