Mick Schumachers erste Formel-1-Saison nähert sich dem Ende. Als Teamchef von Haas begleitet der Südtiroler Günther Steiner den Sohn von Michael Schumacher auf seinem Weg nach oben. Im exklusiven Interview verrät er, welchen Eindruck Mick bisher hinterlassen hat.
Günther Steiner, welche Note geben Sie als Haas-Oberlehrer Mick Schumacher für seine erste Formel-1-Saison?
Günther Steiner: Oberlehrer bin ich eigentlich keiner (lacht). Ich gebe nicht gerne Noten. Das ist eine Nummer die dann hängenbleibt. Mick hat eine sehr gute Entwicklung durchgemacht dieses Jahr, er kann damit happy sein, was er gelernt hat. Ich denke, das bereitet ihn gut auf 2022 vor. Es wird sicher noch den ein oder anderen Fehler geben. Mick ist 22 Jahre alt, das ist noch immer sehr jung. Und die Formel 1 ist eine sehr schwierige Welt. Nicht nur was das Fahren angeht. Im Großen und Ganzen macht er einen sehr guten Job und deswegen glaube ich, dass er auf dem richtigen Weg ist.
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Was hat sich als seine Stärke herauskristallisiert?
Mick hat gut verstanden, wo wir stehen. Dieses Jahr hat ihn nicht frustriert. Er wusste von Anfang an, worauf er sich einlässt. Er sorgt für eine positive Stimmung in der ganzen Mannschaft und seinem Umfeld. Er sagt: „Jungs es ist ein hartes Jahr, aber jedes Wochenende lernen wir etwas, jedes Wochenende werden wir besser.“ Das bringt einen sehr positiven Geist ins Team.
Erinnert Sie Micks Art, das Team zu motivieren, an seinen Vater? Michael Schumacher war ja auch bekannt dafür.
Ich habe leider nie mit Michael zusammengearbeitet, aber unsere Motor-Jungs von Ferrari sagen: Michael war genauso. Mick macht das Ganze auch sehr ehrlich. Er schauspielert nicht, geht auf die Jungs ein und die lieben ihn dafür. Sie stehen richtig hinter ihm. Das ist schön zu sehen, speziell in einem schwierigen Jahr, wie wir es im Moment durchleben.
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Und wie macht er sich fahrerisch?
Fahrerisch gab es wie immer Höhen und Tiefen. Das Limit zu suchen und auch mal zu überschreiten, gehört zum Lernprozess. Wenn Lernen nichts kosten würde, und damit meine ich nicht die materiellen Kosten, könnte es ja jeder. In der Formel 1 muss man sich langsam herantasten ans Limit.
Auf F1-Insider.com hatten wir gerade erst ein Interview mit Mick, in dem er den WM-Titel klar als sein Ziel ausruft. Ist das nicht zu früh?
Nein. Er ist ja nicht nur hier, um die 20 Fahrer zu vervollständigen. Er ist hier, um Weltmeister zu werden. Man muss zwar immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Allerdings: Umso besser man ist, desto größer die Chance, die richtigen Entscheidungen zu treffen und auch von den richtigen Teams mit dem besten Auto engagiert zu werden.
Mick hat die Anlagen, auch wenn man jetzt noch nicht mit Sicherheit sagen kann, dass er Weltmeister wird. Ich glaube aber an ihn. Er hat auch den Trieb dazu, er will Weltmeister werden und das ist auch wichtig.
War der berühmte Nachname für Mick mehr Fluch oder Segen?
Mick benutzt seinen Nachnamen nie, um für sich einen Vorteil zu generieren, er macht einfach sein Ding als Mick. Es war aber auch kein richtiger Fluch. Sicher war es am Anfang ein bisschen schwieriger mit dem Medienhype, aber Mick ist gut damit umgegangen. Er hat da in kurzer Zeit sehr viel gelernt. Abgesehen davon: Bei uns bekommt er sowieso keinen Vorteil, weil er Schumacher heißt. Wir haben zwei Fahrer bei uns im Team, die werden gleich behandelt. Der eine ist der Sohn vom Sponsor, der andere hat einen berühmten Nachnamen, das macht für mich keinen Unterschied.
