Für Mick Schumacher könnten die 24 Stunden von Le Mans ein Sprungbrett für eine Rückkehr in die Formel 1 werden. Auch sein Vater glänzte schon beim Langstreckenklassiker.
Den ersten Sieg haben die französischen Lokalmatadoren von Alpine in Le Mans schon errungen: Durch die Verpflichtung von Mick Schumacher (25) steht die sportliche Tochter von Renault im Mittelpunkt des Interesses. Jeder schaut hin, was der Sohn der deutschen Motorsport-Ikone beim Langstrecken-Klassiker (Start Samstag 16 Uhr, Zielflagge Sonntag 16 Uhr, live auf Nitro und Eurosport) zu leisten imstande ist. Und stellen sich die Frage, ob er eine ähnliche Visitenkarte abgeben kann, wie sein Legenden-Vater 1991.
In jenem Jahr trat Michael Schumacher das erste und gleichzeitig letzte Mal in Le Mans an. Knapp zwei Monate vor seinem grandiosen Formel-1-Debüt in Spa wollte der Mercedes-Werkspilot mit einem silbernen Sauber-Mercedes C11 gemeinsam mit seinen Teamkollegen Karl Wendlinger und Fritz Kreutzpointner unbedingt den Sieg.
Doch obwohl es wegen technischer Probleme am Ende nur zum fünften Platz reichte, hinterließ Schumacher damals nachhaltig Eindruck. Nicht nur wegen der schnellsten Runde, die er fuhr. Der damalige Teamchef Peter Sauber erinnert sich: „Michael wollte gewinnen, wollte der Schnellste sein. Unbedingt. Wir mussten ihn zwingen, zum Fahrerwechsel an die Box zu kommen. Er wollte die ganze Nacht durchfahren, aber das erlaubten weder das Reglement noch wir.“
Hintergrund: In Le Mans musste jeder Pilot der drei Piloten mindestens sechs Stunden ans Steuer, darf aber nicht mehr als vier Stunden innerhalb von sechs Stunden fahren. Sauber weiter: „Michael ist sein Rennen gefahren, er hat am wenigsten Sprit verbraucht, hat am wenigsten Reifen gebraucht und ist dabei die schnellsten Runden gefahren. Er ist zwar nicht Kreise um die anderen gefahren, aber der Abstand war riesig.“
Norbert Haug, damals Mercedes-Rennleiter, sieht es ähnlich: „Michael, obwohl damals erst 22, war der Fahrer, der für die anderen in Le Mans die Messlatte war. Es war schon damals klar, zu was er fähig sein konnte.“
Sohn Mick, längst gewohnt immer wieder mit dem Übervater verglichen zu werden, hat in Le Mans das gleiche Ziel: Er will mit einer guten Leistung den nächsten Schritt gehen, den Weg zurück in die Formel 1 zu finden. Dort fuhr er von 2021 bis 2022. Doch der erfolgreiche Gewinner der Nachwuchsformeln 3 und 2 hatte bei der Auswahl seines ersten Autos in der Königsklasse nicht das Glück seines Vaters.
Michael Schumachers Jordan war ein extrem schnelles Auto, mit dem Schumacher Senior vom ersten Training an sein Potential zeigen konnte. Der Haas von Mick Schumacher dagegen war zwei Jahre lang das mit Abstand langsamste Auto im Feld. Dazu kam mit Günther Steiner ein knorriger Teamchef, der die Gründe des Hinterherfahrens fälschlicherweise bei den Fahrern und dabei im Besonderen bei Mick Schumacher sah. Schumacher wurde vom Südtiroler regelrecht weggemobbt.
Jetzt versucht Schumacher seinen Weg zurück in die Königsklasse über den Klassiker in Le Mans. Ähnlich wie sein Vater mit dem Mercedes damals, pilotiert er mit der Alpine 424 einen Wagen, der durchaus Parallelen zu aktuellen Formel-1-Autos aufweisen kann.
Angetrieben werden beide Rennwagen von einem komplizierten Hybridmotor. Muss Schumacher bei seinen Einsätzen als Mercedes-Testpilot rund 1000 PS bändigen, liefert der 3,4 Liter-Renault-Turbo-V6 von Motor bei der geringeren Höchstdrehzahl von 9000 U/min (der Formel-1-Renner dreht 15.000 Touren) immer noch 675 Pferdestärken ab.
„Das Fahren ist allein aufgrund des Dachs etwas anders“, sagt Mick Schumacher. „Aber maximale Leistung musst du immer abrufen, um mit dem Team erfolgreich zu sein.“
Was gut ist: Den Sieg erwartet niemand von Alpine im Debütjahr. Das haben die bisher ausgetragenen Rennen der Sportwagen-WM gezeigt. Favoriten auf den Gesamtsieg in Le Mans sind andere. Porsche etwa mit dem Werksteam Penske oder Ex-Formel-1-Weltmeister Jenson Button als Starpilot im Kundenteam Jota oder Vorjahresgewinner Ferrari, die in diesem Jahr unter anderem Ex-GP-Gewinner Robert Kubica verpflichtet haben.
Alpine befindet sich dagegen noch im Anfangsstadium der Entwicklung. Für Schumachers Formel-1-Comebackpläne sind die Franzosen aber dennoch genau das richtige Team. Grund: Bruno Famin ist sowohl verantwortlich für Alpines Formel-1-Engagement als auch fürs Le-Mans-Projekt.
Der Franzose muss im nächsten Jahr ein Formel-1-Cockpit neu besetzen. Famins Landsmann Esteban Ocon wird das Team verlassen. Und Famin macht keinen Hehl daraus, dass Schumacher als möglicher Nachfolger auf der Liste steht.
Dessen bisherige Leistungen, sein Tempo, aber auch das ausgeprägte Teamplayerverhalten sowie die effektive Arbeit mit den Ingenieuren haben ihn bisher schwer beeindruckt. Eine Bestätigung dieses Eindrucks in Le Mans wird die Comeback-Tür für Mick Schumacher weiter aufstoßen.
Fest steht: Auch deswegen werden alle auf ihn schauen.
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