Sebastian Vettel setzt sich für die Aktion #BioBienenApfel ein. Ein Gespräch über den Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Formel 1, den es aus der Welt zu schaffen gilt
Sebastian Vettel, Sie sind in Imola aktuell mit ihrem grünen Aston Martin namens „Honey Ryder“ unterwegs, engagieren sich zwischen den Formel-1-Wochenenden aber auch ganz konkret für die Aktion BioBienenApfel, die Bienen mit kostenlosen Samenpäckchen wieder zu mehr Lebensraum verhelfen soll. Warum bremsen Sie jetzt speziell für Bienen?
Sebastian Vettel (33): Jeder weiß, wie wichtig der Beitrag der Biene für die Umwelt, für uns aller Leben ist. Es liegt an uns, sich um sie zu kümmern, ihr mehr Lebensraum zu schaffen. Das geht mit ein wenig Saatgut, so dass es wieder mehr Blumen gibt, welche die Bienen wiederum bestäuben können. Die Biene ist auf jeden Fall eine gute Botschafterin, damit jeder von uns sein Bewusstsein schärft. Denn jeder von uns kann seinen eigenen, kleinen Beitrag leisten, um die Welt besser zu machen. So wie wir aktuell leben, ist es nicht nachhaltig – und das muss in die Köpfe der Menschen.
Vor gar nicht allzu langer Zeit wollten sie noch mit lauten und spritfressenden V12-Motoren fahren. Was hat zu Ihrem Sinneswandel geführt?
Ich schwärme nach wie vor für die V12-Motoren. Der Sound und die Vibrationen sind einzigartig. Da rede ich aber nur als Rennfahrer-Romantiker. Aber als Mensch weiß ich, dass wir mit unseren Ressourcen nicht mehr verschwenderisch umgehen dürfen. Wahrscheinlich gibt es Leute, die jetzt mit dem Finger auf mich zeigen und sagen, ich sei scheinheilig, weil ich Formel-1-Fahrer bin. Weil wir Rennen fahren und weil wir zu den meisten Orten mit dem Flugzeug reisen. Aber Rennfahrer ist nun mal mein Beruf und meine Leidenschaft. Mir geht es darum, dass es Wege gibt, auch das ganze Formel-1-Business viel umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten. Es geht nicht darum, Dinge abzuschaffen, sondern sie besser zu machen und verantwortungsbewusster zu handeln. Dass man nachhaltig lebt und trotzdem noch seine Leidenschaft ausüben kann. Ich denke, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, ist der Anfang davon.
Gab es einen konkreten Moment, eine Initialzündung, dass Sie jetzt so offen als Vorbild für den Schutz der Natur auftreten?
Da gab es keinen bestimmten Moment, es war eher ein Prozess. Es gibt gesellschaftsrelevante Dinge, vor denen auch der Sport die Augen nicht länger verschließen kann. „Black Lives Matter“ gehört dazu. Aber das Umweltbewusstsein für mich auch. Das Thema Umweltschutz wird immer konkreter. Man kann und darf sich ihm nicht mehr entziehen. Bin ich ein Vorbild? Ich sehe mich eher als Inspirator. Wenn ich dazu führe, dass auch andere Menschen den gleichen Weg einschlagen, dann ist das gut.
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Was ist genau Ihr Weg?
Erstens: Dass ich einen Weg finde, meinen Sport, meine Leidenschaft, mit dem Bewusstsein für Nachhaltigkeit und Ökologie unter einen Hut zu bringen. Klar würde ich lieber mit dem Segelschiff zu den Rennen fahren, aber dann würden die anderen ohne mich losfahren (lacht). Also geht es darum, das notwendige Reisen zu optimieren und effizienter zu gestalten. Denn das Reisen um den Globus hinterlässt den größten Fußabdruck. Fest steht: Die Formel 1 an sich ist nicht gerade der klimafreundlichste Sport. Aber es gibt Ansätze, dass man den Kalender hinterfragt, damit man nicht Zickzack reist und sich unnötige Reiserei erspart. Davor kann sich die Formel 1 nicht mehr verstecken. Gleichzeitig verzichten wir auf Plastikflaschen im Fahrerlager. Wir müssen einfach effizienter werden. Meetings kann ich über Videokonferenzen erledigen. Und wenn es geht, fahre ich mit dem Auto oder der Bahn. Und vom Hotel dann mit dem Fahrrad zur Rennstrecke.
Die Formel 1 muss also eine Art Vorreiterrolle einnehmen?
