In drei Wochen startet die Extreme E mit 544 PS starken Elektro-SUV in die Saison. Die Elektro-Rallye-Serie will auf die Umweltproblematik aufmerksam machen und fährt an Orten, die vom Klimawandel bedroht sind.
Nico Rosberg ist als Teamchef mit seinem eigenen Team „RosbergXRacing“ dabei und tritt gegen eine Mannschaft unter der Flagge von Lewis Hamilton an. Gemeinsam wollen beide für mehr Nachhaltigkeit kämpfen. Im Interview spricht Rosberg über seinen eigenen CO2-Fußabdruck, die neue Rolle als Teamchef, einen grünen Sebastian Vettel und Mick Schumachers größte Herausforderung in der Formel 1.
Nico Rosberg, am 3./4. April. findet das erste Rennen der Extreme E in Saudi-Arabien statt. Wie nervös sind Sie vor Ihrem ersten Rennen als Jung-Teamchef?
Nico Rosberg (35): Nervös eigentlich nicht. Wir haben uns sehr gut vorbereitet und ich habe ja Erfahrung mit dem Team aus der DTM. Wir haben mega erfahrene Piloten. Molly Taylor ist australische Rallye-Meisterin und Johan Kristoffersson ist der beste Rallycrossfahrer aller Zeiten (zwei WM-Titel; d. Red.) – da haben wir eine extrem solide Basis. Daher: Nervös bin ich nicht, aber extrem gespannt. Ich reise auch zum Rennen hin.
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Sie sind damit wieder voll im Wettkampf, aber als Teamchef und nicht als Fahrer. Ist das ein anderes Gefühl?
Das ist ein ganz anderes Gefühl. Obwohl: Ich werde an der Boxenmauer genauso nervös und angespannt sein. Aber witzig: Beim Test hatten wir dann ein wichtiges Sponsoren-Dinner und ich wollte die Fahrer dabeihaben. Während des Dinners habe ich mich dabei ertappt, wie ich zu ihnen gesagt habe: ‚Ihr seid jetzt müde, ihr könnt jetzt ins Bett gehen!‘. Das hat früher der Toto (Wolff; d. Red.) immer bei mir gemacht. Voll witzig, dass ich da in diese Rolle reingeschlüpft bin. Das ist echt schön.
Mercedes-F1-Boss Toto Wolff ist einer der besten Teamchefs überhaupt. Was schauen Sie sich von ihm ab?
Diesen persönlichen Touch, den Toto immer mitbringt. Auch mit den wichtigsten Partnern, die er immer persönlich abholt – das macht einen Unterschied. Ich habe auch selbst mit den Fahrern verhandelt, bei Molly habe ich auf ihrer Homepage selbst das Kontaktformular für meine erste Anfrage genutzt. So habe ich sie engagieren können, obwohl fünf Teams gleichzeitig an ihr dran waren. Da habe ich echt Nächte durchgearbeitet. Für mich ist sie mit die beste Fahrerin da draußen.
Wie sind Sie auf sie aufmerksam geworden?
Da geht es darum, Netzwerke zu aktivieren. Man geht vom einen zum anderen, spricht mit den Rallye-Ingenieuren, die da mit den Fahrern involviert sind. Ich habe auch mit Seb Ogier gesprochen. Und Stück für Stück baut man sich das so zusammen. Am häufigsten ist der Name Molly Taylor gefallen. Und das hat sich auch beim Test bewahrheitet, sie war richtig schnell.
In der Extreme E teilen sich ein Mann und eine Frau ein Auto. Wie finden Sie das?
Das ist richtig cool. Das ist ein so wichtiges Thema in unserer Gesellschaft. Man sieht ja, wie problematisch es für Frauen noch immer ist, gleichberechtigt zu werden. Dass wir unseren Sport so stark positionieren und Frauen und Männern auf unserer Plattform Gleichberechtigung ermöglichen, ist toll. Wir haben auch eine super Resonanz darauf. Ich merke es auch in den Verhandlungen: Ich habe genauso hart um Molly kämpfen müssen wie um Johan. Und ich weiß: Das war auch für Molly super, dass sie plötzlich auf so eine Weltbühne kommt und so eine Nachfrage für ihre Dienste erfährt.
