Haas-Teamchef Günther Steiner zieht nach den ersten beiden Rennen Bilanz: Wie gut sind Mick Schumacher und Nikita Mazepin wirklich?
Von Bianca Garloff und Ralf Bach
Günther Steiner, wie lautet Ihr Fazit nach zwei Rennen als Direktor des Ausbildungscamps für Formel-1-Rookies?
Günther Steiner (lacht): Danke für die neue Berufsbezeichnung! Eigentlich ziemlich gut. Es geht rauf und runter, aber das war zu erwarten. Es ist eben Ausbildung. Lernjahre sind keine Herrenjahre für die Jungs. Ich sehe bei Mick, dass er auch im Rennen Fortschritte macht. Nikita in Imola auch, in Bahrain nicht, weil er in der ersten Runde ausgefallen ist (lacht). Das ist natürlich nicht fantastisch, kann aber passieren. Ich hoffe, wir machen jetzt weiter Fortschritte. Wir üben ja mit den Fahrern, was alles passieren kann. Aber zwischen Schule und Berufsleben ist immer noch ein Unterschied.
Mick Schumacher hat in den ersten beiden Rennen zwei kleine Fehler gemacht. Wie ist er damit umgegangen?
Sehr selbstkritisch. Logischerweise. Aber in den ersten Rennen als Welpe gehört das dazu. Auch Tsunoda hat einen Fehler gemacht. Das sind Rookies! Mick geht da selbstkritisch mit um. Das ist gut, solange es nicht zu intensiv ist, denn man muss das richtige Maß finden, um den nächsten Schritt zu machen. Aber das kann er. Er ist gut vorbereitet, motiviert, freut sich immer wieder im Auto zu sitzen.
Sie sagten kürzlich, Mick gehe auch ruhig mit schwierigen Situationen um. Was meinen Sie damit konkret?
Die Ruhe kommt daher, dass er sich technisch und mental sehr gut auf alles vorbereitet. Denn nervös wird man ja nur dann, wenn man in eine Situation kommt, mit der man nicht umgehen kann. Das wird er nie. Und wenn doch, zeigt er es nicht nach außen. Das Gute daran: Wenn er ruhig bleibt, bleiben alle um ihn herum auch ruhig. Dann kann auch er weitermachen, ohne vom Weg abzukommen. Wie nach dem Unfall in Imola. Er ist selbstkritisch, aber er schiebt keine Panik.
Wie hat er am Boxenfunk in Imola auf seinen Mauerkuss reagiert?
Er hat sich entschuldigt und dann ging es schon darum, wie wir ihn zum optimalen Zeitpunkt in die Box zur Reparatur lotsen können. Auch da blieb er sehr ruhig.
In einem unserer letzten Interviews fiel ihnen das Notizbuch auf, mit dem Mick arbeitet. Was zeichnet ihn noch aus?
Er ist sehr diszipliniert, sehr motiviert, es gibt nichts, was er falsch macht. Er ist auch sehr interessiert an allem, was in der Formel 1 passiert. Ihm gefällt das Umfeld wirklich, was sehr schön ist.
Nikita Mazepin hat zwei noch schwerere erste Rennen hinter sich mit einem Unfall in Bahrain und diversen Drehern auch danach. Wie haben Sie ihn aufgebaut?
Ich sage dann: Kopf hoch! Und wir sprechen durch, was warum passiert ist und wie man aus so einer Situation rauskommt. Er strengt sich sehr an, und auch wenn Fehler passieren, muss man positiv bleiben und ihn motivieren. Wir sind ja erst beim dritten Rennen. Wir dürfen jetzt keine Panik machen.
Trotzdem ist die öffentliche Kritik groß. In den sozialen Medien hat sich schon der Spitzname „MazeSpin“ etabliert.
