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Vettel: „Aston Martin ist ein Langzeitprojekt“

Formel 1 Aston Martin Sebastian Vettel Bahrain Quali 2021

Sebastian Vettel. Credit: Jerry Andre

Sebastian Vettel (33) startet am Sonntag in Bahrain in eine neue Ära. Mit Aston Martin will er zurück zu alter Stärke finden. Im Qualifying wurde er zwar von gelben Flaggen gebremst und landete nur auf Platz 18. Doch Vettel bleibt optimistisch. Ein Gespräch über James Bond und Co.

Herr Vettel, unabhängig vom ersten Qualifying des Jahres und Ihrem Pech mit den gelben Flaggen: Wie stark schätzen Sie Ihr Team Aston Martin vorm Saisonstart in Bahrain ein?

Sebastian Vettel: Wunder darf man gerade am Anfang nicht von uns erwarten. Auch, weil ich nicht genügend Testkilometer fahren konnte. Falls sie doch passieren, hat niemand etwas dagegen. Aber wichtig ist, dass das Team Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr besser wird. Daran glaube ich und deshalb reden wir hier von einem Langzeitprojekt, das Aston Martin und ich zusammen angehen. Ich fühle mich jung genug, auch in fünf Jahren noch meine Leistungen bringen zu können. Entscheidend für das Selbstvertrauen ist der Gewinn des ersten Titels. Dann weißt du, dass du es schaffen kannst. In diesem Jahr ist es für uns wichtig, genau dann zur Stelle zu sein, wenn die beiden Topteams mal schwächeln.

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Wie könnten Sie kurz Ihr neues Team beschreiben?

Jeder im Team ist extrem fokussiert und gut gelaunt. Wir sind noch nicht so groß wie Ferrari, aber was ich bisher sagen kann: Es arbeiten sehr talentierte Leute bei Aston Martin. Und es gibt einen unermesslichen Hunger zu gewinnen. Manchmal ist eben nicht die Größe entscheidend, sondern die Qualität der einzelnen Mitarbeiter. Eine entscheidende Frage dieses Jahr wird sein, wie wir die Entwicklung des Autos gewichten: Für 2021 gab es relativ wenig Regeländerungen, nächstes Jahr gibt es dagegen eine Technik-Revolution. Das heißt: Man muss sich irgendwann entscheiden, entweder das diesjährige Auto besser zu machen oder sich schon früh auf die Entwicklung für 2022 zu konzentrieren.

Aston Martin hat seinen Kultstatus auch wegen des James-Bond-Image. Bedeutet Ihnen das etwas?

Auf jeden Fall. Jeder kennt Bond. Ich habe alle Filme gesehen, manche auch mehrfach. Jeder träumt doch immer ein wenig davon, so wie James Bond zu sein. Obwohl ich bestimmt schneller Auto fahren kann als 007 (lacht). Den Rest kann er besser. Ich finde das Bond-Thema rund um Aston-Martin positiv, auch wenn man damit natürlich keine Rennen gewinnen kann.

Was können Sie nach der kurzen Zeit über das Verhältnis zu Ihrem Teamkollegen Lance Stroll sagen?

Ich bin der ältere und erfahrene Fahrer, er ist der junge, wilde Herausforderer. Das ist erst mal die Grundlage. Außerdem ist sehr talentiert und ein hat einen hohes Grundtempo. Das hat er mit seiner Pole Position im Regen in der Türkei bewiesen. Lance ist ein netter Kerl, der mit allem offen umgeht und ich habe den Eindruck, dass er von meiner Erfahrung lernen will. 

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Bereitet Ihnen das letztjährige Jahr mit Ferrari noch schlaflose Nächte?

Das gesamte Jahr war eine Herausforderung. Ich war weder zufrieden mit dem Auto, noch mit meinen Leistungen. Aber die Zeit hat keine Narben hinterlassen. Man darf auch nicht alles immer negativ sehen. Ich habe eine Menge gelernt in dieser Zeit und auch großartige Menschen getroffen. Die Vergangenheit ist jetzt aber abgehakt und im Ordner „Erfahrungswerte sammeln“ abgelegt. Wichtig ist, dass man weiß, warum etwas passiert. Ich schaue jetzt gut gelaunt nach dem Heute und Morgen. Wichtig ist, dass man im Frieden mit sich selbst lebt. Und das mache ich. Ich habe hohe Erwartungen an mich selbst. Anders geht es auch nicht.

Sebastian Vettel. Credit: Aston Martin

Gehört der Verkauf Ihrer privaten Ferraris auch zur Vergangenheitsbewältigung?

Vettel (lacht): Nein, überhaupt nicht. Ich habe einfach nicht mehr genügend Zeit, um mit den Autos in der Gegend herum zu fahren. Was aber viel wichtiger ist: Meiner Meinung leben wir gerade in einer Zeit, in der wir uns auf das wirklich Wichtige besinnen sollten. Deswegen trenne ich mich von Dingen, die nicht unbedingt notwendig sind. Das schärft das Bewusstsein.

Vettel will sich selbst etwas beweisen

Wie anders fährt sich der Aston Martin gegenüber dem Ferrari?

Jedes Auto benimmt sich anders, auch wenn es bestimmte Erfahrungswerte gibt, die immer zutreffen. Aber grundsätzlich ist jedes Auto anders, hat einen eigenen Charakter. Genauso wie jeder Fahrer ein anderes Fahrgefühl hat, andere Dinge vom Auto erwartet. Ziel ist es, beide Charaktere zu einer Einheit zu formen.

Ist der Aston-Martin also keine störrische Diva?

Ich weiß was Sie meinen: Die Sache mit dem labilen Ferrari-Heck! Die Geschichten darüber liefen ein wenig aus dem Ruder. Grundsätzlich mag ich Autos, die etwas leichter im Heck sind und mit denen man driften kann, wie der normale Autofahrer sagen würde. Dafür muss das Auto aber berechenbar sein. Ich denke, da stimmt mir jeder Fahrer zu. Wie weit mir der Aston Martin mit seinem Fahrverhalten entgegenkommt, wird man sehen. Es braucht natürlich etwas Zeit: Das Auto ist neu, der Motor neu, das Lenkverhalten völlig anders. Aber das Team macht alles dafür, dass wir zusammen das optimale Paket schnüren. 

Mercedes-Teamchef Toto Wolff und Aston-Martin-Chef Lawrence Stroll sind eng befreundet. Wie weit geht die Freundschaft aber, wenn Aston Martin dem Werksteam zu nahe kommt?

Es ist kein Geheimnis, dass der Mercedes-Motor der beste in der Formel 1 ist. Und das sich der Mercedes-Teamchef und unser Boss gut verstehen, ist sicher kein Nachteil. Die Formel-1-Welt an sich ist moderner geworden, was Werks- und Kundenteams angeht. Da ist ein Kundenteam mehr als nur ein fünftes Rad am Wagen und ich bin sicher, Mercedes macht alles dafür, dass wir das optimale Material bekommen. 

Wie sehr stehen sie unter Druck, weil Sie jedem beweisen wollen, dass die schwierige letzte Saison nicht an ihnen lag? 

Ich will niemandem etwas beweisen, nur mir selbst. Ich gebe nicht viel auf Dinge, die von außen gesagt werden. Mein größter Kritiker bin ich selbst, da brauche ich niemand anders dazu. Was den Druck betrifft: Das eine schließt das andere nicht aus. Je mehr positiven Druck ich spüre, desto mehr Freude habe ich an meinem Job.

Interview: Bianca Garloff/Ralf Bach

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