Und wie war es für Sie persönlich, als Teamchef des Schumi-Sohns plötzlich im Rampenlicht zu stehen?
Ich bin da ziemlich cool geblieben. Da ist von außen mehr draus gemacht worden, als wirklich dran war.
Ihre Kritik an Mick nach seinem Crash in Ungarn war aber schon heftig. Dafür sind Sie wiederum von Ralf Schumacher kritisiert worden.
Jeder hat seinen Management-Stil. Ich habe meinen. Ich bin Teamchef und muss niemandem berichten, wie ich meine Sachen mache. Und ich werde auch in Zukunft weder die Öffentlichkeit noch die Fahrer noch die Presse dazu befragen.
Trotzdem hatten wir einiges zu berichten, denn auch Ihre zwei Fahrer sind auf und neben der Strecke mehrfach aneinandergeraten. War es für Sie dennoch ein Fortschritt, dass dieses Jahr keine Tür kaputt gegangen ist?
(lacht) Da kann man doch sehen, dass ich dieses Jahr eigentlich sehr ruhig geblieben bin, oder? Ja, wir hatten Anfang und Mitte der Saison ein paar Unfälle und Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden. Auch wenn es nicht einfach war, haben wir es aber geschafft, dass die zwei sich verstehen. Sie wissen, wo die Limits sind. Als es drohte zu eskalieren, habe ich meine Methode angewandt, wie das zu lösen ist, ohne die Meinung der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Die beiden respektieren sich. Man muss nicht immer einer Meinung sein, aber der Respekt muss da sein. Ob sie die besten Freunde sind oder nicht, ist mir ziemlich egal.
Wie sieht Ihre eigene Methode Streits zu schlichten denn aus?
Ich bevorzuge es, mit beiden gemeinsam zu reden und nicht erst mit dem einen und dann mit dem anderen. Sonst ist man nur ein Nachrichtenüberbringer. Dafür habe ich keine Zeit. Ich setze mich mit beiden hin, nehme gewöhnlich die Renningenieure mit dazu, damit die im Bilde sind. Das dauert meistens ein paar Besprechungen, bis es sich in den Köpfen verankert hat, aber dann funktioniert es normalerweise.
Wie optimistisch Sind Sie, dass Haas 2022 ins Mittelfeld vorstoßen kann? Sie arbeiten in Maranello jetzt ja noch intensiver mit Ferrari zusammen.
Ich bin vorsichtig optimistisch, weil ich nicht weiß, was die anderen machen. Ich sehe aber die Jungs in Italien im Windkanal und deswegen kann ich schon vorsichtig optimistisch sein. Ich nenne aber keine genauen Zahlen aus dem Windkanal. Wenn ich das tue, hilft das niemandem außer den anderen Teams. Deswegen verrate ich da nichts. Ich glaube aber, wir sind zurück auf dem Niveau, wo wir schon 2016 bis 2018 schon waren.
Was erwarten Sie von den letzten Rennen der Saison?
Schwierig zu sagen. In Brasilien war ich selbst verwundert, wie nah wir an den Autos vor uns dran waren. Wir müssen ja immer bedenken, dass wir nichts weiterentwickelt haben. Das kommt aus dem Nirgendwo. Waren es vielleicht die Fahrer? Ich glaube nicht, dass unser Auto auf einmal besser geworden ist. Aber logischerweise werden unsere Fahrer jedes Rennen besser, weil sie mehr Erfahrung sammeln. Wir wollen einfach das Bestmögliche aus dem Paket herausholen, wie wir es jedes Wochenende versuchen.
Am vorderen Ende des Feldes kämpfen Red Bull und Mercedes derzeit mit harten Bandagen um die WM. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Da wird mit allem gekämpft, was möglich ist. Logisch, es geht ja auch um den Weltmeistertitel. Zu welchen Mitteln auch immer gegriffen wird, solange es nicht unfair wird, habe ich da kein Problem mit. Das macht es interessant und hält die Saison spannend.
Was sagt Ihr Bauchgefühl: Wer wird Weltmeister?
Ich glaube Max Verstappen. Er ist noch kein Weltmeister. Lewis ist zwar immer noch hungrig, hat aber schon sieben Titel. Deshalb glaube ich: Das Quäntchen mehr Motivation hat Verstappen.
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