Das gehört dazu. Die sozialen Medien sind Fluch und Segen zugleich. Sie können dir helfen aber auch schaden. Deshalb darf man weder auf positive noch auf negative Reaktionen zu sehr hören, sondern einfach versuchen, einen guten oder besseren Job zu machen. Wir haben zwei Neulinge in unseren Autos und da braucht es Zeit, bis einer soweit ist, die Leitdaten zu geben, an denen sich der andere orientieren kann. Derzeit sind wir noch in einer Phase, in der wir uns finden müssen.
Mazepin hat sich allerdings schon beschwert, dass Mick Schumacher durch die Ferrari-Akademie und die dazugehörigen Simulator- und Testfahrten einen Vorteil hat…
Ich würde nicht sagen, dass er sich beschwert hat. Er hat es gesagt, weil es stimmt. Es ist für Mick bestimmt kein Nachteil, aber ich glaube auch nicht, dass es ein riesiger Vorteil ist, mit einem zwei Jahre alten Auto in Fiorano zu fahren… Es ist immer gut, im Auto zu sitzen. Aber wie viel es wirklich bringt, da sind schon noch Fragen offen. Simulator fahren hilft sicher. Nikita war auch im Simulator. Es hilft, ist Selbstvertrauen aufzubauen.
Sie konnten sich mittlerweile bestimmt ein Bild von Mick Schumacher machen: Ist er ein zukünftiger Siegfahrer und Weltmeister?
Nach zwei Rennen würde ich mich zu diesen Aussagen nicht hinreißen lassen, auch wenn ich eigentlich sagen sollte: Na sicher! Ich möchte ihn noch etwas länger beobachten, kann aber schon sagen: Er hat sicher das Material, ein guter Formel-1-Fahrer zu werden. Um Weltmeister zu werden, musst du auch im richtigen Moment im richtigen Auto sitzen. Und jetzt zu sagen, er wird Weltmeister: Den Druck will und sollte ich nicht aufbauen. Dass er ein guter Rennfahrer ist, hat er bewiesen, auch in der Formel 3 und Formel 2. Ob er ein Champion wird? Zu früh zu sagen. Im Moment sind wir in den Flitterwochen. Alles ist schön und alles ist gut. Ich bin noch vorsichtig, irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen, die den Jungs dann ewig anhaften.
Flitterwochen ist ein gutes Stichwort: Sie sind ja sowohl mit Ferrari als auch mit Mazepins Sponsor Uralkali liiert. Inwiefern nehmen beide Einfluss auf die Entwicklung und Behandlung ihrer Schützlinge?
Zu managen ist das am einfachsten, wenn man ehrlich ist, beiden die gleichen Voraussetzungen gibt und das auch nachweisen kann. Nachfragen wird es immer geben. Und jeder Fahrer glaubt auch immer, er wird benachteiligt. Und wenn man wirklich mal nur ein neues Teil für einen Fahrer dabei hat, muss man das offen und ehrlich kommunizieren. Das ist mein Weg.
Wer sind Ihre jeweiligen Ansprechpartner?
Bei Ferrari und Mick ist es Jock Clear, aber auch Mattia (Binotto, der Teamchef d. Red.) weiß Bescheid. Bei Mazepin ist der Ansprechpartner sein Vater (Dmitri Mazepin, gleichzeitig Chef von Uralkali; d. Red.). Logischerweise haben beide Parteien häufiger mal Fragen. Die zu beantworten, bereitet mir keine Probleme.
Zuletzt stand erneut ein Verkauf des Teams an Uralkali im Raum. Können Sie dazu etwas sagen?
Das sind Gerüchte, die jeglicher Grundlage entbehren. Haas gehört immer noch Herrn Haas und das wird auch so bleiben. Mit den aktuellen Resultaten ist niemand glücklich. Aber Gene Haas kennt den Weg, den wir gehen. Er hat immer noch Freude an der Formel 1, kommt auch hier nach Portugal. Und solange wir mittelfristig wieder besser aufgestellt sind, was wir sein werden, ist das okay für ihn.
Was erwarten Sie vom Rennen in Portugal?
Ein Wochenende, an dem die Jungs weiter lernen können und Fortschritte machen. Irgendwann werden wir auch mal ein besseres Resultat abstauben.
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