Ja, sie muss eine Vorreiterrolle einnehmen, sonst hat sie in Zukunft einen schweren Stand. Die Formel 1 ist ja dafür bekannt, dass sie schon immer Innovationen auf die Straße gebracht hat, die uns allen geholfen haben. Zum Beispiel sind die heutigen Formel-1-Motoren die effizientesten Antriebe, die es gibt. Aber auch was die Sicherheit betrifft: ABS, Traktionskontrolle – das sind alles Dinge, die im Rennsport entwickelt wurden und dann in Serie gingen. Der Hunger, den die Ingenieure haben, im harten Wettbewerb durch innovative und schnelle Lösungen besser zu sein, ist immer noch sehr groß. Wenn man diesen Hunger in die richtige Richtung lenkt, wird auch die Allgemeinheit weiter davon profitieren. Das ist im Moment der Streitpunkt, dass der Motor sehr effizient ist, aber seinen Weg in die Serie nicht finden wird, weil er zu teuer und zu komplex ist. Also müssen wir uns neue und andere Wege überlegen und die Verantwortungsträger müssen sich dieser Herausforderung stellen, damit die Serie mittel- und langfristig relevant bleibt.
Die FIA plant ab 2025 ja den Einsatz von Biosprit in der Formel 1. Würden Sie das befürworten?
Absolut. Und es muss 100 Prozent Biosprit sein. Gleichzeitig muss man die Frage stellen, wie der synthetische Kraftstoff hergestellt wird. Grundsätzlich sind e-fuels der absolut richtige Ansatz. 2025 ist noch weit weg, der neue Motor ist noch nicht ausformuliert. Aber bis dahin können andere Dinge angegangen werden.
Wie leben Sie zuhause biologisch wertvoll?
Zuhause habe ich vor ein paar Jahren den Strom-Anbieter gewechselt, der mir erneuerbare Energien liefern konnte. Dafür zahle ich auch gerne ein bisschen mehr. Auf meinem Dach habe ich eine Solaranlage, versuche ein bisschen meinen eigenen Strom zu produzieren. Auch bei der Ernährung bin ich bewusster geworden. Was esse ich? Wo kommt was her? Diese Frage stelle ich mir jetzt immer. Man muss auch nicht mehr jeden Tag Fleisch essen. Und wenn man Fleisch ist, machen Qualität und Herkunft einen großen Unterschied. Oder die Verschwendung mit Plastik. Mit all diesen Themen gehe ich sehr, sehr bewusst um. Und ich versuche mit gutem Beispiel voranzugehen, um andere zu inspirieren.
Sie legen also auch zuhause im Garten ihre eigenen Beete an?
Ja. Es macht Spaß, wenn man dann die Dinge wachsen sieht, es blüht und die ein oder andere Biene vorbeikommt. Die eigenen Tomaten schmecken auf jeden Fall mehr nach Tomate als die aus dem Regal.
Und Sie haben auch eigene Blumen gepflanzt für die Bienen…
Nicht nur für die Bienen. Ich habe ein Blumenherz etwas größer abgesteckt als normal. Am Anfang haben mir meine Töchter noch geholfen, aber dann stand ich mit dem Spaten plötzlich alleine da. Es war mehr Arbeit, als ich dachte. Doch am Ende freut man sich, wenn es richtig blüht.
Sie haben ja sogar ein Praktikum im Biobauernhof gemacht?
Sagen wir mal einen Schnupperkurs. Ich wollte es einfach mal sehen und empfinde und habe auch mit angepackt. Darauf gekommen, auf einen Bio-Bauernhof zu gehen, bin ich über die Ernährung. Über die Frage was man essen muss, um sich gesünder zu ernähren. Ich habe angefangen, mir Fragen zu stellen, wie ich mehr Leistung aus meinem Körper quetschen kann. Dann habe ich die Chance ergriffen, einfach mal die Nase hineinzustecken.
Also sind Sie um vier Uhr aufgestanden, um die Kühe zu melken?
Es hat gereicht, um fünf aufzustehen. Die Kühe waren um sechs Uhr dran.
Ihr neues Bewusstsein beinhaltet auch das Denken an die anderen. Das ist das Gegenteil von Egoismus. Der Formel-1-Fahrer aber ist die fleischgewordene Ich-AG. Er darf nur an sich denken, er muss besser und schneller sein als anderen. Ist das nicht ein Widerspruch?
Nein, nicht für mich. Ich sehe das eher als Chance und versuche auch nicht, Leute zu bekehren. Die Zukunft geht uns alle was an. Aber wenn ich den Helm aufziehe, will ich immer noch schneller sein als die anderen. Sonst könnte und würde ich den Job nicht mehr machen. Sonst gäbe es keinen Grund mehr, das Visier noch runterzuklappen. Mein Beruf und meine Leidenschaft sind ja nach wie vor das Rennfahren. Und ich weiß nach so vielen Jahren auch, was es braucht, um die richtigen Prioritäten zu setzen. Ich war schon immer ein Typ: Wenn ich etwas anpacke, will ich es auch richtig machen. Aber ich rede hier nur von der Zeit, in der ich aktiv meinen Sport ausübe. Wir müssen uns klar sein, dass am Ende die Natur das Wichtigste von allem ist.
Interview: Bianca Garloff und Ralf Bach
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