Juan Manuel Correa gibt zwei Jahre nach seinem schweren Unfall in Spa sein Comeback in der Formel 3 in Barcelona. Wir haben mit ihm gesprochen.
Zwei Jahre ist es her, dass Juan Manuel Correa im Formel-2-Rennen von Spa mit Anthoine Hubert kollidierte. Der Unfall hatte tragische Folgen: Hubert starb bei dem Crash, Correa wurde schwer verletzt. Doch jetzt wagt er das Comeback. Am Wochenende startet er in der Formel 3 in Barcelona – u.a. gegen David Schumacher. Wir haben vorab mit dem US-Boy über den Unfall und seine Rückkehr auf die Rennstrecke gesprochen.
Herr Correa, eineinhalb Jahre nach dem schrecklichen Unfall in Spa kehren sie 2021 zurück und fahren in der Formel 3. Wie fühlt es sich an, zurück im Auto zu sein?
Juan Manuel Correa (21): Es ist toll wieder das Leben des Rennfahrers zu führen. Ein bisschen surreal, denn für mich schien es immer ein so weit entferntes Ziel zu sein, wieder ins Rennauto steigen zu können. Es gab so viele Fragezeichen. Das größte: Bin ich mit meinen Verletzungen physisch fit genug, um Gasgeben und Bremsen zu können? Zu sehen, dass ich das Limit wieder suchen kann, ist eines der besten Gefühle, die ich jemals hatte.
Die letzten eineinhalb Jahre waren eine der härtesten Herausforderungen, der ich mich jemals stellen musste. Jetzt diesen Berg erklommen zu haben, macht mich stolz. Aber meine Herausforderung ist noch nicht damit beendet, dass ich wieder im Rennauto sitze, sondern erst dann, wenn ich es in die Formel 1 geschafft habe.
Wie sehr sind Sie noch beeinträchtigt?
Ich werde mein ganzes Leben lang Handicaps haben, weil ich irreparable Schäden in meinen Beinen davongetragen habe. Vor allem mein rechter Knöchel ist zerstört, weshalb ich da nur eingeschränkt beweglich bin – und das wird auch nicht mehr besser, sondern mit der Zeit wahrscheinlich sogar eher schlechter. Aber glücklicherweise bin ich fit genug, um wieder Gas geben zu können.
Ich kann meinen rechten Fuß zwar nur leicht bewegen, aber fürs Gaspedal reicht‘s. Allerdings kann ich noch nicht den Bremsdruck aufbringen, den ich gerne ausüben würde. Daher verliere ich noch etwas Rundenzeit. Aber ich glaube daran, dass ich diese Dinge mit etwas Übung hinbekommen werde.
Was waren die härtesten Momente in der Reha-Phase?
Die ersten Monate. Zu Beginn hing mein Leben am seidenen Faden. Es sah eine Zeit lang wirklich so aus, als könnte ich sterben – wegen meiner Lunge, aber auch wegen meiner Beine. Das rechte Bein zu retten, war sehr riskant. Ein Arzt hielt es für besser, es zu amputieren. Trotzdem: Der härteste Moment war, als ich zurück nach Miami kam – also zurück ins normale Leben. Im Krankenhaus bist du in deiner eigenen Blase.
Aber wenn du dann wieder ins echte Leben geworfen wirfst und lernen musst, mit deinen Einschränkungen klarzukommen, dann ist es hart. Es hat einige Monate gedauert, bis ich aus diesem Loch wieder raus war und die Motivation gefunden habe, an meinem Comeback zu arbeiten.
Wie viele Operationen haben Sie hinter sich gebracht?
Ich hatte zwei Wirbelbrüche, T6 und T7. Meine Organe waren auch beschädigt: Mein Herz war voll Wasser, meine Leber war kaputt, meine Lungen sind vier Tage nach dem Unfall kollabiert. Ich bin dann für Wochen ins Koma gefallen. Meine Beine waren natürlich auch stark zerstört. Links haben die Ärzte am Tag nach meinem Unfall eine Titanplatte eingesetzt. Es ist noch nicht bei 100 Prozent, aber es ist okay.