Die Extreme E unterstützt nun auch die Count-us-in-Challenge, in der jeder Fan, jeder Fahrer und jedes Team Maßnahmen für die Reduzierung ihres CO2-Fußabdrucks treffen soll. Sie selbst leben bereits sehr umweltbewusst. Was können Sie also zusätzlich noch tun?
Man kann immer mehr machen. Die Initiative stammt von Christiana Figueres, die das Pariser Klimaabkommen auf den Weg gebracht hat, in dem sich 189 Länder geeinigt haben, den Klimawandel auf 1,5 Grad zu beschränken – das ist eine Monsterleistung. Sie hat Count-us-in ins Leben gerufen, um die Menschen dazu zu bewegen, umweltbewusster zu leben. Jeder, der sich registriert, bekennt sich zu drei persönlichen Schritten für mehr Klimaschutz. Wenn sich 20 Millionen Menschen anmelden, sind das 60 Millionen mehr Schritte. Zum Beispiel: Ich esse weniger Fleisch, fahre mehr Fahrrad oder gehe mehr zu Fuß. Diese Aktionen haben gebündelt einen riesigen Impact, was die CO2-Emissionen, aber auch was die Aufmerksamkeit betrifft. Jeder kann seinen Beitrag dazu leisten, das finde ich schön und deswegen bin ich da auch Botschafter. Im Büro sind wir jetzt plastikfrei, ich fahre Elektroauto, habe aktuell den Audi e-tron, in Monaco fahre ich außerdem viel Fahrrad und ich bin komplett vegan momentan – aber eher Diät bezogen, weil ich etwas abnehmen will (lacht).
Lewis Hamilton ernährt sich ja auch vegan. Spüren Sie da einen Unterschied?
Ich merke da keinen Unterschied, leider. Aber wahrscheinlich deshalb, weil ich mich ja eh schon so extrem gesund ernähre. Für die, die jeden Tag Hackfleisch und Würstchen essen, ist der Unterschied schon zu spüren, gerade wenn sie den Fettgehalt reduzieren.
Die Extreme E setzt insgesamt stark auf Nachhaltigkeit. Was gefällt Ihnen da am besten?
Zum Beispiel, dass wir bei der Stromversorgung des Events eine Vorreiterrolle einnehmen werden. Das ganze Event wird ja mit Wasserstoff betrieben. Die Brennstoffzellengeneratoren sind von AFC Energy und die laufen komplett CO2 neutral. Das ist halt genial und kann ein positives Beispiel für andere Sportevents wie die Fußball-Europameisterschaft oder die Bundesliga sein. Auf dem Schiff, das die Autos an die jeweiligen Rennorte fährt, ist ein wissenschaftliches Team an Bord, das laufend Daten sammelt – zum Beispiel den Säuregehalt des Meeres.
Inwiefern juckt es Ihnen selbst in den Fingern, das Steuer ihres eigenen Extreme-E-Autos zu übernehmen?
Gar nicht, momentan bin ich ganz happy in der Chefrolle. Die bringt auch viel Adrenalin mit sich. Es ist ja auch eine Herausforderung, das Ganze zu refinanzieren, denn ein eigenes Team kostet mehrere Millionen im Jahr. Und Molly und Johan können das besser, als ich das könnte. Daher ist das schon okay so.
Was sind Ihre Ziele?
Mein Ziel ist ganz klar: um Rennsiege mitfahren. Genauso wichtig ist aber dieser positive Beitrag. Wir haben auch unser eigenes Programm, die Driven by Purpose Kampagne. Da haben wir beim Test in Aragon mit Life Terra schon Hunderte von Bäumen gepflanzt, rund um die Location. Denn das ist auch in Spanien ein riesiges Problem, nicht nur in weiter Ferne. Sogar in Deutschland: Wir haben eine Jahrhundert-Dürre südlich von Berlin gehabt. Der Klimawandel findet nicht nur in der Wüste statt, sondern er macht sich auch zuhause bemerkbar. Im Senegal haben wir eine Partnerschaft mit der Stiftung von Prinz Albert, wo wir auch etwas gegen die Dürre machen. So werden wir uns vor Ort in jedem Bereich passende Initiativen aussuchen.
