Sebastian Vettels Freitag war nicht gerade erfolgreich. Zu Platz 16 gesellte sich eine weitere Absage für 2021. Die Hintergründe
Es ist der schwierigste Moment seiner Karriere. Der Blick in die Geschichtsbücher bringt Ferrari-Pilot Sebastian Vettel (33) nicht viel. Dort steht drin: Er gewann bisher vier WM-Titel, 53 mal sah der Heppenheimer als Erster in Rennen der automobilen Königsklasse als Sieger die karierte Flagge, 120 Podiumsplätze, 38 schnellste Runden und 57 Pole Positions runden die Bilderbuchkarriere ab, die ihn hinter Michael Schumacher, Lewis Hamilton und Juan-Manuel Fangio zum vierterfolgreichsten Fahrer der 70jährigen Formel-1-Historie machen. Im Fußball hätte er damit den Stellenwert eines Franz Beckenbauer oder Johan Cruyff.
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Bloß: Kaufen kann er sich nichts von den überaus erfolgreichen Zahlen. Die bittere Realität: Vettel macht gerade den Tiefpunkt seiner Karriere durch. Bitter, unglaublich und doch wahr: Im nächsten Jahr will den erfolgreichen Deutschen, vom Alter her immer noch auf der Höhe seines Schaffens, niemand mehr haben in der Königsklasse des Motorsports. Im Gegenteil: Nachdem Ferrari im Mai verkündet hat, mit ihm in Zukunft nicht mehr arbeiten zu wollen, muss er einen Tiefschlag nach dem anderen wegstecken. Als würde ein unsichtbarer Magnet ihn immer noch tiefer in ein Loch ziehen wollen.
Zuerst kam der völlig verkorkste Saisonauftakt vergangene Woche, von dem er sich aufrichten musste. Vettel kämpfte mit einem langsamen und schwer fahrbaren Ferrari, machte einen Fehler, als er das Unmögliche nicht wahrhaben wollte, und holte als Zehnter nur einen mickrigen Punkt. Schlimmer noch: Teamkollege Charles Leclerc fuhr mit der roten Zicke mit Glück und Können als Zweiter aufs Podium.
Der Tiefpunkt war das aber noch lange nicht. Seine Hoffnungen, 2021 als verlorener Sohn zu Red Bull zurückzukehren – dem Team, mit dem er in den Jahren 2010 bis 2013 vier WM-Titel in Folge gewann – platzten am Mittwochmorgen bei einem Gespräch mit seinem Vertrauten Helmut Marko (77). Der Red Bull-Chefberater, der zu seinem Ziehsohn auch zu Vettels Ferrari-Zeit ein fast schon väterliches Verhältnis pflegte, hatte keine Wahl. Ob er wollte oder nicht: Er musste ihm mitteilen, dass Red Bull ihm kein sportliches Asyl gewähren wird. Für ihn wären die Grenzen zu. Für immer.
Dabei sind nicht nur geschäftliche Zwänge der Grund für das Einreiseverbot ins Red-Bull-Land. Offiziell heißt es, dass Nummer-zwei-Pilot Alexander Albon, mehr Adjudant denn Teamkollege von Wunderknabe und Red Bull-Liebling Max Verstappen deshalb ein Dauervisum fürs gelobte Dietrich-Mateschitz-Schlaraffenland hat, weil er thailändische Mutter und thailändischen Pass hat und von der thailändischen Familie gefördert wird, der 51 Prozent des milliardenschweren Getränkekonzerns gehören.
Das aber ist nur die halbe Wahrheit. F1-Insider.com weiß auch: Den größten Fehler machte Vettel nicht auf der Strecke, sondern im richtigen Leben. Eine Quelle, die Red-Bull-Europachef Dietrich Mateschitz nahe steht, sagt: „Sebastian hat es versäumt, Mateschitz im Vorfeld zu informieren, dass er zu Ferrari wechseln wird. Das hat Mateschitz sehr ärgerlich gemacht“. Mit der Konsequenz: Der Österreicher, ein Mann mit Elefantengedächtnis, der sein Imperium trotz der nach außen getragenen Lockerheit diktatorisch führt, hat den gefühlten Verrat seinem einstigen Erfolgsbringer nie verziehen.
Dass heute auch Racing Point Vettel noch eine Absage erteilte (Teamchef Otmar Szafnauer: „Es ist schmeichelhaft, dass wir mit einem viermaligen Weltmeister in Verbindung gebracht werden. Aber wir haben langfristige Verträge mit unseren Fahrern. Daher ist es nur logisch, dass wir keinen Platz haben“), passt nur zu gut ins momentane Bild des einstigen Glücksjungen, der innerhalb von wenigen Wochen zur Pechmarie wurde.
Vettel muss der Realität ins Auge blicken und die heißt im Moment: Er wird 2021 kein Cockpit mehr haben in der Formel 1 haben und sich überlegen müssen, ein Jahr Pause zu machen oder der Königsklasse endgültig Adieu zu sagen.
Es gibt aber noch eine gute Nachricht: Mit Mugello und Sotschi kamen zwei zusätzliche Rennen in die Coronabedingte verkürzte Formel-1-Saison. Vettel hat damit inklusive des Rennens am Sonntag mindestens neun GP Zeit, sich mit Würde aus der Königsklasse und von Ferrari zu verabschieden. Das hat er auch vor: „Wichtig ist, das Auto immer besser zu verstehen. Ich werde alles geben, was in meiner Macht steht, das haben meine Jungs auch verdient. Es ist nicht mein Stil davonzulaufen, wenn es schwierig wird.“
Für Sonntag sieht es dabei nicht gut aus. Mit neuem Unterboden und Frontspoiler war Vettel im ersten freien Training zwar eine Zehntelsekunde schneller als Teamkollege Leclerc und belegte zwei Plätze vor dem monegassischen Ferrari-Liebling den zehnten Rang – doch das war im zweiten Training nur noch Nebensache.
Weil der Heppenheimer in seiner schnellsten Runde zu weit über die Randsteine fuhr und die Rennkommissare ihm deshalb diese Zeit annullierten, war er am Ende nur 16. Doppelt bitter: Das zweite Training könnte wetterbedingt die Startaufstellung für Sonntag bilden. Grund: Der Wetterbericht sagt für Samstag und Sonntagmorgen heftige Gewitterstürme voraus. Sollte das Qualifying nicht ausgetragen werden können, würde das Ergebnis des zweiten Trainings für die Startaufstellung gewertet werden. Immerhin: Das Auto fahre sich „viel besser als in der vergangenen Woche“ und auch die Updates wirken „positiv“, so der Heppenheimer.
Es kann für Vettel sowieso nur noch besser werden. Sein Vertrauter Bernie Ecclestone (89) rät ihm jetzt cool zu bleiben. Der Ex-Formel-1-Boss zu F1-Insider.com: „In der Formel 1 kann immer alles passieren. Er muss nur weiter sein Ding machen und weiter an sich glauben.“ F1-Sportchef Ross Brawn macht dem Deutschen ebenfalls Mut. Ferraris-Ex-Technikgenie erklärt F1-Insider.com seine Lebensphilosophie, an die sich Vettel jetzt klammern sollte: „Glück ist nichts anderes als gut vorbereitet zu sein, wenn sich plötzlich unerwartete Türen öffnen.“
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