Letzte Folge unserer Halbzeitbilanz zur Formel-1-Saison 2019. Diesmal: Williams-Mercedes
Das ehemalige Seriensiegerteam Williams liegt endgültig am Boden. Sportlich geht nichts, Personal zur Besserung ist nicht zu finden. AUTO BILD MOTORSPORT und F1-Insider erfuhr: Anfang des Jahres hat Ex-Pilot Alexander Wurz (45) abgelehnt, die Teamchefrolle zu übernehmen und in Personalunion den geschassten Paddy Lowe und Firmengründer-Tochter Claire Williams (43) zu ersetzen.
Der ehemalige Williams-Berater stellte klare Forderungen, auf die Williams aber nicht eingehen wollte. So ist Claire Williams immer noch im Amt und Besserung ist nicht in Sicht. Ihr Vater Sir Frank (77), der seit einem Verkehrsunfall 1986 im Rollstuhl sitzt, ist altersbedingt nicht mehr in der Lage, die Geschäfte zu führen.
Sein genialer und knorriger Ex-Partner Patrick Head (73) hat sich zumindest breitschlagen lassen, nach den Defiziten zu schauen und einen Neuanfang zu starten. Er verordnete erst mal mehr Runden am Freitag, um mehr Daten zu sammeln, damit man das aerodynamisch völlig verkorkste Auto besser versteht.Heads Einsatz war bitter nötig. Denn die erste Saisonhälfte war sportlich die schlimmste in der Firmengeschichte des Traditionsrennstalls.
Schon 2018 wurde man Letzter in der Konstrukteurswertung, doch 2019 hat sich der Abstand zum Mittelfeld noch mal vergrößert.Rückkehrer Robert Kubica (34) holte den einzigen Punkt beim Chaosrennen in Hockenheim – und das auch nur, weil die beiden Alfas disqualifiziert wurden. Wird der Protest der Italiener beim FIA-Gericht im September stattgegeben, ist auch dieser Glückspunkt weg.
Das einzig Positive: Die Medienpräsenz ist dank des polnischen Superstars Robert Kubica groß. Der Pole, der bei einem Rallyeunfall 2011 fast seinen rechten Arm verloren hatte, polarisiert. Sein Schicksal interessiert jeden. Und das, obwohl er seinem Teamkollegen George Russell in Sachen Speed hoffnungslos unterlegen scheint.
Aber: Kubica genießt sein Comeback, sagt zu ABMS: „Ich bereue nichts. Ich liebe den Sport und ich wollte unbedingt zurück in die Formel 1. Das habe ich geschafft. Und es ist hunderttausendmal besser, sich hier in der Formel 1 mit Problemen auseinanderzusetzen als zuhause faul auf dem Sofa zu liegen und die Rennen im Fernsehen zu verfolgen.“
Laut Kubica dreht sich Williams bei der Problemlösung noch im Kreis: „Wir dachten durch die neuen Regeln könnten wir die Probleme lösen, die wir schon vergangenes Jahr hatten. Dem war aber nicht so. Es fing schon damit an, dass das Auto zu spät fertig wurde und uns deshalb wertvolle Testzeit verloren ging. Es ist schwierig, die Ursache einzukreisen, warum sich das Auto so inkonstant verhält. Sind es die Reifen? Die Aerodynamik? Was anderes? Im Moment drehen wir uns im Kreis.“
Auf eins aber legt der Pole wert: „Meine Probleme haben nichts mit meinem angeblichen Handicap des verletzten rechten Armes zu tun. Beispiel Monaco: Es gab viele Leute, die im Vorfeld dieses Rennens prophezeiten, es würde mein schwierigster Grand Prix werden. Wegen des engen Radius einiger Kurven. Dem war aber nicht so! Ich kann ihnen versichern: Würde mein rechter Arm mich wirklich beim Fahren limitieren, würde ich das als Erster zugeben. Die Probleme haben technische Hintergründe, keine körperlichen. Ich muss aber mit den Vorurteilen leben, die manche Menschen eben haben.“
Fest steht: Seine Fangemeinde ist die treueste in der gesamten Formel 1. Von ihnen profitiert Williams im Moment noch. Youngster Russell dagegen nicht. Weil der britische Mercedes-Junior wesentlich schneller ist als der 23 Jahre ältere Kubica, muss er einigen Shitstorm in den sozialen Medien ertragen.Kubicas Anhänger vermuten, dass der Brite besseres Material bekommt – obwohl Kubica selbst das bestreitet.
Russell muss damit leben. „Es tut ein bisschen weh, dass 50 Prozent der Kommentare aus Hass der polnischen Fans bestehen“, zieht er ein Fazit seiner bisherigen ersten Formel-1-Saison. „Ich kann nur hoffen, dass ich auch einmal so leidenschaftliche Fans haben werde.“
Vergleich Russell gegen Kubica
Qualifying Duell: 12-0
durchschnittlich im Q schneller: -0,48s
Rennvergleich: 10-2
Durchschnittsteampunkte: Russell 0%, Kubica 100%
Noten
Russell 8,3
Kubica 3,6
*Dieser Artikel ist als Erstes in AUTO BILD MOTORSPORT (ABMS) erschienen.