Sein Neffe Mick steht gerade am Anfang seiner Formel-1-Laufbahn. Ralf Schumacher erinnert sich exklusiv an seinen eigenen Karrierestart als Bruder von Michael Schumacher.
Wer mehr von Ralf Schumacher hören will: Heute Abend ist er gemeinsam mit unserem F1-Insider Ralf Bach im AvD Motor & Sport Magazin, ab 21.45 Uhr live auf Sport1.
Herr Schumacher, Ihr Neffe Mick hat sein erstes Formel-1-Rennen auf Rang 16 abgeschlossen. Wie bewerten Sie seine Leistung?
Ralf Schumacher: Mick hat sein erstes Wochenende super gemeistert. Die zahlreichen Dreher seines Teamkollegen Nikita Mazepin haben gezeigt, dass das Auto nicht gerade leicht zu fahren ist. Deshalb schmälert auch Micks Dreher im Rennen meinen positiven Eindruck nicht.
Was erwarten Sie für den weiteren Saisonverlauf von ihm?
Mick kann nur eins machen: So wenig Fehler wie möglich, schneller sein als sein Teamkollege, um dann optimal vorbereitet ins Jahr 2022 zu gehen. Ich bleibe dabei: Es wird ein reines Lehrjahr für ihn.
Sie sind im zweiten Jahr als Experte bei Sky aktiv und werden regelmäßig vor Ort im Fahrerlager sein. Man könnte sagen, sie haben die Seiten gewechselt. Hat sich Ihr Blickwinkel dadurch geändert?
Ja, etwas. Ich verstehe jetzt mehr, wie viel Arbeit hinter jedem Bericht in den einzelnen Medien steckt. Mit wie viel Herzblut jeder da dabei ist, wie viele Motorsportfans es unter den Medienvertretern gibt. Das war mir damals nicht so bewusst. Ich war gerade als junger Fahrer nicht gerade der einfachste im Umgang. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass der Neidfaktor größer war als das Interesse an meiner Person. Das sehe ich heute nicht mehr so.
Ihr Neffe ist in einer ähnlichen Situation wie Sie bei Ihrem F1-Einstieg 1997: Mick ist der Sohn der Legende, Sie waren der jüngere Bruder. Konnten Sie das damals ausblenden?
Ohne Michael und unseren gemeinsamen Manager Willi Weber wäre ich womöglich nie in der Formel 1 gelandet. Michael nicht ohne das Engagement von Willi Weber und Mercedes. So ehrlich muss man schon sein. Mir haben sie Türen geöffnet, ganz klar. Und das schon in den Nachwuchsformeln. Wäre ich ohne meinen Bruder im Formel-3-Werksteam von Opel gelandet? Wohl kaum. Nichtsdestotrotz musste ich dann Leistung bringen. Ich habe das Rennen in Macao gewonnen, das als F3-WM gilt. Ich habe 1996 die hart umkämpfte Formel-3000-Meisterschaft in Japan gewonnen, was gerade für einen Ausländer nicht einfach war. Also habe ich die Chance genutzt, die man mir gab und ich denke, ich hatte den Formel-1-Einstieg deshalb auf Grund meiner Leistungen auch verdient. Aber leider konnten nicht alle verstehen, dass ich eine eigene Marke war und nicht nur der kleine Bruder des großen Champions sein wollte.
Gab es da einschneidende Erlebnisse?
Ja. Ich hatte ja schon vor meinem Einstieg den Namen „Rolex-Ralf“ weg. Wie ein Tattoo, das man mir einritzte, obwohl ich gar nichts dafür konnte. Ich weiß die Geschichte heute noch, als wäre sie gestern gewesen. Nach dem Gewinn der Meisterschaft in Japan bot mir McLaren-Mercedes Testfahrten in Hockenheim an. Der Formel-1-Einstieg bei Jordan stand auch schon fest und der damals 21jährige Ralf Schumacher war extrem gut gelaunt. Alles lief in die richtige Richtung. Vor den Tests in Hockenheim besuchte ich mit Willi Weber einen alten Freund von Willi, der Uhrenhändler war. Der zeigte mir eine Rolex-Daytona, mit Lederarmband und gold/schwarzem Ziffernblatt. Ich hatte gerade viel Preisgeld aus Japan bekommen und er bot mir die gebrauchte Uhr an. Ich kaufte sie, zog sie an und ich Idiot fuhr damit nach Hockenheim.
Willi hatte dort Interviewtermine vereinbart, allerdings hat das mit dem Zeitmanagement noch nicht ganz geklappt. Soll heißen: Der Vertreter einer sehr wichtigen Boulevardzeitung aus dem Kölner Raum bekam sein versprochenes Interview nicht. Er war richtig sauer, weil er sich ja umsonst auf den Weg nach Hockenheim gemacht hatte. Dann sah er die Uhr an meinem Handgelenk und statt das Interviews machte er die Geschichte mit „Rolex-Ralf.“ Dieses Image hing mir dann sehr lange noch nach. Eigentlich sollte ein Journalist da drüber stehen. Sei’s drum. Heute verstehe ich mich sehr gut mit dem Kollegen. Man wird ja auch älter und weiser.
Ihr Sohn David fährt jetzt in der Formel 3, steht womöglich auch vor dem Sprung zu einer großen Karriere. Inwieweit geben Sie ihm Ihre eigenen Erfahrungen mit auf den Weg?
David ist viel lockerer und offener als ich es war. Er ist natürlich auch viel ungezwungener groß geworden. Ich stelle aber fest, dass sich der Journalismus in der Formel 1 und im Motorsport geändert hat. Früher war es ein Mix aus Boulevard und Sport. Für Michael und mich hat der Boulevard das meiste geprägt. Ohne Namen zu nennen, da gab es im speziellen eine Zeitung und eine Illustrierte, die einen regelrecht erpressten, um an ihre Stories zu kommen. Das sehe ich heute nicht mehr so. Ich habe heute den Eindruck, dass der Sport viel mehr im Vordergrund steht. Der Umgang, das Miteinander zwischen Medien und Sportlern ist besser geworden. Besonders an Sebastian Vettel ist das festzumachen.
Wie meinen Sie das?
Sebastian gibt privat nichts von sich preis. Das ist seine Sache und das muss man auch akzeptieren. Für die Schwiegermutter von nebenan ist er deshalb nicht so interessant. Zu Michael und meinen Zeiten wäre das nicht akzeptiert worden. David und Mick sowieso, aber auch ein Sebastian Vettel sind zu einer Zeit groß geworden, als sich dieser Wandel im Umgang zwischen Medien und Sportlern schon abzeichnete. Besonders Michael aber auch ich kamen im Prinzip aus einem kleinen, gemütlichen Dorf in Kerpen und wurden dann in die große weite Welt geworfen – ohne auch nur den geringsten Hauch einer Ahnung zu haben, wie die funktioniert.
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