Das rechte Bein war aber das, was wirklich hart getroffen wurde. Die unteren zehn Zentimeter wurden zertrümmert. Die Ärzte haben quasi einen neuen Knöchel aus den übrig gebliebenen Knochen geformt. Eine Amputation wäre leichter gewesen, auch hinsichtlich der Reha-Phase danach. Aber ich wollte unbedingt das Gaspedal wieder durchtreten können.
Haben Sie keine gar keine Angst vor einem neuen Unfall?
Jetzt ja. Das hatte ich vor dem Unfall nie. Natürlich hat man die Geschichten von Senna, Bianchi und Co. gehört. Aber man glaubt immer, dass einem das selbst nie passieren kann. Es gibt ja auch jedes Jahr neue Sicherheitsmaßnahmen und man verdrängt, dass man sein Leben in diesem Sport aufs Spiel setzt. Jetzt, nach dem Unfall, bin ich mir der Risiken bewusster, weil ich sie am eigenen Leib erfahren habe. Aber erstaunlicherweise hat das nicht zu einer Angst geführt. Wenn ich im Auto sitze, habe ich das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben. Das Adrenalin ist wie eine Droge.
Wie könnte der Rennsport noch sicherer gemacht werden?
Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht in unserem Sport. Ich bin aber keiner der Fahrer, der sich beschwert hat, als der Halo (Cockpitbügel; d. Red.) eingeführt, wurde – mit der Begründung, dass der Sport gefährlich bleiben muss. Das ist Bullshit. Leute, die das sagen, hatten nie einen Unfall wie ich. Ich bin dankbar für all die Sicherheitsmaßnahmen der letzten 20 Jahre. Sonst wäre ich tot.
Inwiefern hat der Unfall Ihre Einstellung zum Leben geändert?
Es hat mehr in meiner Einstellung zum Leben geändert als in der zu meiner Karriere. Es ist eine Lebenserfahrung, dem Tod so nahe zu sein, so viele Schmerzen zu erfahren, sich so vielen OPs zu unterziehen, an so einem Tiefpunkt zu sein. Dadurch wird dir klar, was wirklich wichtig im Leben ist. Die meisten von uns lassen ihren Alltag von so vielen kleinen Dingen bestimmen. Wir genießen nicht das, was wir haben. Das hat sich bei mir geändert.
Ich genieße jedes kleine Detail so viel mehr. Meine Situation hat es erfordert, dass ich mir Alternativen für mein Leben überlege, falls ich nicht wieder ins Rennauto zurückkehren kann. Vor dem Unfall konnte ich mir nicht vorstellen, wie ein Anwalt in seinem Leben glücklich sein kann. Für mich war klar: Wenn du kein Formel-1-Fahrer bist, dann kannst du in deinem Leben nicht happy sein. Jetzt verstehe ich, wie dumm es ist, so zu denken. Und das gibt mir Freiheit, weil ich weiß, dass ich im Leben ganz viele Optionen habe.
Letztes Jahr waren Sie auch zum Jahrestag des Unfalls in Spa. Wie haben Sie den Besuch erlebt?
Es war sehr emotional. Das erste Mal, dass ich Nathalie, Anthoine’s Mutter, gesehen habe, war sehr hart. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Anthoine oder den Unfall denke. Das ist ein Teil meines Lebens. Als ich nach Spa kam, war das für mich also keine große Sache mehr. Ich war ein ganzes Jahr lang damit konfrontiert. Aber für die Leute um mich herum hat das jede Menge Erinnerungen aufgewühlt, mit denen sie bisher nicht konfrontiert waren. Das habe ich gespürt.
Haben Sie mit der Familie von Anthoine Hubert nach wie vor Kontakt?
Ja. Hier und da schreiben wir uns. Ich denke, sie freuen sich für mich. Sie verstehen, warum ich zurückkehre. Ihr Sohn war Rennfahrer und sie wissen, wie wir sind. Anthoine würde in meiner Position dasselbe machen. Er war auch sehr ehrgeizig und ein harter Arbeiter. Seine Mum hat mir geschrieben, mir gratuliert. Ich habe ihr mein Helmdesign gezeigt, das vorn und hinten einen Anthoine-Sticker zeigen wird. Sie kennt auch mein Team ART, denn Anthoine ist auch mal für die Mannschaft gefahren.
