Daimlers Gewinneinbruch wird vor allem in der Wirtschaft kritisch gesehen. Dabei steht auch das Formel-1-Engagement in der Kritik. Nicht immer zurecht.
Rhetorisch brillant war er, vertrauenserweckend, nur am Ende deuteten seine trotzig verschränkten Arme darauf hin, dass er etwas genervt war von den Banker-Fragen aus dem Publikum. Denn: Daimler-Vorstand Ola Källenius hat heute auf der Jahrespressekonferenz von Daimler in Stuttgart erneut einen massiven Gewinneinbruch rechtfertigen müssen.
Die krisenträchtigen Zahlen: Unterm Strich blieben 2019 nur noch 2,4 Milliarden Euro Gewinn übrig. 2018 war das Ergebnis noch dreimal so hoch. Die Aktien-Dividende muss von mehr als drei Euro auf 90 Cent gekürzt, rund 15000 Mitarbeiter sollen entlassen werden. Elektromobilität, Dieselkrise und zu hohe Personalkosten machen dem deutschen Vorzeigeautobauer zu schaffen. Es ist das Erbe von Källenius‘ Vorgänger Dieter Zetsche.
Trotzdem wirkte der Schwede entschlossen, den Konzernumbau erfolgreich zu gestalten und Daimler zum Gewinner der elektrischen und digitalen Transformation zu machen. Dabei ist der Druck groß. Auch auf das Formel-1-Engagement.
Wenn sogar eine seriöse und meinungsstarke Tageszeitung wie die „Süddeutsche“ die Königsklasse in ihrer Mercedes-Berichterstattung ins Visier nimmt, ist die Formel 1 nicht mehr nur ein Nebenkriegsschauplatz. „Wenn Källenius über Klimaneutralität spricht oder in Las Vegas ein futuristisches Null-Emissions-Auto präsentiert, muss er aufpassen, dass er seine Glaubwürdigkeit nicht verspielt“, ist da zu lesen. „Denn gleichzeitig rast Mercedes in der Formel 1 im Kreis herum, und das ist definitiv die unnachhaltigste Sportart der Welt. Wenn es Källenius wirklich ernst meint mit seinen Aussagen über Effizienz und Umweltschutz, dann kann es nur eine Entscheidung geben: Raus aus der Formel 1.“
Allein: Ganz so schwarz-weiß ist Daimlers Engagement in der Königsklasse des Motorsports gewiss nicht zu bewerten. Die 1,6-Liter-V6-Turbo-Hybridmotoren sind das Effizienteste und Sauberste, was es an potentiell massentauglichen Antrieben weltweit gibt. Ab 2021 soll der Biosprit-Anteil von 20 Prozent schrittweise auf 100 Prozent erhöht werden. Die Königsklasse ist ein wichtiges Forschungslabor für die britische Daimler-Tochter „Mercedes High Performance Powertrains“ in Brixworth, wo auch die Formel-E-Motoren auf Basis der Erkenntnisse aus der Formel 1 gebaut werden.
Angesichts des elektrischen Wandels und diverser Plugin-Hybride im Daimler-Portfolio ist die moderne Motorschmiede, die einst von Källenius selbst geleitet wurde, ein Vorreiter auf dem Weg in die vom mit einer Schwäbin verheirateten Schweden propagierte luxuriöse Nachhaltigkeit.
Allein: Das alles wird so nicht kommuniziert. Weil die hochkomplizierten Antriebseinheiten viel zu selten im Mittelpunkt stehen beim Kampf um die Krone der Formel 1. Da fällt es stärker ins Gewicht, wenn über dreistellige Millionenbeträge für Werksteams und neue seitliche Luftleitbleche diskutiert wird, die eine Zehntelsekunde pro Runde Zeitgewinn bringen – oder eben auch nicht.
Das Werksteam von Daimler sieht sich deshalb massivem Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Denn die Kritik kommt von allen Seiten, auch von der deutschen Konkurrenz. „Wenn ich höre, dass ein Formel-1-Team heute 2000 Leute für zwei Autos hat, dann kann ich mir vorstellen, wie viel Geld das alles kostet“, betont beispielsweise BMW-Sportchef Jens Marquardt im Gespräch mit AUTO BILD MOTORSPORT. „Auch wenn da Revenue zurückkommt, hast du erst mal Kosten und die sind in astronomischen Höhen. So etwas kann man guten Gewissens nicht mehr rechtfertigen.“
Das Formel-1-Team um Motorsportchef Toto Wolff (48) wirbt deshalb mehr denn je für seine eigene Daseinsberechtigung. „Die Kosten für Mercedes in der Formel 1 sinken jedes Jahr“, lässt sich der Österreicher von BILD zitieren. „Unser Ziel ist sogar, innerhalb der nächsten zwei Jahre das Formel-1-Team kostenneutral zu unterhalten.“
Neue Sponsoren, die Budgetgrenze ab 2021 (175 Mio Dollar) und neue Geschäftsbereiche (Segelboote, Rennradsport) sollen dabei helfen. Eine Garantie aber, dass man in der neuen Formel 1 ab 2021 weiter siegt, können auch sie nicht geben. Daimlers größter USP in der Königsklasse des Motorsports bleiben die Hybridmotoren. Sie allein sind das Engagement in der Königsklasse schon wert.