Braucht Motorsport mittlerweile diesen Nachhaltigkeitsgedanken, um sich zu rechtfertigen?
Total. Jeder muss sich damit auseinandersetzen – jede Firma, jede Person, jeder Sport. Gerade der Sport ist eine Chance, weil wir so eine riesige Reichweite haben. 24 der 25 größten TV-Broadcastings aller Zeiten sind Sportevents. Sport hat eine mega Power. Deswegen muss sich jeder Sport mehr und mehr dafür einsetzen, dass wir dem großen Ganzen dienen und unsere Zukunft schützen. Und ja, Motorsport muss da auch mitmachen. Nicht nur mit Technologietransfer, wie es die Formel E macht oder auch die Formel 1 mit leichtgewichtigen Materialien, Turbomotoren und aktuell Hybriden. Jetzt muss der nächste Schritt kommen. Ich würde mir wünschen, dass die Formel 1 auf synthetische Kraftstoffe setzt. Denn da gibt es noch viel zu tun, der Preis muss runter und es müssen effizientere Herstellungsmöglichkeiten gefunden werden. Wenn man das zum Beispiel für Entwicklungsländer nutzen könnte, wäre das eine super Überbrückung, bis auch dort E-Autos den Durchbruch schaffen. Wenn die Formel 1 in dieser Hinsicht eine Vorreiterrolle spielen könnte, wäre das mega. Lewis und die Formel 1 haben das letztes Jahr insgesamt schon toll gemacht mit der Black-lives-matter-Bewegung und dem Kampf für mehr Vielfalt. Das kann man auch mit der Umwelt tun. Das bewegt tatsächlich etwas, denn da schauen ja Millionen von Menschen zu.
Ist Lewis in der Extreme E also eher Mitstreiter oder doch Gegner?
Ich glaube, da kennen Sie uns doch ganz gut: Weder Lewis noch ich wollen Zweiter werden. Wir haben ja auch noch Jenson Button dabei und viele andere Teams. Da wird viel Kampfgeist dabei sein. Das Schöne ist: Je intensiver unser Kampf sein wird, desto mehr Aufmerksamkeit können wir für die ganzen wichtigen Themen generieren.
Fehlt nur noch ein Sebastian Vettel in der Extreme E. Der wird ja auch gerade immer grüner – und damit meine ich nicht nur die Farbe auf dem Auto.
Stimmt. Vielleicht kriegen wir ihn da auch noch irgendwie rein. Schön zu sehen, dass auch Sebastian in Sachen Nachhaltigkeit in meine Fußstapfen tritt, weil er eine riesige Fanbase hat und so viele Menschen positiv beeinflussen kann. Es ist immer toll, wenn weitere Sportler dazukommen und das Thema pushen.
Sie fuhren als Sohn eines Weltmeisters in der Formel 1. Welchen Rat würden Sie Mick Schumacher vor dessen Debüt-Saison geben?
Es ist nicht einfach, der „Sohn-von“ zu sein. Und bei Mick ist es ja nochmal um zehnfach multipliziert schwieriger, weil die Zeiten von Michael noch nicht so lange her sind und er noch viel erfolgreicher war. Die mediale Aufmerksamkeit wird groß sein, anfangs wohl sogar größer als bei Lewis Hamilton. Ich hoffe, dass Mick das beiseite schieben und sich gut auf seinen Job konzentrieren kann – denn sonst nimmt das viel vom Spaß weg. Die Medien werden ihm keine Zeit geben, aber er muss sie sich selbst nehmen. Man braucht Zeit und Geduld. Ich habe immerhin sieben Jahre warten müssen, bis ich mein erstes Rennen gewonnen habe und sogar elf Jahre bis zum Titel. Das muss man bedenken, wenn man Mick dieses Jahr bewerten will.
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