Haben Sie den Unfall eigentlich mal analysiert?
Oft. Ich erinnere mich an alles. Ich wusste seit dem Tag nach dem Unfall, dass es nicht mein Fehler war. Ich fühle mich also nicht schuldig, was mir mental sehr hilft. Wir waren zum falschen Moment zur falschen Zeit am falschen Ort. Das Einzige, was hart für mich war zu akzeptieren: Warum hat es Anthoine erwischt und nicht mich? Was gibt mir das Recht zu leben und ihm nicht? Es hat mich auch tiefer zur Sinnfrage des Lebens geführt. Ich habe die Antwort darauf noch nicht gefunden.
Welche Erinnerungen haben Sie genau an den Unfall?
Ich erinnere mich an den Crash, an den Aufprall. Ich erinnere mich daran, wie ich mich mit meinen eigenen Händen aus dem Auto wuchten wollte. Ich weiß auch noch: Wenn ich in dem Moment eine Waffe zur Hand gehabt hätte, ich hätte mich erschossen – einfach nur, damit dieser Schmerz aufhört. Als die Sanitäter kamen, habe ich sie deshalb direkt gebeten, mich schlafen zu legen. Ich erinnere mich auch an ihre Gesichter, als sie auf meine Beine geschaut haben. Da wusste ich, dass es nicht gut aussieht.
Wann haben Sie erfahren, dass Anthoine gestorben ist?
Im Krankenhaus. Die Polizei, die wegen des Todesfalls involviert wurde, hat es mir am Morgen danach erzählt. Danach bin ich mental zusammengebrochen. Ich fühlte aber schon vorher, dass etwas Schlimmes geschehen war, denn im Krankenhaus haben sie alle TV-Geräte abgehängt, die in meinem Raum waren.
Hatten Sie auch Kontakt zu Rennfahrern mit ähnlichen Unfällen – wie Billy Monger?
Ja, mit Billy Monger war ich im engen Austausch. Er hat mich auch im Krankenhaus in London besucht. Seine Geschichte kommt meiner am nächsten. Sein Comeback im Rennsport hat mir zu Beginn viel Hoffnung gegeben. Meine größte Sorge war, dass meine Beine amputiert werden. Zu sehen, dass er sein Leben lebt und wieder Rennen fährt gab mir Hoffnung, weil ich wusste: Selbst im schlimmsten Fall wird es nicht leicht, aber du kannst zurückkommen und wieder glücklich werden. Das war mental wichtig.
Was ist ihr Ziel in der Formel-3-Saison 2021? Sie fahren da ja unter anderem gegen David Schumacher…
David Schumacher zu schlagen, das ist mein einziges Ziel (lacht). Nein, mein Hauptziel ist es, die Saison ohne medizinische Probleme mit meinen Beinen zu überstehen. Ohne große Zwischenfälle durch die Saison zu kommen. Und ich will langsam wieder der Fahrer werden, der ich mal war. Aber das wird ein langer Weg und ich gehe ihn geduldig an.
Sie waren auch Teamkollege von Mick Schumacher. Wie beurteilen Sie seine bisherige Formel-1-Karriere?
Ich war in der Formel 4 sein Teamkollege, wir kennen uns gut. Ich freue mich für ihn. Es ist toll für mich zu sehen, dass Fahrer, gegen die ich gefahren bin und die ich besiegt habe, jetzt in der Formel 1 oder woanders erfolgreich sind. Das gibt uns Fahrern in der Formel 3 und der Formel 2 eine enorme Bestätigung.
Das Level im Rennsport wird von Generation zu Generation höher. Ich hoffe, dass Mick bald ein gutes Cockpit bekommt, denn das ist der Schlüssel für seine Karriere. Mit einem Topteam kann er die Weltmeisterschaft gewinnen. Er ist sehr talentiert, er ist sehr fokussiert. Es ist toll für die Formel 1 und für Deutschland.
Bianca Garloff/Michael Zeitler
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