Der Aachener Architekt Hermann Tilke ist DER Streckenbauer der Formel 1. Auch den Kurs in Saudi-Arabien hat er entwickelt. Hier erklärt er die Besonderheiten.
Herr Tilke, Sie haben wie schon so viele andere auch die neue Strecke in Jeddah (Saudi-Arabien) designt. Wie eng wurde es am Ende, dass der Kurs rechtzeitig fertig wurde?
Hermann Tilke (66): Es war knapp, aber am Ende hat alles funktioniert.
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Wie viel Zeit hatten Sie grundsätzlich, die neue Strecke in Jeddah fertigzustellen?
Wir hatten diesmal nur acht Monate Zeit. Das ist neuer Rekord, aber das möchte ich nicht wieder erleben. Zum Vergleich: Normalerweise hatten wir zwei Jahre. Acht Monate sind wirklich sehr knapp. Wir mussten extrem hart arbeiten, dass es klappt, weil es ja eine völlig neue Strecke ist, die auch noch höher gelegt werden musste, wegen der Entwässerung. Für den Hochbau hatten wir nur 70 Tage Zeit. Wir fahren am Meer entlang und haben sogar eine Lagune dabei. Optisch gibt die Strecke ziemlich was her. Wichtig ist: Alles wurde mit normaler Erde aufgeschüttet, nicht mit exotischen Materialien oder mit Styropor wie in China.
Katar ist wegen des Umgangs mit den Gastarbeitern beim Bau der Stadien zur Fußball-WM in der Kritik. Wie ist und war die Situation beim Streckenbau in Saudi-Arabien?
Auch in Saudi-Arabien wird alles mit Gastarbeitern gemacht. Wir haben aber von Anfang an darauf geachtet, dass es keine Probleme gibt. Zusätzlich wurde eine unabhängige Firma aus England engagiert, die dieses Thema im Auge hatte. Auch die Formel-1-Vermarkter haben ein großes Interesse daran, dass alles mit rechten Dingen zugeht.
Was passiert mit dem Gelände nach dem Rennen?
Die Gebäude sind flexibel, das heißt sie können abgebaut und dann wieder aufgebaut werden. In der Strecke selbst haben wir viele Sportanlagen integriert. Zum Beispiel Basketballfelder oder Fußballplätze. Die sind dann für die normale Bevölkerung zugänglich und können ständig genutzt werden.
Was ist das Besondere bei der Planung eines Stadtkurses?
In Saudi-Arabien war die Strecke vorher ein riesengroßer Parkplatz. EEs war allerdings ein schmales Grundstück, nicht etwa quadratisch. Ansonsten hätte man Häuser abreißen müssen. Innerhalb des Grundstücks konnten wir uns austoben. Deshalb ist innerhalb dieser schmalen Grenzen alles neu.
Und wie entscheiden Sie über den Streckenverlauf, wenn sie ein Blanko-Grundstück vor sich haben?
Die spezielle Fläche des Grundstücks macht von an Anfang klar: Es sollte eine sehr schnelle Strecke werden. Die Formel 1 hat ebenfalls Input geliefert, indem die Truppe um Sportchef Ross Brawn immer wieder Simulationen gemacht hat.
Hören Sie auch auf die Meinung der Fans, Teams oder Fahrer?
Eigentlich nicht. Dafür war keine Zeit. Kann sein, dass wir deswegen Kritik bekommen, aber damit müssen wir leben.
Mercedes hat also keine drei Kilometer lange Gerade gefordert oder Red Bull viele Kurven…?
Tilke (lacht): Nein. Aber was lustig ist: Ich wurde von Verstappen-Fans angesprochen, die meinten, durch die vielen langen Geraden wäre das ja wohl eine Mercedes-Strecke. Andererseits kamen auch schon Hamilton- und Mercedes-Fans zu mir, die glaubten, dass wir wegen der schnellen Kurve einen Red-Bull-Kurs entworfen hätten.
Wer hat aber jetzt Vorteile auf der Strecke: Mercedes oder Red Bull?
Ich weiß es nicht. Es gibt einige dicht aufeinander folgende Kurven, wo ich einen Vorteil bei Red Bull sehe. Andererseits gibt es zwei lange Geraden, bei denen Motorpower gefragt ist. Also Vorteil Mercedes.
Inwiefern werden Tracklimits ein oder gibt es nur natürliche Begrenzungen in Form der Mauern?
Weitgehend natürliche. Es gibt nur zwei Stellen, an denen wir Tracklimits haben.
Wie bewerten sie den Kurs aus Fahrersicht? Kann ein Pilot in Jeddah den Unterschied machen wie zum Beispiel in Monaco?
Man kann die Strecke nicht mit Monaco vergleichen. Es gibt nur zwei Stellen, wo man sich ein wenig ausruhen kann, ansonsten folgt Kurve auf Kurve. Eine davon ist überhöht, mit einem Winkel von zwölf Grad. Der Fahrer ist also stetig gefordert.
Hand aufs Herz: Wem gönnen Sie persönlich mehr den Titel? Hamilton oder Verstappen?
Max. Ich mag ihn gerne. Ich mag auch Red Bull. Ich mag natürlich auch Mercedes. Ich würde es aber gut finden, wenn mal ein anderer den Titel holt. Fest steht: Beide sind herausragende Piloten, die über allen anderen stehen und einen extrem spannenden Zweikampf abliefern. Verdient hätten sie es also beide, aber Verstappen gönne ich es mehr.
Letzte Frage: Welche ist Ihre persönliche Lieblingsstrecke von all ihren Werken?
Immer die letzte: Also im Moment Saudi-Arabien.
Länge: 6,174 Kilometer
Kurven: 27
Vollgasanteil: 79 Prozent
Runden: 50
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